VwGH 97/16/0219

VwGH97/16/021914.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden des Franz und der Hermine Cermak in Großebersdorf, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, Th. Pampichlerstraße 1a, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. April 1997, Zlen GA 9-945/94 und GA 9-945/1/94, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1;
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §10 Abs1;
GrEStG 1955 §11 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §4 Abs1;
GrEStG 1987 §5 Abs1 Z1;
BAO §21 Abs1;
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §10 Abs1;
GrEStG 1955 §11 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §4 Abs1;
GrEStG 1987 §5 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,--, die Zweitbeschwerdeführerin in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer zeigten am 13. November 1986 den Erwerb des 234 m2 großen Grundstückes Nr. 1335/89, EZ 1038,

KG Putzing-Wolkersdorf, von der W.-Industrieanlagenbau GesmbH in Putzing um den Kaufpreis von S 363.500,-- an. Sie begehrten die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2a GrEStG 1955. Das auf diesem Grundstück in der Folge errichtete Reihenhaus wurde mit Kaufvertrag vom 1. Juli 1991 von den Beschwerdeführern an A. und M.B. verkauft.

Über Aufforderung des Finanzamtes legten die Beschwerdeführer verschiedene Unterlagen vor. Darunter befindet sich ein undatiertes Generalunternehmeranbot für die Errichtung eines Reihenhauses in Putzing/See, welches vom Erstbeschwerdeführer und von der Firma X-BaugesmbH unterfertigt wurde. Das Anbot verweist auf die angeschlossene Baubeschreibung Typ 1 (Wohnnutzfläche 104,10 m2) und lautet auf eine Gesamtsumme (inklusive Umsatzsteuer) von S 1,040.000,--. Vorgelegt wurden weiters die erste und zweite Teilrechnung der X-BaugesmbH vom 26. November 1986, wobei die erste Teilrechnung die Fundamentfertigstellung, die zweite Teilrechnung das aufgehende Mauerwerk, Decke über Erdgeschoß, Dachgleiche und Fenster betraf. Schließlich wurde die den Beschwerdeführern aufgrund ihres Ansuchens vom 13. Februar 1987 erteilte Baubewilligung vom 18. Februar 1987 vorgelegt, in welcher auf das Ergebnis der Bauverhandlung vom 21. März 1986 verwiesen wird; der Einreichplan aus Februar 1986 weist noch die Verkäuferin als Bauwerberin aus. Aus einem an die Beschwerdeführer gerichteten Schreiben der Baubehörde vom 11. Jänner 1988, welches auf eine Besichtigung der Reihenhäuser in Putzing, Rosenweg 1, 3-7, 12 und 22 Bezug nimmt, ergibt sich, dass mit Bescheid vom 7. April 1986 für insgesamt 21 Reihenhäuser Baubewilligungen erteilt worden seien und dass mit Bescheid vom 21. März 1986 eine Grundabteilung bewilligt worden sei, die für jedes Haus eine eigene Parzelle vorsehe.

Ausgehend von diesem Ermittlungsergebnis schrieb das Finanzamt mit Bescheid vom 30. November 1993 für den Kauf vom 22. Oktober 1986 gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG die Grunderwerbsteuer in Höhe von 8 % von der Gegenleistung vor. Als Gegenleistung wurde gegenüber jedem der Beschwerdeführer die Hälfte der Summe aus dem Kaufpreis für die Liegenschaft und dem vereinbarten Werklohn (S 363.500,-- plus S 1,040.000,-- = S 1,403.500,--), sohin S 701.750,-- angenommen.

In ihrer Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, dass sie von der X-Bauges.m.b.H. kein fest definiertes Gebäude angeboten bekommen hätten, sondern sehr wohl auf die Ausgestaltung des Gebäudes Einfluss genommen hätten. So sei z.B. der Kücheneingang anders konzipiert worden, wie auch der Abstellraum, die Durchreiche in den Wohnraum, die Kaminaufstellung, die Form des Badezimmers, der Einbau verschiedener Fenster usw. Dadurch sei es auch zu entsprechenden Nachkalkulationen seitens der Baufirma gekommen. Insgesamt liege somit keine Fixpreisvereinbarung vor. Während der Ausführung sei die X-BaugesmbH in Ausgleich gegangen und seien die Beschwerdeführer deshalb gezwungen worden, selbst Handwerker für die Fertigstellung zu suchen bzw. mussten sie durch Eigenleistung das Haus fertig bauen. Besonders in der Schlussphase erweise sich damit die Bauherrneigenschaft der Beschwerdeführer.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung beantragten die Beschwerdeführer die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie hätten auf die bauliche Gestaltung Einfluss genommen und sehr wohl das Baurisiko als auch das finanzielle Risiko zu tragen gehabt; die vereinbarten Fixpreise seien weder von der X-BaugesmbH noch von der Nachfolgerfirma eingehalten worden.

In einem gesonderten, als "Berufung" bezeichneten Schreiben verwies die Zweitbeschwerdeführerin darauf, dass es zum Verkauf des Reihenhauses wegen einer für die Beschwerdeführer unerträglichen Konfliktsituation mit den Nachbarn gekommen sei.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge. Sie ging davon aus, dass die Verkäuferin die gesamte Liegenschaft EZ 1038 parzelliert und eine Reihenhausanlage geplant habe, wofür mit Bescheid vom 7. April 1986 die Baubewilligung erteilt worden sei. In der Folge habe die Verkäuferin der X-BaugesmbH Auftrag und Vollmacht zum Verkauf und zur Verwertung zu einem Verkaufspreis von S 363.500,-- für den Grundanteil und einen Werklohn für das zu errichtende Reihenhaus in der Höhe von S 1,020.000,-- erteilt. Rechtsanwalt Dr. Y. sei als Treuhänder und Vertragserrichter eingeschritten und habe sowohl einen Kaufvertrag wie einen Werkvertrag errichtet. Die bereits erteilte Baubewilligung sei bei der Baubehörde dann auf die einzelnen Käufer umgeschrieben worden, wobei auf die am 21. März 1986 abgehaltene Bauverhandlung hingewiesen worden sei.

Diesen Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde dahingehend, dass nur solche Interessenten zum Kauf zugelassen worden seien, die gleichzeitig mit dem Kauf des Grundstückes auch einen Werkvertrag für das im Wesentlichen schon geplante und auch bewilligte Reihenhaus abgeschlossen hätten. Der Vertragswille sei darauf gerichtet gewesen, eine Bauparzelle mit einem zur errichtenden Haus zu erwerben. Der ursprüngliche begünstigte Zweck sei zufolge des Verkaufes am 1. Juli 1991 aufgegeben worden.

In ihren dagegen erhobenen Beschwerde beantragen die Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin die Verwaltungsakten vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift. Die Beschwerdeführer replizierten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987, ist dieses Gesetz, mit welchem u.a. der allgemeine Steuersatz von früher 8 % auf 3,5 % herabgesetzt wurde, auf alle Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30. Juni 1987 verwirklicht wurden. Das vorliegende Kaufgeschäft stammt vom 22. Oktober bzw. 10. November 1986, sodass noch die Bestimmungen des GrEStG 1995 (im Folgenden: GrEStG) Anwendung finden. Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Replik zur Gegenschrift weiters rügen, dass es bei 16 anderen Reihenhäusern zu keiner Vorschreibung gekommen sei, sind sie, wie sie in ihrer Berufungsschrift selbst erkannt haben, darauf zu verweisen, dass es aufgrund des Verkaufes des Grundstückes mit der darauf errichteten Arbeiterwohnstätte innerhalb von 8 Jahren nach § 4 Abs. 2 GrEStG zu einer Verwirkung der Befreiung gekommen ist; eine Berücksichtigung der Motive des Verkaufes erlaubt diese Gesetzesstelle nicht.

Gegenstand der eigentlichen Beschwerdeschrift ist die Frage, ob den Beschwerdeführern Bauherrneigenschaft zukommt oder nicht. Sie verweisen darauf, dass das wirtschaftliche Risiko auf ihrer Seite besonders groß gewesen sei, zumal die Baufirma während der Bauphase in Ausgleich gegangen sei und dass sie selbst unmittelbar aus dem Werkvertrag berechtigt und verpflichtet waren. Schon nach dem Werkvertrag konnten sie schließlich jegliche Änderungswünsche verlangen, sodass sie auf die Gestaltung Einfluss nehmen konnten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG auch alles zu verstehen, was der Erwerber über den Kaufpreis für das unbebaute Grundstück hinaus aufwenden muss. Erbringt ein Käufer im Hinblick auf die Bebauung eines Grundstückes neben einem als Kaufpreis bezeichneten Betrag weitere Leistungen - an wen auch immer - ist demnach zur Ermittlung der zutreffenden Bemessungsgrundlage auf den Besteuerungsgegenstand zurückzugreifen. Für die Beurteilung ist der Zustand des Grundstückes maßgebend, in dem dieses erworben werden soll; das muss nicht notwendig der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebene Zustand sein. Gegenstand eines Kaufvertrages kann ohne weiteres auch eine künftige Sache oder eine Sache sein, hinsichtlich welcher zur Erfüllung des Vertrages bestimmte Eigenschaften durch den Verkäufer erst geschaffen werden müssen. Ist der Erwerber an ein bestimmtes, durch Planung des Verkäufers oder eines mit diesem zusammenarbeitenden Organisators vorgegebenes Gebäudes gebunden, dann ist ein Kauf eines Grundstückes mit - herzustellendem - Gebäude anzunehmen, selbst wenn über diese Herstellung ein gesonderter Werkvertrag abgeschlossen wird (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom 30. Mai 1994, 92/16/0144, mit weiteren Hinweisen; vom 26. Jänner 1995, 93/16/0089 ).

Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer das 243 m2 große Grundstück zu einem Zeitpunkt gekauft, als nicht nur die Planung für die Reihenhaussiedlung vollständig abgeschlossen war, alle Baubewilligungen gegenüber der Verkäuferin als seinerzeitiger Grundeigentümerin und Bauwerberin bereits erteilt waren, sondern mit der Bauausführung auch längst begonnen worden war. Aus dem Werkvertrag Punkt XIII-Zahlungsbedingungen ergibt sich nämlich, dass die Zahlungen über Teilrechnungslegung entsprechend dem Baufortschritt und dem Zahlungsplan zu erfolgen hatten. Der Zahlungsplan (Punkt XVI) sah für die erste Teilrechnung die Fertigstellung vom Fundament bzw. Kellerdecke, für die zweite Teilrechnung die Fertigstellung des aufgehenden Mauerwerks, Decke über Erdgeschoß und Dachgleiche vor. Die erste und die zweite Teilrechnung wurden aber hier bereits vier Tage nach Unterfertigung des Kaufvertrages durch die Käufer bzw. zwei Wochen vor Unterfertigung des Kaufvertrages durch die Verkäufer gelegt. Bedenkt man weiters, dass das Anbot des Werkunternehmers nur die Wahl zwischen Reihenhäusern der Type 1 (104 m2) und Reihenhäusern der Type 2 (124 m2) vorsah, wobei genau diese Typen dem genehmigten Einreichplan zu entnehmen sind, so ergibt sich unzweifelhaft, dass die Beschwerdeführer ein nach einem vorgegebenen Konzept hinsichtlich des gesamten Siedlungsprojektes zu verbauendes Grundstück erwarben. Auch mit den von den Beschwerdeführern hervorgehobenen Veränderungen im Innenbereich haben sie auf die Gestaltung der Gesamtkonstruktion des Hauses keinen Einfluss genommen.

Angesichts der von der Verkäuferin vorgenommenen und baubehördlich bewilligten Planung der gesamten Reihenhausanlage, des Baufortschrittes im Zeitpunkt des Kaufvertrages und des Umstandes, dass der Werkvertrag sogar vor dem Kaufvertrag abgeschlossen wurde, muss ohne jeden Zweifel davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführer in ein Vertragskonzept einbinden ließen, welches sicherstellte, dass nur jene Käufer zum Grundstückserwerb zugelassen werden, die sich zur Ausführung des Planungskonzeptes verpflichteten. Bei Vorliegen eines derartigen Vertragsgeflechtes sind auch die das Baukonzept betreffenden Verträge in den grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerbsvorgang einzubeziehen, weil in Wahrheit ein einheitliches Geschäft vorliegt, bei dem die an sich getrennten Vereinbarungen in ihrem Bestand derartig von einander abhängig sind, dass sie miteinander "stehen und fallen" sollen. Dass das Vertragswerk in mehrere Urkunden auf mehrere Vertragspartner des Erwerbers aufgespaltet wurde, ist für die Beurteilung der Gegenleistung ohne Belang, weil nicht die äußere Form der Verträge maßgebend ist, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln ist. Es ist auch nicht entscheidend, dass in den Vertragsurkunden Kaufvertrag/Werkvertrag aufeinander kein Bezug genommen wird, wenn schon durch den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Vertragsabschlüsse gewährleistet wurde, dass der Erwerber das Grundstück jedenfalls nur in bebautem Zustand erwerben werde (siehe die Nachweise bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern II, 3. Teil Grunderwerbsteuergesetz 1987, RZ 88a zu § 5 GrEStG, insbesondere 54/1 M).

Da sich somit der gegenständliche Erwerbsvorgang auf ein letztlich bebautes Grundstück bezogen hat, hat die belangte Behörde zu Recht die Errichtungskosten bei Bemessung der Gegenleistung mit einbezogen. Die Beschwerden erwiesen sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Die Entscheidung konnte auf Basis der zitierten Vorjudikatur in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerden ist der neuerlich gestellte Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Wien, am 14. Oktober 1999

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