Normen
ABGB §1332;
B-VG Art144 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §61;
VwRallg;
ABGB §1332;
B-VG Art144 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §61;
VwRallg;
Spruch:
1.) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG NICHT stattgegeben.
2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß vom 16. Oktober 1996 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin gemäß § 61 VwGG die Verfahrenshilfe zur Erhebung der Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich bestellte daraufhin mit Bescheid vom 4. November 1996 (dem Verfahrenshelfer zugestellt am 12. November 1996) Dr. P, Rechtsanwalt in L, zum Verfahrenshelfer. Dieser erhob sodann am 23. Dezember 1996 Beschwerde vor dem VERFASSUNGSGERICHTSHOF, wobei er sich auf seine Bestellung zum Verfahrenshelfer berief. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluß vom 25. Februar 1997, B 5034/96-3 (laut Beschwerdevorbringen am 26. März 1997 zugestellt), mit der Begründung ab, es bestehe keine Rechtsvorschrift, welche die gemäß § 61 VwGG in Verbindung mit § 464 Abs. 3 ZPO eintretende Wirkung der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes auf den Fristenlauf im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über dieses Verfahren hinaus auf ein anderes Verfahren ausdehne, insbesondere nicht in der anscheinend angenommenen Weise auf ein denselben Bescheid betreffendes Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Verfassungsgerichtshof-Beschwerde erweise sich demnach wegen Versäumung der ab Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer zu berechnenden sechswöchigen Beschwerdefrist des § 82 Abs. 1 VerfGG als verspätet und sei sohin zurückzuweisen. Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, sei abzuweisen, weil nach Art. 144 Abs. 3 B-VG (und § 87 Abs. 3 VerfGG) eine solche Abtretung nur für den Fall vorgesehen sei, daß der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abweise oder eine Behandlung ablehne, nicht aber für den Fall ihrer Zurückweisung.
Da der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich dem Verfahrenshelfer am 12. November 1996 zugestellt wurde, war demnach die Frist zur Einbringung der VERWALTUNGSGERICHTSHOF-Beschwerde am 24. Dezember 1996 abgelaufen.
Die Beschwerdeführerin begründet ihren am 10. April 1997 (Poststempel unleserlich) beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen damit, ihr Rechtsvertreter sei von der "fixen Idee" ausgegangen, daß in seiner Rechtssache vor allem eine Verfassungsgerichtshof-Beschwerde zum Erfolg führen müsse, weil eine Verletzung des Rechtes auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 MRK vorzuliegen scheine. Ihr Rechtsvertreter habe in der Folge "nicht mehr beachtet", daß seine Bestellung zum Verfahrenshelfer nur für das verwaltungsgerichtliche Verfahren gelte. Er habe sich vielmehr auf den Inhalt der auszuführenden Beschwerde konzentriert. "Aus Gründen besonderer Vorsicht und Sorgfalt" habe er auch einen Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG gestellt. Leider habe er erst mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses vom 25. Februar 1997, B 5034/96-3, am 26. März 1997 feststellen müssen, daß er "irrtümlicherweise" eine Verfassungsgerichtshof-Beschwerde anstatt einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde überreicht habe. Dazu sei es gekommen, weil er sich durch sein Engagement für die Sache selbst nicht mehr so sehr um die Verfahrensart gekümmert habe, als vielmehr um den Inhalt der auszuführenden Beschwerde. Keinesfalls könne dem Verfahrenshelfer eine auffallende Sorglosigkeit unterstellt werden. Es zeige sich im Gegenteil, daß er sich gedanklich mit der Materie sehr beschäftigt und sich die Mühe gemacht habe, eine Verfassungsgerichtshof-Beschwerde mit einem Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof auszuarbeiten. Die Beschwerdeführerin und Antragstellerin glaube daher, daß sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gehindert worden sei, wobei ein allfälliges Verschulden ihres Rechtsvertreters bloß einen minderen Grad des Versehens darstellen müsse.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (siehe den hg. Beschluß vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0176, mwH). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Parteien nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich bei einem verschuldeten Ereignis höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Beschluß vom 8. August 1996, Zl. 96/14/0072, 0078). Zu beurteilen ist somit das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Jänner 1990, Zl. 89/18/0202, 0203). Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also jedenfalls nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die schon zitierten hg. Beschlüsse vom 23. Februar 1995 und vom 8. August 1996, mwH).
Bei Anwendung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei der Unterfertigung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, in der er sich jedenfalls auf die Bestellung zum Verfahrenshelfer zu berufen hatte, über den Inhalt des Bestellungsbeschlusses zu vergewissern. Dabei hätte es dem Rechtsanwalt auffallen müssen, daß die Verfahrenshilfe ganz unmißverständlich zur Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bewilligt und er hiefür von der Rechtsanwaltskammer als Verfahrenshelfer bestellt worden war. Da der Rechtsanwalt im vorliegenden Fall nach seinen eigenen Angaben den Bestellungsbeschluß "nicht mehr beachtete", unterlief ihm ein Versehen, das nicht minderen Grades ist.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
Bei diesem Ergebnis war die am 10. April 1997 (Poststempel unleserlich) beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, wodurch sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Beschwerde erübrigt.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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