VwGH 98/04/0137

VwGH98/04/013711.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Klaus Urban, über die Beschwerde des MO und der HO, beide in V, beide vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. Juni 1998, Zl. IIa-60.044/34-95, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: WS in V, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §74 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §74 Abs3;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 14. August 1995 wurden der mitbeteiligten Partei gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 i.V.m.

§ 93 Abs. 2 des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes für ihre Gastgewerbebetriebsanlage folgende zusätzliche bzw. geänderte Auflagen vorgeschrieben:

"1. Der Lüftungsanlagenteil, der sich acht Meter nördlich des Meßpunktes A befindet - Wohnhaus des Beschwerdeführers - ist, wenn er aufgrund des geplanten Neubaues überhaupt bestehen bleibt, mit einem zusätzlichen Kulissenschalldämpfer mit einem Mindestschalldämmaß von Rn = 15 dB auszustatten, sodaß am Meßpunkt A bei höchster Leistungsstufe der Immissionspegel maximal 39 dB beträgt.

Der Zugangsbereich zum 'X' ist als Schallschutzschleuse von den zwei Bögen bis zur Lokaleingangstüre auszuführen. Dabei müssen die bereits vorhandenen Lokaleingangstüre und die neu zu errichtende Türe im Bogen in der Gebäudefront mit Selbstschließeinrichtungen ausgestattet werden und beide Türen dürfen keine Feststelleinrichtungen aufweisen. Sollte der zweite Bogen verglast werden, so ist dieser mit 'Dreifachschallschutzverglasung' zu verschließen. Beide Türen dieser Schallschutzschleuse müssen so einjustiert werden, daß das Schließen ohne lauten Knall erfolgt.

In der Hotel- bzw. Kaminhalle sind die Fenster ab 22 Uhr geschlossen zu halten bzw. ab 23 Uhr während der Sommerzeit (15.6. bis 15.9. j.J.).

Das Hantieren im Müllraum (Sortieren von Leergebinden, Ausleeren von Müllbehältern udgl.) ist nur während der Zeit zwischen 8 Uhr früh und 22 Uhr abends gestattet."

Über die von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied der Landeshauptmann von Tirol mit dem Bescheid vom 15. Juni 1998 wie folgt:

"I. Die Auflagen Spruchpunkt 1. (Lüftungsanlage), 2.

(Zugangsbereich 'X') und 4. (Müllraum) werden behoben.

Hinsichtlich der bestehenden Y-Bar wird nachstehende zusätzliche

Auflage vorgeschrieben:

'Der Schallpegel der Musikanlage der Y-Bar ist durch

elektronische Pegelbegrenzung derart zu justieren, daß am Verabreichungsplatz nächst dem dem Nachbarn zugewandten Eingang in 1,70 m Höhe ein Spitzenpegel von 87 dB nicht überschritten wird. Die gegenständliche Auflage ersetzt die Auflage Punkt III.1. im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 12.10.1988, Zl. 3185/1h-88.'

Aus Anlaß der Berufung wird der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 14.8.1995, Zl. 3185/4v-95, gemäß § 62 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wie folgt berichtigt:

  1. 1. Die Bescheidzahl hat richtig 3195/4v-95 zu lauten.
  2. 2. Auf Seite 2 heißt die Überschrift anstelle von Bescheid

    'Spruch'.

Der Antrag der HO und des MO, vertreten durch RA Dr. T, auf Einholung eines weiteren Gutachtens zur Frage der Beurteilung der Lärmimmissionen zur Nachtzeit, wird als unbegründet abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen."

Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere des Inhaltes der eingeholten Sachverständigengutachten aus, aufgrund der von den Sachverständigen im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren getroffenen Feststellungen gehe die Berufungsbehörde davon aus, als Hauptverursacher für das Entstehen von Lärmstörungen bei den Beschwerdeführern seien das Zu- und Weggehen der Gäste zum Lokal "X", der Müllraum, die Y-Bar und Live-Musik-Veranstaltungen aus dem Lokal "X" anzusehen. Das Zu- und Weggehen der Gäste zum Lokal "X" sei sowohl vom lärmtechnischen als auch vom medizinischen Amtssachverständigen als erhebliche Beeinträchtigung für die Nachbarn erkannt worden. Von beiden Amtssachverständigen seien dabei jedoch nur jene Emissionen beurteilt worden, welche sich im unmittelbaren Eingangsbereich, sohin im Bereich der beiden Bögen bis zu der Lokaleingangstüre ergäben. Der außerhalb des Lokales verursachte Lärm sei entsprechend dem von der Erstbehörde vorgegebenen Beweisthema von der Beurteilung ausgeklammert worden. Die im Zugangsbereich zum Nachtlokal "X" entstehenden Lärmemissionen seien vom medizinischen Amtssachverständigen nachvollziehbar als unzumutbar und in den Nachtstunden als gesundheitsgefährdend beurteilt worden. Dies sei auch von der mitbeteiligten Partei nicht bestritten worden. Noch im Zuge des Berufungsverfahrens sei daher von dieser der Einbau einer Schallschutzschleuse entsprechend der Forderung des lärmtechnischen Amtssachverständigen vorgenommen worden. Nach den Feststellungen des lärmtechnischen Amtssachverständigen sei diese Sanierung in bestmöglicher Weise durchgeführt worden, weshalb damit auch die von ihm vorgeschlagene und von der Erstbehörde vorgeschriebene Auflage hinsichtlich des Eingangsbereiches als erfüllt anzusehen sei. Die Berufungsbehörde gehe daher davon aus, daß unzumutbare oder gesundheitsgefährdende Emissionen aus dem Eingangsbereich des Nachtlokales "X" für die Beschwerdeführer nicht mehr gegeben seien. Was die außerhalb des Gastgewerbebetriebes gegebenen Emissionen betreffe, so könne schon aufgrund der Situierung des Lokaleinganges sowie des Weges, welcher zu diesem Lokaleingang führe, eine Belästigung nicht ausgeschlossen werden, doch sei diese aus noch darzustellenden rechtlichen Gründen im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen. Durch das Hantieren im Müllraum entstünden Lärmspitzen über 70 dB, welche von der medizinischen Amtssachverständigen aufgrund der dadurch verursachten Weckreaktionen in den Nachtstunden als gesundheitsgefährdend beurteilt worden seien. Von der Erstbehörde sei daher auch eine zeitliche Befristung der Manipulationen im Müllraum vorgeschrieben worden. Vom lärmtechnischen Amtssachverständigen sei in der Folge ausgeführt worden, daß eine zeitliche Befristung dann unterbleiben könne, wenn die Zugangstüre mit einem größeren mittleren Schalldämmaß ausgeführt werde. Dieser Forderung des lärmtechnischen Amtssachverständigen sei bereits entsprochen und zwischenzeitlich eine zweiflügelige, schallgedämmte Türe mit Gummifalzen eingebaut worden. Vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen sei dazu glaubwürdig ausgeführt worden, daß aufgrund dieser Maßnahmen eine Belästigung durch Manipulationen im Müllraum bei den Beschwerdeführern nunmehr ausgeschlossen werden könne. Der Betrieb der Schirmbar sei nach dem Inhalt des diesbezüglichen Genehmigungsbescheides auf täglich von 15 bis 18 Uhr beschränkt. Laut Aussage der mitbeteiligten Partei werde sie im Winter nachmittags im Zeitraum von 15 bis 17.30 Uhr betrieben. Im erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Verfahren seien sehr unterschiedliche Ausführungen der Sachverständigen zur Frage des zu erwartenden Immissionspegels bei den Beschwerdeführern sowie hinsichtlich einer hieraus resultierenden unzumutbaren Lärmbelästigung bzw. Gesundheitsgefährdung getroffen worden. Diese Unterschiede in der Beurteilung resultierten daraus, daß der Immissionspunkt unterschiedlich festgelegt worden sei und die Beweisthemenvorgabe hinsichtlich des Abstellens auf geöffnete, gekippte oder geschlossene Fenster nicht einheitlich erfolgt sei. Die mitbeteiligte Partei habe gestützt auf fachliche Beurteilungen namentlich genannter Herren dargetan, daß eine Lärmbeurteilung unter der Prämisse des Geöffnethaltens der Fenster unrealistisch und unstatthaft sei. Nachvollziehbar sei ausgeführt worden, daß ein Geöffnethalten der Fenster über einen Zeitraum von 2 1/2 Stunden im Winter aus bautechnischen und bauhygienischen Gründen abzulehnen sei und den gegebenen Wohnbedürfnissen widerspreche. Die Berufungsbehörde schließe sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an. Nach Ansicht der Berufungsbehörde sei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit bzw. Gesundheitsgefährdung einer Immissionsquelle für einen konkreten Nachbarn immer auf realistische und den Tatsachen entsprechende Bedingungen abzustellen. Während im Sommer es durchaus üblich sei, die Fenster während der Tages- oder der Nachtzeit über einen längeren Zeitraum geöffnet zu halten, sei ein Offenhalten des Fensters über Stunden im Winter unüblich. Demgegenüber stehe jedoch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein bestimmtes, dem Schutz vor Immissionen dienendes Verhalten des Nachbarn gesetzlich nicht normiert werde, weshalb es dem Nachbarn unbenommen bleibe, seine Fenster zu öffnen oder zu schließen. Im gegenständlichen Fall sei die Berufungsbehörde nunmehr zu der Überzeugung gekommen, daß primär auf die realistischen und den Tatsachen entsprechenden Bedingungen abzustellen sei. Gegenständliche Y-Bar sei in einem Wintersportort situiert, in welchem aufgrund der geographischen Verhältnisse auch tagsüber während der Winterzeit strenge Temperaturen herrschten. Das verfahrensgegenständliche Wohnzimmer der Beschwerdeführer sei so situiert (nach Westen), daß während des Nachmittags nicht mit einer überwiegenden Sonneneinstrahlung und damit einer Erwärmung bei Offenhalten des Fensters zu rechnen sei. Die Berufungsbehörde gehe daher davon aus, daß in der täglichen Situation das Fenster zur Y-Bar hin geschlossen bleiben bzw. von den Beschwerdeführern nur zum Zwecke des Lüftens geöffnet werde. Ein Offenhalten des Fensters während des gesamten Betriebes der Y-Bar (somit über 2 1/2 Stunden) sei jedoch absolut unrealistisch. Es könnten daher jene Aussagen der Sachverständigen, welche auf ein geschlossenes Fenster abzielten, gegenständlicher Entscheidung zugrundegelegt werden. "Der Berufungswerber" habe selbst erklärt, bei einem Spitzenpegel von 87 dB (Emissionen bei der Y-Bar) nicht unzumutbar belästigt zu sein bzw. dann zufrieden zu sein, wenn er bei geschlossenem Fenster im Wohnraum keine Musik höre. Dies sei bei einem Spitzenpegel von 87 dB, wie nunmehr in der Auflage formuliert, laut Angaben der Amtssachverständigen gewährleistet. Der lärmtechnische Amtssachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, daß ohne schalldämmende Maßnahmen die Emissionen, verursacht durch die Live-Musik sowie durch die im Lokal befindlichen Gäste, bei den Beschwerdeführern über der Zumutbarkeitsgrenze lägen. Dies sei auch von der mitbeteiligten Partei nicht bestritten worden. Wie der lärmtechnische Amtssachverständige jedoch auch festgestellt habe, sei aufgrund der vorgenommenen schalltechnischen Verbesserungen, insbesondere der Errichtung der Schallschutzschleuse im Zugangsbereich zum Nachtlokal "X" davon auszugehen, daß die Emissionen aus der Kellerbar bzw. der Beurteilungspegel schon rechnerisch nicht mehr über der Zumutbarkeitsgrenze liege. Von der medizinischen Amtssachverständigen sei auf diese Feststellung des lärmtechnischen Amtssachverständigen verwiesen worden. Gleichzeitig habe die medizinische Amtssachverständige auch festgestellt, daß die nächtliche Situation mit möglichen und wahrscheinlichen Lärmverursachungen auf dem öffentlichen Parkplatz vor der Betriebsanlage durch zugehende und von der Betriebsanlage weggehende Gäste bzw. durch Benützung von naheliegenden Parkplätzen aus lärmmedizinischer Sicht gesehen auch durch den Einbau einer sogenannten Schallschutzschleuse für das X nicht wesentlich verändert werde. Zur verfahrensgegenständlichen Lüftungsanlage und dem Lärm aus der Hotel-/Kaminhalle durch Live-Musik sei festzuhalten, daß auch diesbezüglich unzumutbare Lärmbelästigungen der Berufungswerber nicht mehr gegeben seien. Die Lüftungsanlage sei zwischenzeitlich entfernt worden. Die Live-Musik-Veranstaltungen fänden derart sporadisch statt, daß eine Lärmmessung diesbezüglich nicht habe vorgenommen werden können. Sonstige aus der Hotel- und Kaminhalle dringende Emissionen seien anläßlich der vom lärmtechnischen Amtssachverständigen vorgenommenen Lärmmessungen nicht wahrnehmbar geworden. In rechtlicher Hinsicht führte der Landeshauptmann dazu aus, in der Berufung werde unter anderem vorgebracht, die Behörde hätte bei Beurteilung der von der Betriebsanlage ausgehenden Lärmemissionen eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen gehabt, in welche nicht nur der Lärm aus der Betriebsanlage, sondern auch der durch die Betriebsanlage verursachte Lärm einbezogen gehört hätte. Dazu sei festzuhalten, daß auch eine Gesamtbeurteilung der Anlage immer nur eine Beurteilung einzelner Anlagenteile und Lärmquellen sein könne. Dabei werde es für die Gewerbebehörde sinnvollerweise darum gehen, zunächst immer jene Anlagenteile zu beurteilen, welche als Hauptemitenten angesehen werden müßten. Da eine Verbesserung auch der Gesamtsituation nur durch eine Analyse und Beurteilung der einzelnen Lärmquellen erreicht werden könne, sei von der Erstbehörde Anlagenteil für Anlagenteil überprüft und Maßnahmen vorgeschrieben worden, welche eine durch diese Lärmquellen verursachte Belästigung verhindern sollten. Die von den Beschwerdeführern gewünschte Gesamtbeurteilung eines derart großen Hotelkomplexes werde damit auch erst dann als zielführend anzusehen sein, wenn nach Sanierung der Hauptemitenten immer noch unzumutbare Belästigungen gegeben seien. Dies sei jedoch aufgrund des hier vorliegenden Sachverhaltes nicht schon von vornherein zu erwarten. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens erübrige sich daher. Was die Frage der Zurechnung des Gästeverhaltens außerhalb der Betriebsanlage im Bereich des Zugangsweges zum Nachtlokal "X" sowie der ermittelten und von den Nachbarn eingewendeten Zu- und Abfahrtsgeräusche von Kraftfahrzeugen sowie des Gästelärms auf den Parkplätzen betreffe, so sei auf die Bestimmung des § 74 Abs. 3 GewO 1994 verwiesen, wonach der durch Verhalten der Kunden verursachte Lärm nur insoweit der Betriebsanlage zuzurechnen sei, als es sich um ein Verhalten handle, das in der Betriebsanlage gesetzt werde. Aus den vorliegenden Projektunterlagen sowie dem erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren ergebe sich, daß als "Betriebsanlage" im Anlaßfall lediglich das Hotelgebäude als solches betrachtet werden könne. Zum einen schienen der Zugangsweg zum Hotel wie auch die im Bereich und um das Hotel befindlichen Parkplätze weder in den vorliegenden Projekten noch in den Genehmigungsbescheiden auf. Zum anderen sei davon auszugehen, daß sowohl die Parkplätze wie auch der Zugangsweg zum Nachtlokal "X" auch von Personen benützt werden könne, die nicht Gäste dieses Nachtlokals seien. So seien etwa die Parkplätze als Kundenparkplätze für die örtliche B-Bank gekennzeichnet. Der Zugangsweg zur Nachtbar "X" weise keinerlei (öffentliche) Nutzungsbeschränkung auf und könne ebenso von jedermann benutzt und begangen werden. Sowohl die Parkplätze wie auch der gegenständliche Zufahrtsweg seien damit als Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne der StVO zu qualifizieren, welche von jedermann genutzt und begangen werden können. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei jedoch zwischen gewerblichen Betriebsanlagen gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO grundsätzlich zu unterscheiden. Die in der Betriebsanlage dargebotene Live-Musik sei (aus näher dargestellten Gründen) der Betriebsanlage jedenfalls zuzurechnen. Doch sei diesbezüglich von einer genehmigungspflichtigen Änderung der Betriebsanlage respektive der Betriebsweise des Hotels im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 auszugehen. Von der Erstbehörde seien die gegenständlichen Veranstaltungen der Betriebsanlage bis dato nicht zugerechnet worden. Demgemäß liege auch eine gewerberechtliche Genehmigung derselben bislang nicht vor. Die Vorschreibung von zusätzlichen Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 setze eine entsprechende gewerberechtliche Genehmigung voraus. Das gleiche gelte für den verfahrensgegenständlichen Müllraum an der Ostgrenze des Hotels, weil für diesen keine gewerberechtliche Genehmigung aufscheine. Die vorliegenden Projektunterlagen wiesen im dortigen Bereich lediglich eine Garage aus. Wegen der durch den Müllagerraum gegebenen möglichen Belästigungen sei dieser als genehmigungspflichtig anzusehen. Das gelte auch für die von der mitbeteiligten Partei über Veranlassung der Erstbehörde bereits vorgenommenen baulichen Änderungen des Eingangsbereiches sowie des Austausches des Garagentores des Müllraumes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringen sie im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die Beweisergebnisse, die sie dem Bescheid zugrundegelegt habe, gesetzwidrig beigeschafft, weil sie sogar Äußerungen von Sachverständigen lediglich in Gesprächsnotizen und Aktenvermerken festgehalten habe. Es könne von den Parteien nicht überprüft werden, ob diese Aktenvermerke, die ein Telefonat wiedergeben sollten, tatsächlich das geführte Gespräch wahrheitsgemäß wiedergäben, sohin die Aussagen des Sachverständigen auch wirklich dokumentiert worden seien. Es könne auch nicht angehen, daß die in erster Instanz tätigen Beamten und Gutachter ihre Gutachten in zweiter Instanz ergänzten, zumal es in der Natur der Sache liege, daß erstinstanzliche Behörden und ihre im Verfahren tätigen Gutachter den erstinstanzlichen Bescheid halten wollten. Im angefochtenen Bescheid werde behauptet, der Erstbeschwerdeführer habe erklärt, unter der Voraussetzung, daß er im Wohnraum nichts mehr höre, keine Einwände zu erheben. Dieser Voraussetzung sei ein Spitzenpegel von 87 dB unterstellt worden. Aus sämtlichen Gutachten ergebe sich aber, daß bei diesem Spitzenpegel der Lärm im Wohnraum durchaus hörbar sei. Es könne auch nicht angehen, daß im Verwaltungsverfahren per Aktenvermerk Anerkenntnisse konstruiert würden, wobei der Erstbeschwerdeführer, wenn überhaupt, wohl nur für sich ein Anerkenntnis abgeben könnte, keineswegs jedoch für die Zweitbeschwerdeführerin und auch die übrigen Mitbewohner des Hauses. Die Berufungsbehörde folge dem lärmtechnischen Sachverständigen und begrenze mit dem angefochtenen Bescheid die Lärmimmissionen der Y-Bar auf 87 dB. Diese Begrenzung stehe im Widerspruch zum Gutachten. Sie sei nach dem Gutachten gesundheitsgefährdend. Es werde auch nicht berücksichtigt, wie sich die neben der Schirmbar aus anderen Objekten ("X", Hotelhalle, Müllraum, Gästeunterhaltung, Parkplatz etc.) entstehenden Geräusche summierten und welcher Gesamtschallpegel zu erwarten sei. Mit der Annahme der belangten Behörde, zur Winterszeit sei es nicht notwendig zu lüften, werde übersehen, daß Geruchsbelästigungen zu jeder Tages- und Nachtzeit auftreten und ein Lüften erforderlich machen könnten. Überdies gebe es bekanntlich zahlreiche Menschen, die auch im Winter bei offenem Fenster schliefen. Derartige Eingriffe von seiten der Behörde in die Intimsphäre von Nachbarn seien unzulässig und stünden auch mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang. Es sei nicht Aufgabe der belangten Behörde festzulegen, wann Hausbewohner und Nachbarn ihre Fenster öffnen und wann nicht. Es sei keineswegs unüblich, daß im Winter die Fenster offen gehalten würden. Völlig verfehlt sei die Behauptung, im Winter blieben die Fenster im Hinblick auf die strengen Temperaturen geschlossen. Sollten tatsächlich derartig strenge Temperaturen herrschen, wäre es wohl auch nicht möglich, eine Bar zu betreiben, die ja bekanntlich ohne Begrenzung lediglich unter einem sonnenschirmähnlichen Dach betrieben werde. Auch die Behauptung, das Wohnzimmer des Beschwerdeführers sei nach Westen situiert, weshalb während des Nachmittags mit keiner Sonneneinstrahlung zu rechnen sei, sei schlichtweg falsch. Bekanntlich gehe die Sonne im Westen unter und scheine sohin nachmittags durch das Fenster im Westen. Die belangte Behörde bleibe eine Begründung dafür schuldig, warum sie aus der Vielzahl der eingeholten Gutachten gerade einem bestimmten folge, einem anderen aber nicht. Bei der Frage der Gesamtbeurteilung übersehe die belangte Behörde, daß es zwar zutreffe, daß auch eine Gesamtbeurteilung die Summe aller Lärmquellen darstelle, doch seien die Störelemente bei einem aus allen Lokalen dringenden Lärm erheblich störender als einzelne Lärmquellen. Was den Lärm, der von den Zugangswegen und Parkplätzen komme, anbelange, so wäre hier wohl in erster Linie zu erheben gewesen, ob diese Parkplätze im Bauakt dem Betriebsobjekt zugeordnet worden seien oder nicht. Es könne nicht angehen, daß Parkplätze, die während der Öffnungszeiten der Bank dieser zur Verfügung stünden, nicht zur Betriebsanlage gezählt würden, obwohl sie Nacht für Nacht von den Gästen der Bar oder anderer Lokale benützt würden. Die Qualifikation nach der StVO spiele hier keine Rolle. Es könne nur darum gehen, wie die Parkplätze tatsächlich genützt würden, welche Lärmquellen von diesen Parkplätzen ausgingen, wobei dieser Lärm zweifelsfrei durch die Betriebsanlage verursacht werde, da eben Gäste, insbesondere bei Verlassen des Lokales, betrunken oder angeheitert lärmten, redeten, die Fahrzeuge starteten etc. Diese Lärmbelästigungen würden unmittelbar durch die Betriebsanlage verursacht und seien ihr auch zuzuzählen. Was die Ausführungen zur Live-Musik betreffe, seien diese in sich widersprüchlich. Wenn eine entsprechende gewerberechtliche Genehmigung nicht vorliege, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, diese zu untersagen. Dasselbe gelte für den Müllraum. Es sei falsch, daß der gegenständlichen Betriebsanlage nur jene Anlagenteile zuzurechnen seien, welche auch als Bestandteil der Betriebsanlage anzusehen seien. Die Betriebsanlage des gegenständlichen Hotels sei der gesamte Betrieb, lediglich die Privaträume der Betreiber seien dem Betrieb nicht zuzurechnen.

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen vorzuschreiben.

§ 79 GewO 1994 enthält die gesetzliche Ermächtigung und auch Verpflichtung der Behörde, für den Fall, daß das Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage abgeschlossen ist, mit den in diesem Verfahren vorgeschriebenen Auflagen aber nicht das Auslangen gefunden werden kann, andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, um die in § 74 umschriebenen Interessen hinreichend zu schützen. Wie sich aus der Bezugnahme auf § 74 Abs. 2 GewO 1994 ergibt, unterliegt die Beurteilung im Verfahren nach § 79 leg. cit. in dieser Hinsicht keinen anderen Voraussetzungen als im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage. Das Verfahren nach § 79 leg. cit. setzt eine genehmigte Betriebsanlage voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 90/04/0271) und hat sich auch nur auf jene Gefährdungen der Interessen des § 74 Abs. 2 leg. cit. zu beziehen, die vom konsensgemäßen Betrieb dieser Anlage ausgehen. Es bildet daher keine rechtswidrige Anwendung des Gesetzes, wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Vorschreibung von Auflagen zur Vermeidung von Lärmimmissionen unterließ, die von Teilen der Anlage bzw. durch eine Betriebsweise der Anlage verursacht werden, die vom bestehenden gewerblichen Konsens nicht umfaßt sind.

Als frei von Rechtsirrtum erweist sich auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, im vorliegenden Fall hätten die vom öffentlichen Parkplatz und von den Zugangswegen zur gegenständlichen Betriebsanlage ausgehenden, durch Kunden dieser Betriebsanlage verursachten Lärmemissionen außer Betracht zu bleiben. Denn gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1994 ist (anders als nach der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988) das Verhalten von Kunden und von anderen betriebsfremden Personen außerhalb einer gewerblichen Betriebsanlage dieser nicht mehr zuzurechnen und daher bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage und damit auch der Erforderlichkeit von anderen oder zusätzlichen Auflagen im Sinne des § 79 Abs. 1 GewO 1994 nicht mehr zu berücksichtigen. Nach den diesbezüglich auch von den Beschwerdeführern nicht bekämpften Feststellungen der belangten Behörde sind aber weder der fragliche Parkplatz noch die in Rede stehenden Zugangswege vom Genehmigungsumfang der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage umfaßt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich hingegen nicht der Rechtsansicht der belangten Behörde anzuschließen, im Rahmen des Verfahrens nach § 79 GewO 1994 sei der behördlichen Entscheidung nicht eine Beurteilung der vom Betrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Immissionen in ihrer Gesamtheit zugrundezulegen, sondern es seien vielmehr jene Anlagenteile, die als Emitenten unzulässiger Immissionen erkannt würden, einzeln herauszugreifen und einer Sanierung zu unterziehen. Wie schon oben dargelegt, sind im Verfahren nach § 79 GewO 1994 die selben Beurteilungsgrundsätze heranzuziehen, wie im Genehmigungsverfahren nach § 77 leg. cit. Zu letzterem hat der Verwaltungsgerichtshof aber bereits im seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1985, Slg. N.F. Nr. 11.888, dargelegt, daß Gegenstand der Prüfung durch die Gewerbebehörde nicht einzelne Maschinen und Geräte oder beim Betrieb lvorkommende Tätigkeiten sind, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. Die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise, die von einzelnen Anlagenteilen ausgehenden Lärmimmissionen einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen, läßt die Möglichkeit außer Acht, daß die gleichzeitig aus diesen Anlagen emitierten Lärmbelastungen in ihrer Summe für die Nachbarn belastender sein können, als die von jedem dieser Anlagenteile emitierten Lärmbelastungen für sich.

Wie bereits oben ausgeführt, ist Grundlage der behördlichen Prüfung nach § 79 GewO 1994 die gewerbliche Betriebsanlage in ihrem durch bestehende Genehmigungsbescheide umschriebenen Bestand. Die in § 79 GewO 1994 der Behörde überbürdete Verpflichtung zur Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen wird daher durch eine, sei es rechtmäßig, sei es rechtswidrig konsenslose Änderung der Betriebsanlage auch dann nicht gegenstandslos, wenn aufgrund der geänderten Ausführung der Betriebsanlage nunmehr die nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen ausreichend geschützt erscheinen, weil es dem Anlagenbetreiber frei steht, ohne entsprechende behördliche Vorschreibung seine Betriebsanlage auf den genehmigten Bestand zurückzuführen. Es war daher verfehlt, wenn die belangte Behörde meinte, einerseits wegen der Entfernung der in Rede stehenden Lüftungsanlage und andererseits wegen des bereits erfolgten Umbaues des Zugangsbereiches zum Nachtlokal "X" auf die Vorschreibung entsprechender Auflagen nach § 79 leg. cit. verzichten zu können.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner von der belangten Behörde zutreffend referierten ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, wird ein bestimmtes, dem Schutz vor Immissionen dienendes Verhalten des Nachbarn gesetzlich nicht normiert (vgl. neben dem von der belangten Behörde zitierten, auch das hg. Erkenntnis vom 10. April 1984, Zl. 83/04/0295). Der Verwaltungsgerichtshof kann insbesonders im konkreten Fall nicht finden, daß ein Öffnen des fraglichen Fensters auch durch einen längeren Zeitraum selbst zur Winterszeit geradezu denkunmöglich sei, zumal sich der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde nicht anzuschließen vermag, in einem Wintersportort sei während der Wintersaison infolge der herrschenden tiefen Temperaturen und der Ausrichtung der Fenster der Wohnung des Nachbarn nicht damit zu rechnen, daß der Nachbar ein Fenster seiner Wohnung in der Zeit zwischen 15 und 18 Uhr längere Zeit offenhalten werde. Wie die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zutreffend hervorheben, bedeutet auch die Ausrichtung eines Fensters nach Westen keineswegs, daß von dort keine Sonneneinstrahlung zu erwarten ist. Für die Nachmittagszeit ist vielmehr, sofern, was im vorliegenden Fall aber nicht festgestellt wurde, die Sonneneinstrahlung nicht durch topographische Besonderheiten verhindert wird, mit einer direkten Sonneneinstrahlung zu rechnen. Es widerspricht aber auch der menschlichen Erfahrung, wenn die belangte Behörde meint, in einem Wintersportort herrschten während der Wintersaison am Nachmittag nur tiefe Außentemperaturen. Sie übersieht dabei einerseits, daß die Wintersaison im Fremdenverkehr erfahrungsgemäß bis in das Frühjahr reicht und andererseits auch in dieser Jahreszeit gerade in der Region des Standortes der in Rede stehenden Betriebsanlage das Wetterphänomen des Föhn aufzutreten pflegt.

Da die belangte Behörde dies alles verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. November 1998

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