Normen
ABGB §297;
ABGB §418;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1883 §14;
BauO NÖ 1996 §12 Abs1;
BauO NÖ 1996 §12 Abs6;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
ABGB §297;
ABGB §418;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1883 §14;
BauO NÖ 1996 §12 Abs1;
BauO NÖ 1996 §12 Abs6;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 882, Grundbuch 03023 Mauer bei Amstetten, mit den Grundstücken Nr. 2289/11 Baufläche und Nr. .486 Baufläche, worauf das Haus Weberstraße 14 errichtet ist. Unmittelbar an das Grundstück Nr. 2289/11 grenzt das Grundstück Nr. 2289/10 desselben Grundbuches, welches öffentliches Gut ist.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 7. Jänner 1998 wurde den Beschwerdeführern "gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 iVm § 12 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 1996" aufgetragen, die auf dem Grundstück Nr. 2289/10 bestehende und "in Ihrem" (gemeint Beschwerdeführer) "Eigentum befindliche bauliche Anlage (Einfriedung) binnen zwei Wochen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides zu entfernen". Entscheidungswesentlich wurde festgestellt, daß auf Grund der grundbücherlichen Durchführung mit Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom 19. März 1958 das Grundstück Nr. 2289/10 auf Grund der Abtretungsverpflichtung des § 14 der "Bauordnung für Niederösterreich aus 1883" in das öffentliche Gut abgetreten worden ist. Erst im Mai 1997 hätten die Beschwerdeführer auf diesem Grundstück "konsenslos bzw. ohne Bauanzeige" eine nunmehr darauf befindliche Einfriedung errichtet. Eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung zur Errichtung der Einfriedung auf diesem als Verkehrsfläche gewidmeten Grundstück sei auf Grund der NÖ Bauordnung 1996 nicht möglich; das Grundstücke werde nun für die Errichtung der im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan vorgesehenen Straße benötigt.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 24. Februar 1998 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Auch die Berufungsbehörde ging in ihren Feststellungen von einer grundbücherlichen Durchführung der Grundabtretung in das öffentliche Gut mit Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom 19. März 1958 aus. Das Grundstück Nr. 2289/10 sei im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Amstetten als Verkehrsfläche ausgewiesen. Die Voraussetzungen des § 418 ABGB lägen nicht vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom 26. Mai 1998 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. In der Begründung geht die belangte Behörde davon aus, daß sich der von den Baubehörden den Beschwerdeführern erteilte Auftrag auf die auf dem Grundstück Nr. 2289/10, öffentliches Gut, der Kat. Gemeinde Mauer bei Amstetten befindliche bauliche Anlage (Einfriedung) beziehe, welche sich im Eigentum der Beschwerdeführer befinde. Im Beschwerdefall lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zur Entfernung dieser Einfriedung vor. Gemäß § 14 der NÖ Bauordnung 1883 sei der Eigentümer, der eine Grundfläche abzutreten verpflichtet worden sei, gehalten gewesen, auch darauf eventuell befindliche Anlagen zu beseitigen. Deshalb habe im Jahre 1956 zum Zeitpunkt der Abtretung die Verpflichtung des Abtretenden bestanden, dieses auch von baulichen Anlagen zu räumen. Diese Räumungsverpflichtung sei in § 13 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 ebenfalls festgeschrieben gewesen. § 12 Abs. 1 der nunmehr gültigen NÖ Bauordnung 1996 mache lediglich eine Ausnahme hinsichtlich der mit einem Gebäudeteil bebauten Grundflächen. Bei der gegenständlichen Einfriedung handle es sich jedenfalls nicht um einen Gebäudeteil. Die Frage, ob bzw. wie weit die Einfriedung baubehördlich bewilligt sei, habe auf Grund der zitierten Bestimmungen und der daraus abgeleiteten Verpflichtung zur Räumung der abgetretenen Grundfläche außer Betracht zu bleiben. Für den Fall, daß tatsächlich eine baubehördliche Bewilligung für die Einfriedung vorläge, seien die Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, auf welchem sie ihre Schadenersatzansprüche geltend machen könnten. Entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführer gelte der in § 418 ABGB verankerte Grundsatz "superficies solo cedit" nicht für einen Zaun oder eine Grenzmauer. Die uneingeschränkte Nutzung des Grundstückes Nr. 2289/10 durch die Beschwerdeführer ab dem Jahre 1989 (Zeitpunkt des Eigentumserwerbs betreffend das Nachbargrundstück) sei völlig rechtmäßig im Sinne des § 12 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 1996 erfolgt. Ein Handlungsbedarf der Baubehörde habe daher nicht bestanden. Nunmehr sei die Verpflichtung zur Räumung des Grundstückes Nr. 2289/10 aktualisiert worden, weil die mitbeteiligte Stadtgemeinde das betroffene Grundstück zur Verbreiterung der bestehenden Verkehrsfläche benötige. Es lebe daher die Räumungsverpflichtung, die durch die Nutzung der betroffenen Fläche durch die Beschwerdeführer aufgeschoben worden sei, wieder auf.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichterteilung eines Bauauftrages gemäß § 35 der NÖ Bauordnung 1996 verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Baubehörden stützten den beschwerdegegenständlichen Auftrag zur Entfernung der auf dem Grundstück Nr. 2289/10 errichteten Einfriedung auf § 35 Abs. 2 Z. 3 iVm § 12 Abs. 6 NÖ Bauordnung 1996, wobei sowohl die Baubehörden als auch die belangte Behörde davon ausgegangen sind, daß diese bauliche Anlage im Eigentum der Beschwerdeführer steht.
Das Grundstück Nr. 2289/10 ist öffentliches Gut. Grundbücherlicher Eigentümer ist die Stadtgemeinde Amstetten.
Gemäß § 297 ABGB gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht ausgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben sollen, insbesonders alles was erd-, mauer-, niet- und nagelfest ist (vgl. hiezu für viele Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes II, 10. Auflage, S. 49). Für Dauer bestimmte Bauwerke werden unselbständige Bestandteile der Liegenschaft.
Da die zwingenden Bestimmungen des § 297 ABGB nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschaltet werden können (vgl. hiezu Schwimann, ABGB, Praxiskommentar, Band 2, RZ 1 zu § 297 ABGB) und in dem der Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren kein Anhaltspunkt hervorgekommen ist, wonach die vom Auftrag umfaßte Einfriedung ein Superädifikat gemäß § 435 ABGB sein könnte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, warum die Behörden in rechtlicher Hinsicht zur Schlußfolgerung kommen konnten, daß die Einfriedung im Eigentum der Beschwerdeführer steht. Auf Grund des festgestellten und aktenkundigen Sachverhaltes ist vielmehr im Sinne des § 297 ABGB davon auszugehen, daß die hier zu beurteilende Einfriedung unselbständiger Bestandteil des Grundstückes Nr. 2289/10, KG Mauer bei Amstetten, ist, welches öffentliches Gut darstellt.
Die rechtliche Schlußfolgerung der Behörden, die Beschwerdeführer seien Eigentümer der beschwerdegegenständlichen Einfriedung, kann aus den vorliegenden Sachverhaltsgrundlagen nicht nachvollzogen werden. Der Hinweis auf § 418 ABGB in den Erwägungen der baubehördlichen Bescheide übersieht zunächst, daß auch das auf fremdem Grund errichtete, für die Dauer bestimmte Gebäude nach § 297 ABGB Bestandteil des Grundstücks wird und dem Eigentum an der Liegenschaft zuwächst. Die Rechtsprechung der Gerichte (siehe hiezu das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27. Februar 1996, 1 Ob 519/96, RZ 1997/20, mit weiteren Nachweisen) verneint zwar die Anwendbarkeit der Regelungen des § 418 ABGB auf Grenzmauern und Zäune, daraus folgt aber keineswegs, daß mit fremden Materialien von einem Nichteigentümer auf einem Grundstück errichtete Bauwerke (hierunter ist etwas grundfest Errichtetes zu verstehen: siehe Spielbüchler in Rummel, ABGB, 1. Band, Randzahl 2 zu § 297) Eigentum des Erbauers wären. Vielmehr werden für die Dauer bestimmte Bauwerke unselbständige Bestandteile der Liegenschaft (siehe hiezu Spielbüchler in Rummel, ABGB, a.a.O., Randzahl 3 zu § 297 und die dort angegebenen weiteren Belegstellen).
Ein auf § 35 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1996 gestützter Auftrag kann jedoch - mangels einer ausdrücklich anderslautenden Regelung - nur an den Eigentümer des betroffenen Bauwerkes erteilt werden. Nur diesen trifft die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues unabhängig davon, ob er selbst oder seine Rechtsvorgänger den konsenswidrigen Zustand durch ein schuldhaftes Verhalten herbeigeführt haben.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Eine Verpflichtung, Grundflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien liegen und nicht mit einem Gebäudeteil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten (nunmehr § 12 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996; vergleiche auch § 14 des Gesetzes vom 17. Jänner 1883, womit eine Bauordnung für des Erzherzogthum Österreich unter der Enns, mit Ausschluß der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, erlassen wird, LGBl. Nr. 36), kann nur gegenüber dem ehemaligen Eigentümer dieser Flächen bescheidmäßig aufgetragen worden sein. Erst auf Grund eines solchen bescheidmäßigen Auftrages ergibt sich die Räumungsverpflichtung des die abgetretene Grundfläche nützenden Nachbarn des angrenzenden Bauplatzes gemäß § 12 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 1996. Ob ein bescheidmäßiger Auftrag zur Abtretung des nunmehrigen Grundstückes Nr. 2289/10 gemäß § 14 der obgenannten Bauordnung aus 1883 an die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer als Eigentümer dieser Grundfläche ergangen ist, wurde von den Behörden nicht festgestellt und ist den vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht zu entnehmen.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die im Schriftsatzaufwand bereits enthaltene Umsatzsteuer und nicht erforderliche Barauslagen für Kopien der Beilagen.
Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich.
Wien, am 24. November 1998
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