VwGH 98/02/0331

VwGH98/02/033123.10.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des H H in Wien, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. April 1998, Zl. UVS-03/V/42/00513/97-K, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §44a Z1;
VStG §6;
VStG §44a Z1;
VStG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 23. Oktober 1997 wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß zur Last gelegt, am 10. Juli 1997 um

15.35 Uhr (Unterstreichung durch den Verwaltungsgerichtshof) an einem näher umschriebenen Ort in Wien als Lenker eines näher bezeichneten Motorfahrrades 1. nicht ausschließlich die Fahrbahn benützt zu haben, da er den Gehsteig befahren habe, 2. nicht so weit rechts gefahren zu sein, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung und Belästigung anderer Straßenbenützer ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre, indem er in Schlangenlinie gefahren sei, 3. an einem näher umschriebenen Ort in Wien zum linken Fahrbahnrand zugefahren zu sein und sich beim Wechsel des Fahrstreifens nicht davon überzeugt zu haben, ob dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich gewesen sei, 4. diesen Fahrstreifenwechsel nicht so rechtzeitig angezeigt zu haben, daß sich andere Straßenbenützer auf den Vorrang hätten einstellen können und 5. am 10. Juli 1997 um 14.45 Uhr (Unterstreichung durch den Verwaltungsgerichtshof) an einem näher umschriebenen Ort in Wien (ident mit dem im Spruchpunkt 3) im Rettungswagen sich geweigert zu haben, den Alkoholgehalt der Atemluft von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt messen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Mit weiteren Spruchpunkten des erstinstanzlichen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt "zur o.a. Tatzeit am o.a. Tatort" das erwähnte Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, obwohl dieses nicht zum Verkehr zugelassen, nicht haftpflichtversichert und am Fahrzeug keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht gewesen sei. Dem Beschwerdeführer wurde im Hinblick auf den Spruchpunkt 5 ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 StVO vorgeworfen und über ihn in Ansehung dieses Spruchpunktes eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid erkannte die belangte Behörde (in Senatsbesetzung) allein über das gemäß dem erwähnten Spruchpunkt 5 dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Delikt; die belangte Behörde gab gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, er habe am 10. Juli 1997 um 14.45 Uhr die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO gar nicht begehen können, da zu diesem Zeitpunkt das ihm vorgeworfene Geschehen noch gar nicht stattgefunden habe. Die Tat sei nicht in rechtmäßiger "Weise" individualisiert worden.

Der Beschwerdeführer führt hiezu selbst in seiner Beschwerde wie folgt aus:

"Aus der Begründung des Straferkenntnisses vom 23.10.1997 als auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich eindeutig, daß sich die mir vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen und somit auch die Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO aus einem einheitlichen Sachverhalt, nämlich der Inbetriebnahme eines Kindermopeds am 10.7.1997 um 15.35 Uhr ergeben haben. Ich kann daher am 10.7.1997 um 14.45 Uhr die Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO gar nicht begangen haben, ..."

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053 = Slg. Nr. 11.894/A), wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch weiters geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob diese im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z. 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen läßt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein.

Wie der Beschwerdeführer selbst zutreffend darlegt, liegt den Bescheiden des Verwaltungsverfahrens jeweils ein einheitliches Geschehen in einer bestimmten zeitlichen Abfolge zugrunde. Davon ist auch die belangte Behörde im bekämpften Bescheid ausgegangen. Danach ist aber die Angabe der Tatzeit hinsichtlich der Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO mit 14.45 Uhr ein offensichtlicher Schreibfehler. Schon deshalb erscheint die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Gefahr einer Doppelbestrafung nicht gegeben. Aufgrund der Umstände des Beschwerdefalles vermag der Verwaltungsgerichtshof auch keine - weiteren - Rechtsschutzüberlegungen zu erkennen, die - im dargelegten Sinne - dazu führen müßten, einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 44a VStG aufzugreifen.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß es sich aus dem Akt nicht ergebe, ob es sich beim Meldungsleger tatsächlich um ein für die Vornahme einer Atemluftprobe geschultes und von einer Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht handle.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß es sich beim Meldungsleger nicht um ein für die Vornahme einer Atemluftprobe geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ gehandelt habe; der Beschwerdeführer geht daher - ohne entsprechende Tatsachenbehauptung - von einem (bloßen) Erkundungsbeweis aus. Darüber hinaus hat bereits die Behörde erster Instanz in ihren Spruch aufgenommen, daß es sich beim Meldungsleger um ein entsprechend geschultes, von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht gehandelt habe. Der Beschwerdeführer wäre daher im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht gehalten gewesen, gegenteilige Tatsachenbehauptungen im Verfahren vor der belangten Behörde vorzubringen und entsprechende Beweisanträge dort zu stellen. Da er dies nicht getan hat, kann er dies vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr nachholen.

Mit seinen weiteren Beschwerdeausführungen macht der Beschwerdeführer - zusammengefaßt - geltend, die unfallsbedingt erlittenen Schmerzen hätten ihn dazu bewogen, einen Alkotest abzulehnen. Der Alkomat habe sich in einem "entfernten Wachzimmer" befunden, so daß er - im Hinblick auf die notwendige ärztliche Versorgung - sich in einer Notstandssituation befunden habe.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Zum Wesen des Notstandes gehört es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 789 unter 4. wiedergegebenen Nachweise), daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist.

Der von der belangten Behörde als Zeuge vernommene Meldungsleger hat in der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen - vom Beschwerdeführer unbestrittenen - Aussage angegeben, daß die Alkomatuntersuchung im naheliegenden Wachzimmer, das etwa 200 bis 300 m entfernt sei, durchgeführt worden wäre; der Beschwerdeführer wäre im Rettungswagen hingebracht worden, wenn er dies gewünscht hätte. Der Beschwerdeführer habe aber den Alkomattest mit der Begründung abgelehnt, daß er zuvor behandelt werden wolle.

Berücksichtigt man weiters, daß der Beschwerdeführer nach seiner Verletzung und dem Eintreffend des Krankenwagens nach seinen eigenen Angaben ein Telefongespräch führte und sich mit mehreren Menschen unterhielt, nach den Angaben seiner (damaligen) Lebensgefährtin nach einer dreiviertel Stunde aus dem Krankenhaus wieder entlassen wurde und der im Krankenwagen mitfahrende Sanitäter eine Schmerzbehandlung nicht für notwendig erachtete, erscheint es nicht unzumutbar, daß der Beschwerdeführer allenfalls im Krankenwagen den Weg zum Wachzimmer und dem dort vorhandenen Alkomaten zurückgelegt und sich dort einem Alkoholtest unterzogen hätte. Darüber hinaus ist aber dem gesamten Beschwerdevorbringen und den darin enthaltenen Ausführungen zu § 6 VStG nicht zu entnehmen, daß für den Beschwerdeführer etwa - abgesehen von der Frage nach der Ursache der vorhandenen Schmerzen - eine aktuelle Gefahr für die körperliche Unversehrtheit bestanden hätte, die es ihm unmöglich gemacht hätte, den Alkomattest durchzuführen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 1998

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