VwGH 98/08/0313

VwGH98/08/03134.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. Alexander Diemand, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Schallmoser Hauptstraße 31, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices Salzburg vom 3. September 1998, Zl. LGS SBG/5/1218/1998, betreffend Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §18 Abs1;
AlVG 1977 §18 Abs2;
AlVG 1977 §4 Abs3;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §56 Abs1;
ASVG §56 Abs4;
AlVG 1977 §18 Abs1;
AlVG 1977 §18 Abs2;
AlVG 1977 §4 Abs3;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §56 Abs1;
ASVG §56 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Schriftstücke ergibt sich folgender unstrittige Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 23. Juni 1998 erkannte die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices Salzburg der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 26. November 1997 gemäß § 17 Abs. 1 iVm § 18 Abs. 1 und Abs. 2 lit a AlVG, Arbeitslosengeld im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 26. November bis 29. November 1997 in der täglichen Höhe von S 212,40 und ab 30. November 1997 für die Dauer von 206 Tagen, in der täglichen Höhe von S 208,50 zu.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen (der Beschwerde in Ablichtung beigeschlossenen) Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie seit 2. Jänner 1990 in Österreich beschäftigt sei. Bis zum August 1997 sei sie bei der Firma A. beschäftigt gewesen. Die Abmeldung von der Pflichtversicherung sei in ungesetzlicher Weise erst nach sechs Monaten und "rückwirkend" vorgenommen worden. Unter Anrechnung dieser sechs Monate ergäben sich jedoch in den letzten zehn Jahren 316 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten, weshalb sie Anspruch auf 39 Wochen Arbeitslosengeld hätte. Zudem müsse an sich der Beurteilungszeitraum von zehn Jahren auf acht Jahre herabgesetzt und eine prozentmäßige Anteilsrechnung vorgenommen werden, weil sie erst seit Jänner 1990 in Österreich sei und daher erst ab diesem Zeitpunkt beschäftigt sein konnte. Schließlich seien die Familienzuschläge für die beiden studierenden Kinder trotz Beibringung der nötigen Unterlagen nicht zuerkannt worden.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid insofern ab, als zu der dort genannten Höhe des Arbeitslosengeldes noch jeweils zwei Familienzuschläge auszubezahlen seien. Zu den restlichen Berufungsgründen führte sie im Wesentlichen aus, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin nach der für das Arbeitsmarktservice ausschlaggebenden Datei des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger in den letzten zehn Jahren (seit 26. November 1987) lediglich 1.999 Tage anstelle der nach § 18 Abs. 2 lit b geforderten 312 Wochen (entspricht 2.184 Tagen) arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die bei der Firma A. vorliegenden Versicherungszeiten (18. Dezember 1996 bis 10. August 1997) entsprächen auch ihrer tatsächlichen Beschäftigungsdauer, da die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Berufung angegeben habe, dass sie sich am 1. August 1997 beim Arbeitsamt gemeldet habe, weil sie von der Firma A. gekündigt worden sei. Weiters sei eine prozentmäßige Anteilsrechnung der Beschäftigungszeiten von zehn auf acht Jahre im Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht vorgesehen und dürfe daher vom Arbeitsmarktservice auch nicht vorgenommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin führt zunächst aus, dass aus der Versicherungszeitenbestätigung der Gebietskrankenkasse vom 19. Jänner 1998 hervorgehe, dass sie zu diesem Zeitpunkt trotz Ende des Beschäftigungsverhältnisses Anfang August 1997 noch immer bei der Firma A angemeldet gewesen sei. Die belangte Behörde hätte daher die tatsächliche Anmeldung zur Sozialversicherung ihren Berechnungen zu Grunde legen müssen und nicht eine allfällige - keinesfalls rechtmäßige - rückwirkende Abmeldung, die § 33 Abs. 1 ASVG widerspräche. Selbst wenn eine derartige rückwirkende Abmeldung als rechtswirksam anzusehen sei, könne sie keinesfalls die alleinige Grundlage für die Feststellung, dass keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, sein, sondern die belangte Behörde hätte erheben müssen, wann die Kündigung durch die Firma A. wirksam geworden und das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich aufgelöst worden sei.

Gemäß § 4 Abs. 3 AlVG gelten die An- und Abmeldungen arbeitslosenversicherungspflichtiger Personen zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie die An- und Abmeldungen zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (§ 19 ASVG) auch als Meldungen zur Arbeitslosenversicherung. Der hier maßgebliche § 33 Abs. 1 ASVG lautet:

" An- und Abmeldung der Pflichtversicherten

§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jeden von ihnen beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten (Vollversicherte und Teilversicherte) bei Beginn der Pflichtversicherung (§ 10) unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie die Abmeldung des Dienstgebers wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit der Beschäftigte in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung kann die Meldefrist im Allgemeinen bis zu sieben Tagen oder für einzelne Gruppen von Pflichtversicherten bis zu einem Monat erstreckt werden."

Gemäß § 56 Abs. 1 ASVG sind für Versicherte, die vom Dienstgeber nicht oder nicht rechtzeitig von der Sozialversicherung abgemeldet werden, die allgemeinen Beiträge bis zum Zeitpunkt der schriftlichen Abmeldung durch den Dienstgeber, längstens aber für die Dauer von drei Monaten nach Ende der Versicherung, weiter zu entrichten. Nach § 56 Abs. 3 ASVG kann der Versicherungsträger, bei dem die Beiträge einzuzahlen sind, auf die Weiterentrichtung der Beiträge über das Ende der Versicherung hinaus (§ 56 Abs 1 ASVG) (...) zur Gänze oder zum Teil verzichten und bereits entrichtete Beiträge dieser Art zurückerstatten. Nach § 56 Abs. 4 ASVG bewirkt die Verlängerung der Beitragspflicht keine Formalversicherung (§ 21).

Die Abmeldung selbst hat nicht konstitutive, sondern bloß deklarative Wirkung, vermag daher auch ein allenfalls bestehendes Dienstverhältnis nicht aufzuheben (vgl. das Erkenntnis vom 2. März 1983, Slg. Nr. 10.989/A). Sie ist daher auch kein wesentliches Kriterium für das Bestehen oder Nichtbestehen des fraglichen Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG (siehe auch das Erkenntnis vom 28. März 1985, Zl. 83/08/0257).

Bei der Auferlegung der Weiterzahlung der Beiträge nach § 56 Abs. 1 ASVG handelt es sich um eine gegen den Dienstgeber gerichtete Sanktion zur Erzwingung der Einhaltung der Meldevorschriften. Diese Sanktion besteht in der Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen ohne Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses; durch diese Beiträge werden daher auch keine Versicherungszeiten erworben. Auch ein Abzugsrecht des Dienstgebers hinsichtlich des Beitragsanteiles des Versicherten besteht nicht.

(vgl. Teschner/Widlar, Allgemeine Sozialversicherung, MAG, FN1 zu § 56).

Entscheidend bei der Festsetzung der Bezugsdauer gemäß § 18 AlVG sind die im § 14 Abs. 4 AlVG taxativ angeführten Anwartschaftszeiten:

"§14. (4) Auf die Anwartschaft sind folgende im Inland zurückgelegte oder auf Grund inländischer Rechtsvorschriften erworbene Zeiten anzurechnen:

a) Zeiten, die der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen, sowie Zeiten der Selbstversicherung in der Arbeitslosenversicherung;

  1. b) (...);
  2. c) Zeiten des Bezuges von Wochengeld oder Krankengeld aus einer Krankenversicherung auf Grund eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses;

    d) bei Dienstverhältnissen von Arbeitern, die mindestens eine volle Woche gedauert haben und an einem Freitag oder Samstag enden, der darauffolgende Samstag und Sonntag oder darauffolgende Sonntag;

    e) (...)."

    Auf die Anwartschaft der Beschwerdeführerin waren daher nur Zeiträume der Arbeitslosenversicherungspflicht anzurechnen, nicht aber auch Zeiten der Weiterleistung von Beiträgen im Sinne des § 56 Abs. 1 ASVG.

    Die belangte Behörde hat demgemäss das Ende der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung der Beschwerdeführerin bei der Firma A. aufgrund der Datei des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger mit 10. August 1997 festgestellt. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer selbst verfertigten Berufung vom 6. Juli 1998 ausgeführt, dass sie "vom 10. August 1997 bis heute" kein Geld von der Firma A. bekommen habe, wobei sie das Datum 10. August 1997 als tatsächliches Ende des Beschäftigungsverhältnis nicht bestritten hat. Wenn die belangte Behörde daher aufgrund der Aktenlage in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin davon ausgegangen ist, dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis der Beschwerdeführerin am 10. August 1997 geendet hat, kann ihr ein Verfahrensmangel nicht mit Grund vorgeworfen werden. Zudem wird in der nunmehrigen Beschwerde nur vorgebracht, die belangte Behörde hätte erheben müssen, wann die Kündigung durch die Firma A. wirksam geworden und das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich aufgelöst worden sei. Die Beschwerde lässt jedoch nicht erkennen, welche für das Verfahrensergebnis ausschlaggebende Änderung des Sachverhaltes damit hätte eintreten können, sodass es an der erforderlichen Darlegung der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels fehlt.

    Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, dass "zwischen dem Anspruch nach § 18 Abs. 1 2. Satz und dem nach § 18 Abs. 2 AlVG ein Bereich" liege, der "wohl in verfassungskonformer Interpretation im Sinn einer prozentmäßigen Anteilsrechnung von Beschäftigungszeiten ausgefüllt werden" müsse, wolle man dieser Bestimmung nicht einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen. Dies würde zu einem Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld für eine Dauer von 39 Wochen führen, was nicht zuletzt auch deshalb geboten erscheine, da sie sich erst sei 1989 in Österreich aufhalte.

    § 18 AlVG lautet auszugsweise:

    "Dauer des Bezuges

§ 18. (1) Das Arbeitslosengeld wird für 20 Wochen gewährt. Es wird für 30 Wochen gewährt, wenn in den letzten fünf Jahren vor Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen in der Dauer von 156 Wochen nachgewiesen werden.

(2) Die Bezugsdauer erhöht sich

a) auf 39 Wochen, wenn in den letzten zehn Jahren vor Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 312 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose bei Geltendmachung des Anspruches das 40. Lebensjahr vollendet hat,

b) auf 52 Wochen, wenn in den letzten 15 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 468 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose bei Geltendmachung des Anspruches das 50. Lebensjahr vollendet hat. ...

(3) Bei der Festsetzung der Bezugsdauer sind die im § 14 Abs. 4 angeführten Zeiten zu berücksichtigen."

Während sich die Regelung über die Bezugsdauer nach § 18 Abs. 1 AlVG ausschließlich an der nachgewiesenen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeit (bzw. Ersatzzeit) innerhalb eines bestimmten Beurteilungszeitraumes orientiert, sieht der durch BGBl. Nr. 232/1988 eingeführte § 18 Abs. 2 AlVG (nunmehr in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. Nr. 364/1989 und BGBl. Nr. 502/1993) einen längeren Leistungsbezug für ältere Arbeitslose in Abhängigkeit von Alter und Beschäftigungsdauer vor. Diese Regelung nimmt darauf Bedacht, dass die Vermittlung älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt erschwert ist (siehe auch 158 BlgNR. 17. GP., Seite 59 zu BGBl. Nr. 232/1988).

Voraussetzung beider Tatbestände ist jedoch, dass innerhalb des normierten Rahmenzeitraumes entsprechende Beschäftigungszeiten nachgewiesen werden können. Die Zeiträume, innerhalb derer die Anwartschaft erfüllt werden muss, sind jeweils vom Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld zurückzurechnen. Nach ihrem oben wiedergegebenen Vorbringen scheint der Beschwerdeführerin eine Aliquotierung der Anwartschaft für jene Zeiten vorzuschweben, während derer mangels Aufenthaltes im Inland Arbeitslosenversicherungszeiten gar nicht erworben werden konnten. Für eine solche Auslegung bietet das Gesetz weder eine Handhabe, noch bestehen wegen des Fehlens einer solchen Regelung (das dem Versicherungsprinzip entspricht) verfassungsrechtliche Bedenken.

Soweit die Beschwerdeführerin aber meint, es müsse von Verfassungs wegen zwischen den Anspruchsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 und jenen des § 18 Abs. 2 (insbesondere lit. a) AlVG in der Weise einen gleitenden Übergang geben, dass mit der Überschreitung der Mindestanwartschaft des § 18 Abs. 1 AlVG auch schon eine verhältnismäßige Verlängerung der Anspruchsdauer verbunden sein müsse, ohne dass die Anwartschaft der nächsten Stufe bereits erreicht sei, ist ihr zu entgegnen, dass jede Grenzziehung durch den Gesetzgeber Härten mit sich bringen kann: Jene Personen, welche die Anspruchsvoraussetzungen knapp verfehlen, werden dann unverhältnismäßig gegenüber jenen benachteiligt, welche die Anspruchsvoraussetzungen knapp erfüllen, wenn - Quantifizierbarkeit vorausgesetzt - der dadurch eintretende Unterschied in Rechten gravierender ist, als es der relativ geringfügige Unterschied in den Anspruchsvoraussetzungen erwarten ließe. Solche, typischerweise im Grenzbereich auftretenden Phänomene sind aber notwendige Folge solcher Grenzziehungen, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit außer Frage steht. Dem Gesetzgeber kann daher insoweit, als er (nahezu) eine Verdoppelung der Anspruchsdauer (von 20 auf 39 Wochen) an eine Verdoppelung der Anwartschaftszeiten (von 156 Wochen auf 312 Wochen) knüpft, nicht vorgeworfen werden, allein deshalb eine unsachliche Regelung getroffen zu haben, weil eine Anwartschaftsdauer von nur 311 Wochen (nahezu) eine Halbierung jenes Anspruchs zur Folge hat, der bei einer Anwartschaft von 312 Wochen gebührt.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 4. Oktober 2001

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