Normen
RPG Bgld 1969 §20 Abs4;
RPG Bgld 1969 §20 Abs5;
RPG Bgld 1969 §20 Abs4;
RPG Bgld 1969 §20 Abs5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das in der Sache ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1997, Zl. 95/05/0079, verwiesen. Mit dem dort angefochtenen Berufungsbescheid der belangten Behörde wurde im Instanzenzug aufgrund einer Berufung der Beschwerdeführer die vom Mitbeteiligten begehrte Baubewilligung hinsichtlich des geplanten Wirtschaftsgebäudes versagt. Die Berufungsbehörde hatte sich damals auf § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung gestützt und ausgeführt, daß der geplante Stall keine hinreichende Entfernung zum Wohngebiet aufweise.
Der Verwaltungsgerichtshof hob mit dem genannten Erkenntnis diesen Berufungsbescheid im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil die Berufungsbehörde einerseits eine früher ergangene, in ihren Aufhebungsgründen bindende Vorstellungsentscheidung nicht beachtet hatte. In jenem Bescheid vom 30. Mai 1990 sei den Beschwerdeführern ein Rechtsanspruch auf Einhaltung der Grünlandwidmung zugebilligt und die damalige Aufhebung darauf gestützt worden, daß die Vereinbarkeit mit den Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 Raumplanungsgesetz nicht geprüft worden sei. Andererseits verwies der Verwaltungsgerichtshof darauf, daß sich das Gebäude der Beschwerdeführer 60 m außerhalb jenes Schutzabstandes befände, innerhalb dessen Geruchsbelästigungen auftreten würden. Aufgrund der Berufung der somit nicht belästigten beschwerdeführenden Nachbarn hätte die in erster Instanz erteilte Baubewilligung aus dem zuletzt genannten Grunde nicht versagt werden dürfen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters von Draßburg-Baumgarten als damals zuständige Baubehörde erster Instanz vom 25. August 1988, mit welcher die Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes mit Fahrsilo (neben der schon rechtskräftig bewilligten Einstellhalle) erteilt worden war, als unbegründet ab. Der erstinstanzliche Bescheid wurde insoferne abgeändert, als drei weitere Auflagen erteilt wurden. Unter Hinweis auf verschiedene, im Berufungsbescheid wiedergegebene Gutachten führte die belangte Behörde aus, daß das geplante Vorhaben zweifelsfrei in einem funktionellen Zusammenhang mit der widmungsgemäßen Nutzung stehe. Die zur Bebauung vorgesehenen Grundstücke böten für die Erschließung günstige Voraussetzungen, zumal die notwendige Infrastruktur vorhanden sei. Es sei davon auszugehen, daß die geplanten Bauvorhaben im Grünland für die landwirtschaftliche Nutzung notwendig seien, sodaß eine Vereinbarkeit mit den im § 20 Abs. 4 Raumplanungsgesetz aufgestellten Voraussetzungen gegeben sei.
Der landwirtschaftliche Amtssachverständige habe einen Schutzabstand von mindestens 186 m errechnet. Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Beschwerdeführer befinde sich zum geplanten Wirtschaftsgebäude in einer Entfernung von ca. 257 m, liege also außerhalb des berechneten Schutzabstandes. Dadurch würden die Beschwerdeführer in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten nicht betroffen. Die Beschwerdeführer seien den schlüssigen und ausreichend begründeten Sachverständigengutachten bloß durch laienhafte Kritik, nicht aber durch Gegengutachten entgegengetreten, obwohl sie dazu die Möglichkeit gehabt hätten.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, durch Immissionen des Bauvorhabens nicht in einer das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Weise unzumutbar belästigt zu werden; sie machen aber auch das Fehlen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 RaumplG geltend. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie der Mitbeteiligte, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die zur Beurteilung der Widmungskonformität heranzuziehenden Bestimmungen des burgenländischen Raumplanungsgesetzes, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 12/1994, welches keine Übergangsbestimmung enthielt (im folgenden: RaumplG), lauten auszugsweise samt Überschriften:
"Grünflächen
§ 16. (1) Als Grünflächen sind solche Flächen vorzusehen, die für die Landwirtschaft, für Gärtnereien und Kleingartengebiete, für Kur-, Erholungs-, Spiel- und Sportzwecke, für Parkanlagen, für Friedhöfe und für sonstige, anders nicht ausgewiesene Zwecke (Ablagerungsstätten und dergleichen) bestimmt sind.
(2) Ödland und alle sonstigen nicht als Bauland oder Verkehrsflächen bestimmte Flächen gehören zu den Grünflächen.
(3) Alle Flächen des Grünlandes, die nicht für die Landwirtschaft bestimmt sind, sind im Flächenwidmungsplan gesondert auszuweisen.
Wirkung des Flächenwidmungsplanes
§ 20. (1) Der genehmigte Flächenwidmungsplan hat neben der Wirkung auf den Bebauungsplan (Teilbebauungsplan) auch die Folge, daß Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nach der Bgld. Bauordnung sowie Bewilligungen von sonstigen sich auf das Gemeindegebiet auswirkenden Maßnahmen auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften nur zulässig sind, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen.
(2) ...
(3) ...
(4) Baumaßnahmen in Verkehrsflächen und Grünflächen, welche für die der Flächenwidmung entsprechende Nutzung notwendig sind, fallen nicht unter die Beschränkungen der Absätze 1 und 2. Dies gilt auch ...
(5) Die Notwendigkeit im Sinne des Abs. 4 ist dann anzunehmen, wenn nachgewiesen ist, daß
a) die Baumaßnahme in einem sachlichen oder funktionellen Zusammenhang mit der widmungsgemäßen Nutzung steht,
b) kein anderer Standort eine bessere Eignung im Hinblick auf die widmungsgemäße Nutzung bietet,
c) die Baumaßnahme auf die für die widmungsgemäße Nutzung erforderliche Größe, Gestaltung und Ausstattung eingeschränkt bleibt und
d) raumordnungsrelevante Gründe (z.B. Landschaftsbild, Zersiedelung, etc.) nicht entgegenstehen."
Die belangte Behörde berief sich (ohne exakte Zitierung, aber durch die Wiedergabe von Textpassagen erkennbar) offensichtlich auf das Gutachten des Sachverständigen für Landwirtschaft Dipl. Ing. A.M. vom 22. Februar 1993. Danach stellt die Produktion von Mastschweinen und Mastrindern eine Stufe der Veredelung von landwirtschaftlichen Ernteprodukten des Gesamtbetriebes dar, welche geeignet ist, eine betriebswirtschaftlich höhere Rentabilität des Betriebes zu sichern. Da der Zweck der Baumaßnahme nicht nur die Veredelung der Ernteprodukte der gegenständlichen Grundstücke zum Ziel hat, sondern untergeordnet dem Gesamtbetrieb dienen soll, wird auch ein funktioneller Zusammenhang mit der widmungsgemäßen Nutzung gesehen.
Der Gutachter ging davon aus, daß die Bauwerber Vollerwerbslandwirte seien, die 20,70 ha landwirtschaftliche Fläche bewirtschafteten. Zum Zeitpunkt der Befundaufnahme waren 42 Rinder in 8 verschiedenen, adaptierten Räumlichkeiten untergebracht, weiters 15 Mastschweine. Der Sachverständige beurteilte das gegenständliche Grundstück hinsichtlich der Erschließung als günstig, weshalb das Projekt aus betriebswirtschaftlicher Sicht als positiv beurteilt wurde.
Hinsichtlich des Flächenbedarfes führte der Sachverständige Flächenbedarfszahlen in den "ÖKL-Baumerkblättern" für Schweineställe, Rindermastanlagen und Kälberaufstellungen an, ohne daß jedoch ein Zusammenhang mit der projektierten Größe des Stallgebäudes hergestellt wurde. Auch die Frage des Alternativstandortes fand, abgesehen von einer Wiedergabe des Standpunktes der Bauwerber, im Gutachten keine Berücksichtigung.
Die Beschwerdeführer haben schon in ihrer Stellungnahme vom 18. August 1993 ausgeführt, daß sich aus dem Sachverständigengutachten nicht entnehmen lasse, ob die geplanten Baumaßnahmen für eine der Flächenwidmung entsprechende Nutzung notwendig sind, und haben Alternativflächen aufgezeigt.
Aufgrund der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Beweisergebnisse sind die Voraussetzungen der lit. a des § 20 Abs. 5 RaumplG wohl zu bejahen; allerdings liegen, wie die Beschwerdeführer richtig aufzeigen, hinsichtlich der lit. b und lit. c des § 20 Abs. 5 RaumplG keine Beweisergebnisse vor. Allein der Hinweis der Bauwerber darauf, daß ein anderes Grundstück in der Nähe des Friedhofs situiert sei, erlaubt noch keine Beurteilung, ob der gewählte Standort eine bessere Eignung im Hinblick auf die widmungsgemäße Nutzung bietet. Gerade für das Stallgebäude läßt sich nicht entnehmen, ob die Baumaßnahme auf die für die widmungsgemäße Nutzung erforderliche Größe, Gestaltung und Ausstattung eingeschränkt bleibt.
Die belangte Behörde hat zwar, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, zunächst die Absicht gehabt, das landwirtschaftliche Gutachten entsprechend ergänzen zu lassen, dann aber nach Rücksprache mit dem Gutachter davon Abstand genommen. Das Gutachten vom 22. Februar 1993 reicht aber nicht aus, um im Sinne des - auch den Verwaltungsgerichtshof bindenden -aufhebenden Vorstellungsbescheides vom 30. Mai 1990 zur Beurteilung der Notwendigkeit der Baumaßnahme im Sinne des § 20 Abs. 5 RaumplG ausreichende Feststellungen treffen zu können. Damit, daß die belangte Behörde allein schon aufgrund der für die Erschließung günstigen Voraussetzungen die Notwendigkeit für eine landwirtschaftliche Nutzung der gegenständlichen Grundstücke bejahte, verkannte sie, daß sich das Gesetz mit diesen Voraussetzungen nicht begnügt.
Im fortgesetzten Verfahren wird aufgrund eines vorzulegenden Betriebskonzeptes zu beurteilen sein, ob ein Gebäude für 200 Schweine und 42 Rinder sowie eine nicht exakt entnehmbare Zahl von Kälbern für eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Nutzung erforderlich ist, und, bejahendenfalls, ob für diese Tierhaltung Baumaßnahmen in der geplanten Größe, Gestaltung und Ausstattung geboten erscheinen (vgl. das Erkenntnis vom 29. April 1997, Zl. 96/05/0125).
Während die Immissionsfrage im Hinblick auf die subjektiv-öffentlichen Rechte dieser Beschwerdeführer schon im Vorerkenntnis geklärt wurde, erweist sich die Beschwerde im Hinblick auf die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 5 lit. b und c RaumplG als berechtigt, weshalb der angefochtene Bescheid gem. § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Dezember 1998
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