Normen
AVG §71 Abs6;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
AVG §71 Abs6;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
Spruch:
1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß vom 20. November 1996 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer gemäß § 61 VwGG die Verfahrenshilfe zur Erhebung der Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Niederösterreich bestellte daraufhin mit Bescheid vom 6. Dezember 1996 (dem Verfahrenshelfer zugestellt am 30. Dezember 1996) Dr. J, Rechtsanwalt in S, zum Verfahrenshelfer. Dieser erhob sodann am 10. Februar 1997 Beschwerde vor dem VERFASSUNGSGERICHTSHOF, wobei er sich auf seine Bestellung zum Verfahrenshelfer berief. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluß vom 12. März 1997, B 4227/96-6 (laut Beschwerdevorbringen am 3. April 1997 zugestellt), mit der Begründung ab, es bestehe keine Rechtsvorschrift, welche die gemäß § 61 VwGG in Verbindung mit § 464 Abs. 3 ZPO eintretende Wirkung der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes auf den Fristenlauf im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über dieses Verfahren hinaus auf ein anderes Verfahren ausdehne, insbesondere nicht in der anscheinend angenommenen Weise auf ein denselben Bescheid betreffendes Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Verfassungsgerichtshofbeschwerde erweise sich demnach wegen Versäumung der ab Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer zu berechnenden sechswöchigen Beschwerdefrist des § 82 Abs. 1 Verfassungsgerichtshofgesetz als verspätet und sei sohin zurückzuweisen. Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, sei abzuweisen, weil nach Art. 144 Abs. 3 B-VG (und § 87 Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz) eine solche Abtretung nur für den Fall vorgesehen sei, daß der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abweise oder eine Behandlung ablehne, nicht aber für den Fall ihrer Zurückweisung.
Da der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Niederösterreich dem Verfahrenshelfer am 30. Dezember 1996 zugestellt wurde, war demnach die Frist zur Einbringung der VERWALTUNGSGERICHTSHOFbeschwerde mit Ablauf des 10. Februar 1997 abgelaufen.
Der Beschwerdeführer begründet seinen am 17. April 1997 zur Post gegebenen und am 18. April 1997 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen damit, eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides des Bundesministers für Inneres und einer von seinen vormaligen ausgewiesenen Rechtsvertretern beigeschafften teilweisen Aktenabschrift durch seinen Verfahrenshelfer habe ergeben, daß der Beschwerdeführer primär in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei, weshalb die Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde unter Einbeziehung eines Abtretungsantrages an den Verwaltungsgerichtshof geboten erschienen sei.
Das Konzept einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde sei in der Folge von einem Mitarbeiter des bestellten Verfahrenshelfers verfaßt und unter Vorlage der bezughabenden Beilagen dem Verfahrenshelfer zur Überprüfung vorgelegt worden. Dieser habe den Schriftsatz einer inhaltlichen Kontrolle unterzogen und unterfertigt, woraufhin die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abgefertigt worden sei. Da die übermittelten Aktenstücke vorrangig auf die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch den angefochtenen Bescheid hingewiesen hätten, sei eine Verletzung des Art. 8 MRK evident erschienen, weshalb der Umstand, daß die Verfahrenshilfe lediglich gemäß § 61 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof gewährt worden sei, vom Rechtsvertreter irrtümlich unbeachtet geblieben sei. Erst durch die am 3. April 1997 erfolgte Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1997, B 4227/96-6, sei ihm dieser Irrtum bekannt geworden. Der dem Verfahrenshelfer unterlaufene Fehler müsse als Versehen minderen Grades eingestuft werden; dieses Versehen stelle ein für den Beschwerdeführer "unübersteigliches und unvorhersehbares" Hindernis an der Vornahme einer rechtzeitigen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde dar.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (vgl. den hg. Beschluß vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0176, mwH). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis (dazu vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A) einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war oder es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Beschluß vom 8. August 1996, Zlen. 96/14/0072, 0078). Zu beurteilen ist somit das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Jänner 1990, Zlen. 89/18/0202, 0203). Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die schon zitierten hg. Beschlüsse vom 23. Februar 1995 sowie vom 8. August 1996, mwH).
Bei Anwendung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei der Unterfertigung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, in der er sich jedenfalls auf die Bestellung zum Verfahrenshelfer zu berufen hatte, über den Inhalt des Bestellungsbeschlusses zu vergewissern. Dabei hätte es dem Rechtsanwalt auffallen müssen, daß die Verfahrenshilfe ganz unmißverständlich zur Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bewilligt und er hiefür von der Rechtsanwaltskammer als Verfahrenshelfer bestellt worden war. Da der Bestellungsbeschluß in Verbindung mit dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1996 vom Rechtsanwalt nach seinen eigenen Angaben "unbeachtet geblieben ist", unterlief ihm ein Versehen, das nicht minderen Grades ist.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
Damit erübrigt sich auch eine Entscheidung über den - an sich gemäß § 62 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 71 Abs. 6 AVG zulässigen (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Juni 1996, Zl. 95/01/0448) - Antrag, dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Bei diesem Ergebnis war die am 17. April 1997 zur Post gegebene Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, wodurch sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erübrigte.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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