VwGH 98/08/0358

VwGH98/08/03582.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann und Dr. Stefan Geiler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. September 1998, Zl. Vd-SV-1001-1-30/11-1998, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: F GmbH in I, vertreten durch Dr. Hansjörg Mader, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 13), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §49 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
ASVG §49 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nahm bei der mitbeteiligten Partei am 10. Februar 1997 eine Beitragsprüfung für den Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis zum 31. Dezember 1996 vor. Mit Bescheid vom 22. Oktober 1997 sprach sie aus, dass die mitbeteiligte Partei als Dienstgeber verpflichtet sei,

S 359.051,58 unverzüglich nach Zustellung des Bescheides zu bezahlen. Es würden folgende Melde- und Beitragsdifferenzen zur Nachrechnung gelangen:

"1. Fallweise beschäftigte Dienstnehmer durchlaufend zur Sozialversicherung gemeldet (Differenzart 2 der Aufstellung der Entgelts- und Beitragsdifferenzen)

Die unter dieser Differenzart ausgewiesenen Dienstnehmer wurden vom Dienstgeber in unregelmäßiger Folge tageweise beschäftigt. Die Beschäftigung wurde für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart, wodurch gemäß § 471a bis 471e nur an den Beschäftigungstagen Vollversicherungspflicht gegeben war, weil es sich in diesen Fällen um eine fallweise Beschäftigung handelte. Der Beitragsprüfer musste daher die durchlaufende Versicherungszeit jeweils auf die Beschäftigungstage reduzieren.

2. Die der Dienstnehmerin Maria O. kollektivvertraglich gebührende Sonderzahlung (auf dieses Beschäftigungsverhältnis ist der Kollektivvertrag für Reisebüroangestellte anzuwenden) wurde bei Austritt der Dienstnehmerin zeitlich zu niedrig aliquotiert. Die Aliquotierung wurde im Zuge der Beitragsprüfung im Verhältnis der im Betrieb zurückgelegten Zeit vorgenommen.

3. Beitragsgrundlage in den Beitragsnachweisungen unrichtig ausgewiesen (Differenzarten 40, 43 und 45 der Aufstellung der Entgelts- und Beitragsdifferenzen)

Die Beitragsnachweisungen für Jänner und Feber 1996 wiesen laut Lohnunterlagen jeweils in der allgemeinen Beitragsgrundlage sowie im Bereich Arbeiterkammerumlage, Wohnbauförderungsbeitrag und Zuschlag nach dem Insolvenzentgeltsicherungsgesetz Grundlagen auf, die um ATS 756,-- zu niedrig bemessen waren.

4. Transferfahrer (Fahrer) mit einem zu niedrigen Entgelt zur Sozialversicherung gemeldet (Differenzart 11 der Aufstellung der Entgelts- und Beitragsdifferenzen)

Die im Flughafentaxiverkehr eingesetzten Fahrer erhielten im gesamten Prüfungszeitraum ... vom Dienstgeber Nettoendbezüge in Höhe von ATS 400,-- arbeitstäglich (Basis 6 Stunden täglicher Fahrzeit) zuzüglich arbeitstäglich ATS 40,-- pro Stehstunde und ATS 57,-- als Spesenersatz für Telefonkosten etc. Zur Sozialversicherung wurden diese Fahrer mit einer täglichen Beitragsgrundlage von ATS 312,-- gemeldet. Dies deshalb, so argumentiert der Dienstgeber, weil seinerseits aus den Nettobezügen steuer- und beitragsfreie Spesenersätze herausgerechnet werden, bevor die Sozialversicherungsbeitragsgrundlage ermittelt wird."

In ihrem "Dienstzettel für Fahrer" habe die mitbeteiligte Partei festgelegt, dass die Lohnberechnung "in Anlehnung an die Kollektivvertragslöhne der Fahrer im Kleinfrachtgewerbe mit PKW" erfolge. Der dort ausgewiesene Stundenlohn habe im gesamten Prüfzeitraum S 66,-- betragen. Der von der mitbeteiligten Partei gemeldeten Beitragsgrundlage sei aber nur ein Stundenlohn von S 52,-- zu Grunde gelegt worden. Bei der Berechnung des Anspruchslohnes habe sich die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse an die im Dienstzettel festgeschriebene Lohnvereinbarung gehalten. In Ermangelung exakter Arbeitsaufzeichnungen habe sie die von der mitbeteiligten Partei angegebene sechsstündige tägliche Arbeitszeit akzeptiert, obwohl diese bereits im Dienstzettel einräume, dass mit dem vereinbarten Tageslohn auch höhere Arbeitszeiten abgegolten seien. Die von der mitbeteiligten Partei gewählte Beitragsberechnungsmethode, aus einem vereinbarten Nettoentgelt nachträglich pauschal beitragsfreie Entgeltbestandteile herauszurechnen, widerspreche arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen.

Art und Umfang der aus diesen Meldeverstößen resultierenden Differenzen seien in der beigelegten Aufstellung über Entgeltdifferenzen sowie in der Beitragsnachrechnung vom 2. September 1997 enthalten. Diese Schriftstücke seien Bestandteile der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides.

Die mitbeteiligte Partei erhob Einspruch. Ungeachtet der Einspruchserklärung, den Bescheid seinem gesamten Inhalt nach anzufechten, erhob sie Einwände nur gegen die Nachverrechnungen zu den o.a. Punkten 2 und 4:

Zur Dienstnehmerin O. (Punkt 2 der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) führte die mitbeteiligte Partei aus, es sei übersehen worden, dass bereits im Juni 1996 eine anteilsmäßige Sonderzahlung abgerechnet worden sei. Zu den Transferfahrern (Punkt 4 der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) führte die mitbeteiligte Partei aus, es sei unrichtig, dass die Anwendung des Kollektivvertrages des Kleinfrachtgewerbes mit PKW vereinbart worden sei. Unter Punkt 5 des erwähnten Dienstzettels sei lediglich darauf Bezug genommen worden, dass die Lohnberechnung "in Anlehnung an die Kollektivvertragslöhne nach diesem Kollektivvertrag" erfolge. Es habe sich "lediglich um die Lohnberechnungsmodalitäten seinerzeit gehandelt". Unrichtig sei auch, dass die mitbeteiligte Partei aus dem vereinbarten Nettoentgelt nachträglich pauschal beitragsfreie Entgeltbestandteile herausgerechnet habe. Es sei ein Mindestbruttolohn von S 312,-- für sechs Stunden vereinbart worden, was zu einem Bruttostundenlohn von S 52,-- führe. Es werde "aus den bereits zitierten Gründen ... jegliche nachträgliche Beitragsleistungsverpflichtung des Einschreiters bestritten. Insbesondere besteht keinerlei Verpflichtung zur Bezahlung von Sonderzahlungen, da kein Kollektivvertrag besteht und auch keiner vereinbart wurde." Die mitbeteiligte Partei stelle daher den Antrag, dem "Einspruch Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Prüfung an die Tiroler Gebietskrankenkasse zurückzuverweisen, jedenfalls festzustellen, dass eine Beitragsnachleistungspflicht des Einschreiters nicht besteht."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch gemäß § 413 ASVG iVm § 66 Abs. 4 AVG Folge und behob den Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse. Die mitbeteiligte Partei habe gegen den erstinstanzlichen Bescheid "hinsichtlich der Beitragsnachrechnung zu Pkt. 2 und Pkt. 4 zulässig und rechtzeitig Einspruch erhoben ... Die Beitragsnachrechnung zu den Pkt. 1 und 3 des angefochtenen Bescheides wurde nicht beeinsprucht. Der Bescheid ist daher diesbezüglich bereits in Rechtskraft erwachsen."

Begründend führte die belangte Behörde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - Folgendes aus:

"Zu Einspruchspunkt 2 (Beitragsnachrechnung für die Transferfahrer):

Mit den Transferfahrern wurde lt. Punkt 5 des Dienstzettels Folgendes vereinbart:

'Berechnungsmodus: Pro Fahrt werden folgende Netto-Endbezüge, die sich aus Lohn- und Auslandspauschalen zusammensetzen, gewährt:

Pro Fahrt ATS 400,-- bis maximal 6 Stunden, pro Stehstunde ATS 40,-- und ATS 57,-- für Spesenersatz (Gepäckwagen für Kunden, Telefonkosten).

Abhängig von der Länge der Auslandsaufenthalte ergeben sich variierende steuerfreie Auslandspauschalanteile, die voll oder teilweise ausbezahlt werden und vom vereinbarten Endbezug abgezogen werden, um den zu versteuernden Bruttolohn zu berechnen.

Anmeldung bei der Sozialversicherung:

Als Mindest-Bruttolohn werden jedoch pro Fahrt pauschal ATS 312,-- vereinbart, mit denen der Fahrer bei der Sozialversicherung angemeldet wird.'"

Der Dienstnehmer Peter R. habe bei seiner Einvernahme angegeben, dass pro Fahrt ein Entgelt von S 312,-- zuzüglich Auslandsdiäten und für Stehzeiten am Flughafen in München S 40,-- pro Stunde vereinbart worden sei. Er habe für Telefonkosten und Kofferwagen einen Spesenersatz von S 57,-- erhalten.

Für die Dienstverhältnisse der Transferfahrer habe es im Prüfzeitraum in Tirol weder einen gültigen Kollektivvertrag noch einen Mindestlohntarif gegeben. Die Höhe des Entgelts richte sich somit nach der dienstvertraglichen Vereinbarung. Pro Fahrt (bis maximal 6 Stunden) sei ein Entgelt von S 400,-- vereinbart worden. In diesem Betrag sei der Lohn und das Auslandspauschale enthalten. Überdies sei pro Stehstunde S 40,-- und ein Spesenersatz (für Telefonkosten und Gepäckwagen für Kunden) von S 57,-- vereinbart worden. Das beitragsfreie Auslandspauschale, das je nach der Dauer des Auslandsaufenthaltes unterschiedlich gewesen sei, sei entsprechend der Vereinbarung vom Entgelt (S 400,--) abgezogen worden. Der Lohnbestandteil sei daher "gleichfalls unterschiedlich" gewesen. Um den Transferfahrern ein bestimmtes beitragspflichtiges Entgelt zu sichern, sei vereinbart worden, dass der Transferfahrer pro Fahrt mit einem Bruttolohn von S 312,--

täglich zur Sozialversicherung gemeldet werde. Die Transferfahrer Metin T. und Reinhold B. seien - wie sich aus Abrechnungsunterlagen ergebe - mit einem höheren als dem sich aus der Abrechnung tatsächlich ergebenden Entgelt zur Sozialversicherung gemeldet worden. In den Dienstzetteln sei die vereinbarte Entlohnung genau und detailliert angeführt worden, sodass ein Heranziehen der Lohnsätze des Kollektivvertrages nicht zulässig sei. Die Nachverrechnung der Sozialversicherungsbeiträge für die Transferfahrer mit einer täglichen Beitragsgrundlage von S 396,-- sei daher zu Unrecht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse bekämpft den angefochtenen Bescheid insoweit, "als dem Einspruch der mitbeteiligten Partei ... in Ansehung der Punkte 1, 3 und 4 Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insoweit behoben wurde." Die Beitragsnachrechung für die Sonderzahlung der Dienstnehmerin Maria O. (Punkt 2 der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides) sei von der Anfechtungserklärung nicht umfasst.

Unhaltbar sei der Standpunkt der belangten Behörde, dass die mitbeteiligte Partei die Beitragsnachrechnung zu den Punkten 1 und 3 des erstinstanzlichen Bescheides nicht beeinsprucht hätte und der Bescheid diesbezüglich in Rechtskraft erwachsen wäre. Der erstinstanzliche Bescheid sei seinem gesamten Inhalt nach angefochten worden. Eine Begründung sei freilich nur in Ansehung der Punkte 2 und 4 des erstinstanzlichen Bescheides (Faktum O. und Faktum Transferfahrer) ausgeführt worden. Dies ändere aber nichts daran, dass vom Einspruch der gesamte erstinstanzliche Bescheid umfasst gewesen sei und daher insoweit nicht in Rechtskraft habe erwachsen können. Dem Einspruch hätte, jedenfalls soweit er sich gegen die Punkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Bescheides gerichtet habe, nicht Folge gegeben werden dürfen.

Bereits diese Ausführungen führen die Beschwerde zum Erfolg.

Da der erstinstanzliche Bescheid - wie oben ausgeführt - ausdrücklich seinem gesamten Inhalt nach bekämpft wurde, kommt eine Teilrechtskraft schon deswegen nicht in Frage. Die Auffassung der belangten Behörde, der erstinstanzliche Bescheid sei hinsichtlich der Punkte 1 und 3 in Rechtskraft erwachsen, kann daher nicht geteilt werden.

Daran ändert es auch nichts, dass sich die Einspruchsbegründung nur mit den Punkten 2 und 4 des erstinstanzlichen Bescheides beschäftigte. Gemäß § 412 Abs. 1 ASVG hat der Einspruch gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen "den Bescheid zu bezeichnen, gegen den er sich richtet, und einen begründeten Entscheidungsantrag zu enthalten."

Zur inhaltsgleichen Regelung des § 63 Abs. 3 AVG für das Berufungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei der Auslegung des Merkmals des "begründeten" Berufungsantrages kein strenger Maßstab angelegt werden soll. Nur wenn einer Eingabe nicht einmal eine Andeutung darüber zu entnehmen ist, worin die Unrichtigkeit des angefochtenen Bescheides gelegen sein soll, fehle es an dem unabdingbaren Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages, weshalb eine solche Berufung als unzulässig zurückzuweisen wäre (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 155 f zu § 63 AVG).

Der gegenständliche Einspruch enthält eine (sogar ausführliche) Begründung und erfüllt damit jedenfalls die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ASVG, woran der Umstand, dass sich diese nur mit den Punkten 2 und 4 des erstinstanzlichen Bescheides beschäftigt, nichts ändert. Der Einspruch war deswegen hinsichtlich der Punkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Bescheides auch nicht unzulässig, da eine rechtliche Trennbarkeit des im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Abspruchs nicht vorliegt und somit kein Erfordernis bestand, hinsichtlich jedes trennbaren Teiles eine Begründung des Einspruches vorzunehmen, um der Bestimmung des § 412 Abs. 1 ASVG gerecht zu werden (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 136 zu § 63 AVG).

Die belangte Behörde hat daher zu Recht in der Begründung des angefochtenen Bescheides von einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachrechnung zu den Punkten 1 und 3 des erstinstanzlichen Bescheides (wenn auch fälschlich unter Hinweis auf eine angeblich bereits eingetretene Rechtskraft) Abstand genommen.

Die belangte Behörde durfte aber den aufhebenden Spruch ihres Bescheides gerade deshalb nicht auf § 66 Abs. 4 AVG stützen:

Bei einer solchen ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides handelt sich um eine Sachentscheidung mit dem Inhalt, dass der mitbeteiligten Partei gar keine Beiträge nachverrechnet werden dürfen. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ist durch diese, jede Beitragspflicht verneinende Entscheidung der belangten Behörde schon deswegen beschwert, weil diese Entscheidung ausschlösse, dass der mitbeteiligten Partei jene (betragsmäßig bisher nicht festgestellten) Beitragsnachzahlungen vorgeschrieben wurden, die sich aus den Punkten 1 und 3 der erstinstanzlichen Bescheidbegründung ableiten lassen und deren Berechtigung die mitbeteiligte Partei in der Begründung ihres Einspruchs gar nicht bekämpft hat.

Die belangte Behörde hätte den erstinstanzlichen Bescheid daher entweder - bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 417a ASVG (in der Fassung der 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, in Kraft getreten am 1. August 1998) - beheben oder ihn gemäß § 66 Abs. 4 AVG abändern müssen.

2. Die Beschwerdeführerin wendet sich ferner gegen die Auffassung der belangten Behörde, der in den Dienstzetteln verwiesene "Kollektivvertrag der Fahrer im Kleinfrachtgewerbe mit PKW" sei zur Ermittlung des Anspruchslohns nicht heranzuziehen.

Für die Bemessung der Beiträge gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist nicht lediglich das tatsächlich gezahlte Entgelt (Geld- und Sachbezüge) im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich bezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 90/08/0227).

In Ermangelung eines auf die hier zu beurteilenden Dienstverhältnisse der "Transferfahrer" anwendbaren Kollektivvertrages ist der Anspruch der Dienstnehmer der mitbeteiligten Partei auf Geld- oder Sachbezüge nach deren Vereinbarung zu beurteilen, wie sie sich aus dem "Dienstzettel für Fahrer", den die mitbeteiligte Partei für alle ihre Dienstnehmer gleich lautend ausgestellt hat, ergibt.

Punkt 5 dieses - von der belangten Behörde insoweit nicht vollständig zitierten - Dienstzettels lautet auszugsweise:

"Die Lohnberechung erfolgt, in Anlehnung an die Kollektivvertragslöhne der Fahrer im Kleinfrachtgewerbe mit PKW und berücksichtigt die tägliche Arbeitszeit von 6 Stunden Fahrzeit sowie die Wartestunden am Flughafen München in der jedoch keine Arbeitsleistungen erbracht werden müssen. Die Fahrten können tagsüber oder in der Nacht sein, gleichfalls wird kein Unterschied zwischen Arbeits- und Sonn- und Feiertagen gemacht.

Berechnungsmodus: Pro Fahrt werden folgende Netto-Endbezüge die sich aus Lohn und Auslandspauschalen zusammensetzen gewährt:

Pro Fahrt AS 400,- bis max. 6 Stunden, pro Stehstunde AS 40,-

und AS 57,- für Spesenersatz (Gepäckwagen für Kunden, Telefonkosten). Abhängig von der Länge der Auslandsaufenthalte ergeben sich variierende steuerfreie Auslandspauschalanteile, die voll oder teilweise ausgezahlt werden und vom vereinbarten Endbezug abgezogen werden um den zu versteuernden Bruttolohn zu berechnen.

Anmeldung bei der Sozialversicherung:

Als Mindest-Bruttolohn werden jedoch pro Fahrt pauschal

AS 312,- vereinbart mit denen der Fahrer bei der Sozialversicherung angemeldet wird.

(...)"

Wenn eine Lohnabrechnung von bestimmten Arbeitsstunden ausgeht und diese "in Anlehnung an die Kollektivvertragslöhne der Fahrer im Kleinfrachtgewerbe mit PKW" erfolgen soll, so ergibt sich schon aus dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung (§ 914 ABGB), dass die Lohnabrechnung - und damit auch die Ermittlung der Höhe des Lohnanspruches - nach dem genannten Kollektivvertrag erfolgen soll. Daran ändert nichts, dass die Lohnabrechnung ferner in pauschalierender Weise "Netto-Endbezüge" pro Fahrt vorsieht, in denen nicht näher definierte "Auslandspauschalen" enthalten sein sollen.

Soweit die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift den Standpunkt vertritt, sie habe mit der Wendung "Anlehnung an die Kollektivvertragslöhne" etwas anderes gemeint, was auch in der Formulierung Ausdruck finde, genügt ein Hinweis darauf, dass gemäß § 915 ABGB bei zweiseitig verbindlichen Verträgen eine undeutliche Äußerung zum Nachteile desjenigen erklärt wird, der sich derselben bedient hat. Dies hat auch für die Auslegung der genannten Wendung "Kollektivvertragslöhne der Fahrer im Kleinfrachtgewerbe mit PKW" zu gelten. Gemeint könnte der Kollektivvertrag für das Kleintransportgewerbe sein, dessen fachlicher Geltungsbereich das Gewerbe der Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, deren höchste zulässige Nutzlast 600 kg nicht übersteigt, umfasst. Die belangte Behörde wird die Frage, auf welchen Kollektivvertrag die oben zitierte Vereinbarung verweist, mit den Parteien des Verwaltungsverfahrens zu erörtern und entsprechende Tatsachenfeststellungen über den Inhalt der lohnrechtlichen Bestimmungen dieses Kollektivvertrages zu treffen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 97/08/0078). Soweit der vereinbarte Anspruchslohn (S 400,-- netto pro Fahrt etc.) den kollektivvertraglichen Lohn nicht erreicht, wäre letzterer maßgebend. Der angefochtene Bescheid ist daher insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

3. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse wendet sich schließlich gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, von dem dem jeweiligen Dienstnehmer bezahlten Betrag einen als "Auslandspauschale" bezeichneten Betrag "entsprechend der Vereinbarung" abzuziehen. Auch insoweit ist die Beschwerde begründet.

§ 49 Abs. 3 ASVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 660/1989 lautet auszugsweise:

"(3) Als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 gelten nicht:

1. Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlassten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä.;"

§ 49 Abs. 3 ASVG enthält eine Aufzählung jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit. gelten, das heißt die an sich die Merkmale der in den Abs. 1 und 2 angeführten Art aufweisen, jedoch Kraft besonderer gesetzlicher Vorschriften in Abs. 3 des § 49 leg. cit. von der Bewertung als beitragspflichtiges Entgelt ausgenommen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1987, Slg. Nr. 12.474/A).

Das den "Transferfahrern" der mitbeteiligten Partei über die erwähnten kollektivvertraglichen Stundenlöhne hinaus bezahlte Entgelt zählt demnach nicht als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 leg. cit., soweit es nach § 26 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)Pflicht unterliegt. Auf einen tatsächlichen Aufwand des Dienstnehmers kommt es dabei nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0172).

Gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 201/1996 gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem nicht Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrkostenvergütungen, Kilometergeld) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Nach lit. d leg. cit. können Tagesgelder für Auslandsdienstreisen mit dem Höchstsatz der Auslandsreisesätze der Bundesbediensteten berücksichtigt werden.

Zur Frage, inwieweit nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer als beitragsfrei zu behandeln sind, bedarf es daher entsprechender Feststellungen, hier insbesondere eines überprüfbaren Nachweises, in welchem Umfang der jeweilige Dienstnehmer Auslandsdienstreisen vorgenommen hat. Die mitbeteiligte Partei trifft diesbezüglich als Dienstgeberin eine qualifizierte Mitwirkungspflicht, die sie dazu verhält, konkrete Behauptungen aufzustellen und dafür geeignete Beweisangebote zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 99/08/0128). Das Vorbringen, die Zahlung von "Auslandspauschalen" sei vereinbart worden, kann die erforderlichen Behauptungen ebenso wenig ersetzen wie ein Hinweis darauf, dass ein Mindestbruttolohn pro Fahrt von pauschal S 312,-- bei der Sozialversicherung angemeldet werden sollte. Welche Beträge die allgemeine Beitragsgrundlage im Sinne des § 44 ASVG bilden, unterliegt nicht der Disposition der Parteien des arbeitsvertraglichen Verhältnisses.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 2. Juli 2003

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