VwGH 97/18/0444

VwGH97/18/044413.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, in der Beschwerdesache des A in Altmünster, vertreten durch Dr. Jörg Brunhuemer, Rechtsanwalt in Gmunden, Fellingergasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 2. Juni 1997, Zl. St176/97, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 5, sowie den §§ 19, 20 und 21 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 18. Dezember 1995 zwischen Wals und Großgmain vier Fremde über die grüne Grenze von Österreich nach Deutschland geführt habe und diese im Anschluß daran in einem PKW nach Stuttgart habe bringen wollen; dort hätte er vermutlich seinen Anteil von "Schlepperlohn" erhalten. Bevor es soweit gekommen sei, sei der Beschwerdeführer von einer deutschen Grenzpatrouille angehalten und verhaftet worden. Mit Urteil des Amtsgerichtes Laufen (vom 5.3.1996) sei der Beschwerdeführer wegen Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe in Österreich keine Sorgepflichten. Er habe eine in Deutschland wohnhafte Freundin, die er seit August 1991 kenne; sie hätten einander nur ca. alle zwei Wochen gesehen. Seit Ende Feber 1997 lebe die Freundin beim Beschwerdeführer.

In rechtlicher Hinsicht befand die belangte Behörde, daß in Anbetracht der besagten gerichtlichen Verurteilung der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG als erfüllt anzusehen sei, da auch das Gericht davon ausgegangen sei, daß der Beschwerdeführer für die Schleppertätigkeit einen - wenn auch unbestimmten - Geldbetrag hätte bekommen sollen. Angesichts der vorgenannten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zumindest in sein Privatleben eingegriffen, dies aber auch im Hinblick darauf, daß ihm aufgrund des schon ca. sechsjährigen Aufenthaltes in Österreich eine entsprechende Integration zuzubilligen sei. Allerdings sei festzuhalten, daß dem Beschwerdeführer die Integration im sozialen Bereich noch nicht gelungen sei, was auch durch das genannte Urteil bestätigt werde. Da er seine Arbeitsstelle immer wieder gewechselt habe, sei zu schließen, daß er auch im beruflichen Bereich nicht habe Fuß fassen können und daher auch insoweit nicht integriert sei. Verwandtschaftliche oder sonstige Beziehungen im Bundesgebiet (abgesehen von der zu seiner Freundin) habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stehe eine schwerwiegende strafbare Handlung, nämlich jene der entgeltlichen Schlepperei, gegenüber. Diese Art der ("organisierten") Kriminalität habe Formen angenommen, die ein rigoroses Vorgehen dringend erforderlich machten. Auch die mit der Schlepperei einhergehende "Begleitkriminalität" habe bereits enorme Maße angenommen, weshalb es schon aus sicherheitspolitischer Sicht unerläßlich sei, entsprechend gegenzusteuern. Es würde demnach geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleichkommen, würde man den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gestatten. Der Unwert der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlung ist, wie auch das Urteil des Amtsgerichtes Laufen zeige, sehr hoch einzustufen, zumal der Beschwerdeführer vier Personen gegen Entgelt geschleppt habe.

Aus den dargelegten Gründen sei nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot nach § 19 leg. cit. auch dringend geboten. Da - unter Abwägung aller angeführten Umstände - im Hinblick auf die danach zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers sei das Aufenthaltsverbot auch nach § 20 Abs. 1 FrG zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer durch sein inkriminiertes Fehlverhalten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG ("um seines Vorteiles willen Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat") verwirklicht habe, unbekämpft. Aufgrund der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen - so das Urteil des Amtsgerichtes Laufen vom 5. März 1996 - "des Einschleusens von Ausländern in vier Fällen rechtlich zusammentreffend", wobei sich aus den Urteilsgründen ergibt, daß der Beschwerdeführer für die "Schleusung" einen (betraglich nicht bekannten) Teil des vereinbarten Entgeltes hätte erhalten sollen, bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2. Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf die Schleppung von immerhin vier Fremden die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung er öffentlichen Ordnung, aber auch der öffentlichen Sicherheit) als gerechtfertigt ansah und darüberhinaus - bei Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG - die Verhängung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme als zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, dringend geboten und demnach im Grunde des § 19 FrG zulässig erachtete. Die aus der Sicht des Art. 8 Abs. 2 MRK zu bejahende Notwendigkeit eines Aufenthaltsverbotes ist in dem besonders großen öffentlichen Interesse an der Bekämpfung des - zunehmend um sich greifenden - Schlepperunwesens begründet (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0434, sowie vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0396, und Zl. 97/18/0453). Dieses hoch zu veranschlagende Allgemeininteresse wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend hervorgehoben.

3.1. Die Beschwerde ist der Meinung, daß die Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers hätte ausgehen müssen. Sie verweist dazu darauf, daß der Beschwerdeführer sich seit sechs Jahren in Österreich aufhalte und hier nie straffällig geworden sei, sein Aufenthalt immer rechtmäßig und er (abgesehen von unverschuldeter Arbeitslosigkeit) immer beschäftigt gewesen sei, schließlich darauf, daß er mit Nicole R. seit fünf Jahren eine Lebensgemeinschaft führe und er die Genannte am 19. Juni 1997 geheiratet habe.

3.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Die belangte Behörde gelangte mit Rücksicht auf den sechsjährigen (nach der Aktenlage überwiegend rechtmäßigen) inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers, seiner mehrjährigen persönlichen Beziehung zu der bis Februar 1997 in Deutschland und ab diesem Zeitpunkt mit ihm gemeinsam in Österreich lebenden Nicole R. (diese wurde vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 19. März 1997 an die Erstbehörde als "Freundin" und nicht als "Lebensgefährtin" bezeichnet) und einer insgesamt betrachtet nicht allzu starken Integration des Beschwerdeführers in Österreich zu dem Ergebnis, daß die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers weniger schwer wögen als die in einer erheblichen Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen durch den Beschwerdeführer begründeten nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Dieses Abwägungsergebnis könnte auch dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man als für die persönliche Interessenlage wesentlich nicht (bloß) eine mehrjährige Freundschaft des Beschwerdeführers mit der bis Februar 1997 in Deutschland wohnhaften Nicole R., sondern eine - wie dies nunmehr die Beschwerde tut - mit ihr seit fünf Jahren bestehende Lebensgemeinschaft zugrunde legte, wäre doch diese angesichts der über Jahre getrennten Wohnsitze und der - von der belangten Behörde unbestritten festgestellt - nur alle zwei Wochen stattfindenden Besuche des Beschwerdeführers bei Nicole

R. wohl nicht als intensiv und damit bei der Abwägung nicht als gewichtiger Umstand zugunsten des Beschwerdeführers zu werten. Die in der Beschwerde bekanntgegebene Tatsache, daß der Beschwerdeführer Nicole R. am 19. Juli 1997 geheiratet hat, konnte von der belangten Behörde aus zeitlichen Gründen (Erlassung des angefochtenen Bescheides am 26. Juni 1997) nicht berücksichtigt werden. Stellt man diesen somit - auch unter Bedachtnahme auf eine aus einem sechsjährigen Aufenthalt und einer mehrjährigen Berufstätigkeit resultierende durchschnittliche Integration des Beschwerdeführers - keineswegs stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers die durch das in erheblichem Maß sozialschädliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers gravierend beeinträchtigten maßgebenden öffentlichen Interessen gegenüber, so ist mit der belangten Behörde ein deutliches Überwiegen der letzteren anzunehmen.

4. Im Lichte der vorstehenden Erwägungen geht die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Integration des Beschwerdeführers "etwa durch Anfrage bei meiner Wohnsitzgemeinde, durch Einholung einer Auskunft meines Dienstgebers u.ä. zu prüfen", ins Leere.

5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

7. Im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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