VwGH 98/02/0347

VwGH98/02/034726.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des RK in W, vertreten durch Dr. Stefan Bruckschwaiger, Rechtsanwalt in Wien I, Elisabethstraße 15/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Jänner 1998, Zl. UVS-03/V/42/00399/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §4;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1998 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Dezember 1997, mit welchem dieser der Übertretungen der §§ 64 Abs. 1, 36a und 7 Abs. 1 in Verbindung mit 102 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 für schuldig erkannt worden war, soweit sie die Übertretung des § 64 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 betraf, als verspätet zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes "zufolge von Verfahrensfehlern als Folge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung" geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer an einer näher genannten Adresse in Schönau an der Donau im Weg der postamtlichen Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 27. März 1997 zugestellt.

In der Begründung des die Berufung als verspätet zurückweisenden angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, die zweiwöchige Rechtsmittelfrist habe am 10. April 1997 geendet, weshalb die ihr vorliegende mit 31. Juli 1997 datierte und an diesem Tag zur Post gegebene Berufung verspätet sei. Zu einem ihm am 23. September 1997 zugestellten Vorhalt der Verspätung der Berufung habe der Beschwerdeführer nicht Stellung genommen. Der Umstand, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Zustellbevollmächtigten am 18. Juli 1997 abermals zugestellt worden sei, könne an der Rechtsgültigkeit der ersten Zustellung nichts ändern.

Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei ihm weder das Straferkenntnis noch der Verspätungsvorbehalt zugekommen, vielmehr habe er lediglich eine Mahnung zur Zahlung der Geldstrafe erhalten. An der Adresse in Schönau, an der die Zustellung des Straferkenntnisses versucht worden sei, halte er sich nur selten auf und sei er lediglich zweitgemeldet. Seine Mutter M. K. habe im Verwaltungsverfahren ausgesagt, nicht zu wissen, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der ersten Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dort regelmäßig anwesend gewesen sei. Der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Umstand, daß der Postkasten regelmäßig entleert worden sei, beruhe darauf, daß die Mutter des Beschwerdeführers dort sporadisch vorbeikomme, um nach dem Rechten zu sehen, und hiebei den Postkasten ausräume. Die belangte Behörde habe die Mutter des Beschwerdeführers zu ungenau und ihn selbst gar nicht befragt. Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, zu überprüfen, wann, wie und durch wen die Abgabestelle besucht und der Briefkasten entleert werde. Dies umso mehr, als für diese Adresse nur eine Zweitmeldung des Beschwerdeführers vorliege und noch eine andere Person dort gemeldet sei. Die belangte Behörde wäre daher auch verpflichtet gewesen, die vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen einzuvernehmen und darauf Bedacht zu nehmen, daß der Beschwerdeführer sich aktenkundig hauptsächlich in der Slowakei aufhalte und deshalb für Zustellungen im Inland seine Schwester C. angegeben habe.

Gemäß § 4 Zustellgesetz ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort. Hiebei bleibt nach der hg. Judikatur die Auswahl der Abgabestelle wohl der Behörde überlassen. Es wird aber eine Wohnung im Sinne dieser Gesetzesstelle durch das Faktum des Bewohntwerdens begründet. Davon kann keine Rede sein, wenn nur eine bloß fallweise Benützung vorliegt. Auf die polizeiliche Meldung kommt es nicht an. Der Umstand, daß eine bestimmte Person in einer Gemeinde ein Haus besitzt, rechtfertigt noch nicht die Annahme, daß auch eine Abgabestelle im Sinne dieser Gesetzesstelle gegeben ist (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S 1209 wiedergegebene hg. Judikatur).

Im Beschwerdefall war der Behörde erster Instanz zunächst eine Abgabestelle des Beschwerdeführers in Wien VII bekannt, an der sie dem Beschwerdeführer nach mehreren erfolglosen Versuchen unter Zuhilfenahme der Bundespolizeidirektion Wien, Kriminalabteilung, einen Ladungsbescheid auch tatsächlich zustellen konnte. Bei dieser Gelegenheit erhielt die Behörde durch einen Bericht dieser Abteilung vom 1. November 1996 auch davon Kenntnis, daß der Beschwerdeführer einen Zweitwohnsitz in der Slowakei aufweise, wo er sich öfters aufhalte. Das erstinstanzliche Straferkenntnis versuchte die Behörde erster Instanz ebenfalls zunächst an der Wiener Abgabestelle des Beschwerdeführers zuzustellen. Nach mehreren infolge postamtlich gemeldeten Ortsabwesenheiten des Beschwerdeführers fehlgeschlagenen Versuchen wurde der Behörde bekannt, daß der Beschwerdeführer auch bei seiner Mutter in Schönau polizeilich gemeldet sei. In der Folge wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis an den Beschwerdeführer unter der Anschrift in Schönau adressiert; diese Sendung wurde nach deren postamtlichen Hinterlegung mit dem Vermerk "nicht behoben" der Behörde erster Instanz zurückgestellt.

Die Mutter des Beschwerdeführers gab anläßlich einer Einvernahme durch die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf an, sie könne nicht angeben, ob der Beschwerdeführer sich im März 1997 an der besagten Adresse in Schönau aufgehalten habe. Sie selbst sei nur zeitweise in Schönau aufhältig, um nach dem Rechten zu schauen. Auf Grund einer Anfrage durch die belangte Behörde teilte das Postamt Groß-Enzersdorf mit, daß der Zusteller zufolge des Umstandes, daß der Briefkasten an der Adresse in Schönau regelmäßig entleert worden sei, habe annehmen müssen, daß diese bewohnt sei. Vom Empfänger sei kein Nachsendeantrag gestellt oder eine Ortsabwesenheit bekanntgegeben worden.

Diese Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens reichen nicht aus, davon auszugehen, daß unter der Adresse in Schönau tatsächlich eine Abgabestelle des Beschwerdeführers im Sinne des § 4 Zustellgesetz vorhanden ist. Weder kann der Aussage der Mutter des Beschwerdeführers entnommen werden, daß dieser die Wohnung an dieser Adresse auch tatsächlich bewohnt und nicht etwa nur fallweise benutzt, noch ergibt sich aus der Auskunft des Postamtes Groß-Enzersdorf, daß der Beschwerdeführer dort die regelmäßige Entleerung des Briefkastens vorgenommen hätte; auf Grund der Aussage der Mutter des Beschwerdeführers ist eher davon auszugehen, daß diese die Entleerung vornimmt. Der Beschwerdeführer selbst hat die Adresse in Schönau im Verwaltungsstrafverfahren nie angegeben, vielmehr hat er sowohl in einem Schreiben an die Behörde erster Instanz vom 9. Mai 1997, in dem er anführte, nie ein Straferkenntnis zugestellt erhalten zu haben, als auch in seiner Berufung jeweils seine Anschrift in Wien VII angeführt und in der Berufung auf seine häufigen Aufenthalte in der Slowakei hingewiesen. Der von der belangten Behörde aus der jeweiligen der Post bekanntgegebenen Abwesenheit des Beschwerdeführers von seiner Wiener Adresse gezogene Schluß, er müsse sich während dieser Zeiträume in Schönau aufgehalten haben, weil nicht angenommen werden könne, er habe in Verstoß gegen das Meldegesetz an einer Adresse gewohnt, an der er nicht gemeldet gewesen sei, ist angesichts des Vermerks der Bundespolizeidirektion Wien, Kriminalabteilung, vom 1. November 1996 über den Zweitwohnsitz und die oftmaligen Aufenthalte des Beschwerdeführers in der Slowakei sowie auch des Hinweises des Beschwerdeführers selbst auf diese Umstände nicht nachvollziehbar. Wenn auch dem Beschwerdeführer an seiner Wiener Adresse ein Vorhalt der belangten Behörde über die Verspätung seiner Berufung durch Hinterlegung zugestellt wurde - ein Hinweis, daß durch diese Hinterlegung eine rechtsgültige Zustellung nicht zustande gekommen sei, ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen - und er dazu keine Stellungnahme abgegeben hat, kann daraus nicht geschlossen werden, er bewohne die Wohnung in Schönau tatsächlich, sodaß dort eine Abgabestelle des Beschwerdeführers gegeben sei.

Es ergibt sich somit, daß im Verwaltungsstrafverfahren nicht hinreichend geklärt wurde, ob an der Adresse in Schönau eine Abgabestelle des Beschwerdeführers besteht, sodaß auch nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, durch die postamtliche Hinterlegung sei eine rechtsgültige Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnis zustandegekommen. Daher erweist sich auch die auf dieser Hinterlegung aufbauende Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers als verspätet als durch das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht gedeckt.

Da sohin der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist und nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der dargelegten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Da somit bereits eine Entscheidung über die Beschwerde vorliegt, erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 26. Jänner 1999

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