VwGH 97/15/0023

VwGH97/15/002318.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der Z AG in P, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 28. April 1994, GZ B 7-10/92, B 9-10/92, B 27-10/92 und B 86-10/92, betreffend u.a. Gewerbesteuermeßbetrag und Gewerbesteuer 1984, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §4 Abs2;
EStG §2;
EStG §23;
GewStG §1 Abs2 Z2;
GewStG §1 Abs2;
BAO §4 Abs2;
EStG §2;
EStG §23;
GewStG §1 Abs2 Z2;
GewStG §1 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Aktiengesellschaft, zu deren Unternehmensgegenstand die industrielle Herstellung von Zellstoff und Papier gehört.

Mit Vertrag vom 22. und 24. Mai 1984 hat sich die A-Treuhand-GmbH als stille Gesellschafterin am Unternehmen der Beschwerdeführerin beteiligt, wobei vereinbart wurde, daß die stille Gesellschafterin am Gewinn und Verlust des Unternehmens des Geschäftsherren ab Beginn des Jahres 1984 beteiligt ist. Aus steuerlicher Sicht ist die Gesellschaft unbestritten als atypisch stille Gesellschaft zu qualifizieren.

Die zuständigen Finanzämter erließen den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetragsbescheid für 1984 sowie - nach Zerlegung des Gewerbesteuermeßbetrages - Gewerbesteuerbescheide. Dabei wurde die Auffassung vertreten, für die Ermittlung des Gewerbekapitals zum 1. Jänner 1984 komme die Kürzungsbestimmung des § 12 Abs. 3 Z. 2 GewStG nicht zur Anwendung, weil die atypisch stille Gesellschaft zum 1. Jänner 1984 noch nicht bestanden habe.

In der Berufung gegen den Gewerbesteuermeßbetragsbescheid und die Gewerbesteuerbescheide begehrte die Beschwerdeführerin - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - die Anwendung der Kürzungsbestimmung des § 12 Abs. 3 Z. 2 GewStG oder die Anwendung des § 24 Abs. 2 GewStG. Die Auffassung des Finanzamtes führe zu einer Doppelbesteuerung, weil auch die atypisch stille Gesellschaft als Gewerbesteuersubjekt behandelt werde. Die stille Gesellschaft sei rückwirkend auf den 1. Jänner 1984 begründet worden, weshalb die Kürzungsbestimmung des § 12 Abs. 3 Z. 2 GewStG anzuwenden sei. Sollte die stille Gesellschaft erst im Mai 1984 entstanden sein, dürfe die Beschwerdeführerin ab Gründung der stillen Gesellschaft nicht mehr als gewerbesteuerpflichtig behandelt werden. Seit der Begründung der Mitunternehmerschaft (atypisch stille Gesellschaft) übe die Beschwerdeführerin nämlich keine Tätigkeit mehr aus, weshalb die Gewerbesteuer für 1984 aufgrund der Bestimmung des § 24 Abs. 2 GewStG nur mit 5/12 erhoben werden könnte.

Mit dem angefochtenen Bescheid entsprach die belangte Behörde dem dargestellten Berufungsbegehren nicht. Gemäß § 1 Abs. 2 GewStG gelte die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Voraussetzung der Gewerbesteuerpflicht sei zwar, daß die Kapitalgesellschaft überhaupt eine Tätigkeit ausübe, wobei aber jede noch so geringe Tätigkeit, insbesondere auch eine Vermögensverwaltung, ausreichend sei. Es treffe nicht zu, daß die Beschwerdeführerin seit Begründung der Mitunternehmerschaft (atypisch stille Gesellschaft) keine Tätigkeit mehr entfaltet habe. Bei einer Personengesellschaft sei nämlich der einzelne Gesellschafter Mitunternehmer und Mittträger des geschäftlichen Risikos. Zum Wesen der stillen Gesellschaft gehöre es, daß sich ein stiller Gesellschafter mit einer vermögenswerten Einlage am Handelsgewerbe eines anderen gegen einen Anteil am Gewinn dieses Handelsgewerbes beteilige, ohne daß der stille Gesellschafter nach außen in Erscheinung trete. Da der Inhaber des Handelsgewerbes nach außen in Erscheinung trete, treffe ihn die Haftung für die Verbindlichkeiten des Unternehmens. Es werde sohin durch die Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft die Gewerbesteuerpflicht der Kapitalgesellschaft, die als Inhaber des Handelsgewerbes auftrete, nicht beendet. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 GewStG seien daher nicht erfüllt.

Was die Gründung der stillen Gesellschaft anlange, werde von Lehre und Rechtsprechung die Ansicht vertreten, daß die Rückwirkung zivilrechtlicher Vereinbarungen - abgesehen von den unter das StruktVG fallenden Gestaltungen - für steuerliche Belange unbeachtlich sei. Im gegenständlichen Fall liege allerdings nicht einmal zivilrechtlich eine rückwirkende Gesellschaftsgründung vor. Es sei nur vereinbart, daß die stille Gesellschafterin bereits ab Beginn des Geschäftsjahres 1984 am Gewinn beteiligt sei. Nach dem klaren Wortlaut des § 11 des Gesellschaftsvertrages werde die stille Gesellschaft aber erst mit der Einzahlung der Gesellschaftseinlage begründet; die erste Einzahlung auf die Gesellschaftseinlage sei aber nach Abschluß des Vertrages im Mai 1984 erfolgt. Auch sei vereinbart worden, daß für das Ausmaß der Beteiligung am Gewinn des Jahres 1984 der Stand der Gesellschaftseinlage und des Grundkapitals zum 28. Dezember 1984 maßgebend seien. Daraus folge, daß zum 1. Jänner 1984 die Kürzung nach § 12 Abs. 3 Z. 2 GewStG nicht vorgenommen werden könne.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 13. Dezember 1996, B 1441/94, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, in § 2 Abs. 2 des am 22. und 24. Mai 1984 abgeschlossenen Vertrages über die Errichtung einer stillen Gesellschaft sei vereinbart worden, daß die stille Gesellschafterin am Gewinn und Verlust des Unternehmens des Geschäftsherren ab Beginn des Jahres 1984 beteiligt sei. Aus dieser Vereinbarung ergebe sich als Beginn der stillen Gesellschaft der 1. Jänner 1984. Selbst wenn darin eine rückwirkende Gesellschaftsgründung zu erblicken sei, komme dieser steuerliche Wirkung zu. Bis zum Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches seien nämlich rückwirkende Vereinbarungen mit steuerlicher Wirkung möglich. Gemäß § 4 Abs. 2 lit. b iVm § 4 Abs. 2 lit. a Z. 2 BAO entstehe der Abgabenanspruch bei der Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital hinsichtlich der zu veranlagenden Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres. Da sohin der Abgabenanspruch erst am 31. Dezember 1984 entstanden sei, sei in einer im Mai 1984 getroffenen Vereinbarung keine verpönte Rückwirkung zu erblicken. Werde die Wirksamkeit der atypischen stillen Gesellschaft mit 1. Jänner 1984 anerkannt, ergebe sich in weiterer Folge, daß die Kürzungsbestimmung des § 12 Abs. 3 Z. 2 GewStG zur Anwendung komme. Nach dieser Vorschrift sei die Summe des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes um den Wert einer Beteiligung an einer OHG, einer KG oder einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebes anzusehen seien, zu kürzen. Aufgrund dieser Bestimmung sei das Gewerbekapital bereits im Jahr 1984 ausschließlich bei der Mitunternehmerschaft (atypisch stille Gesellschaft) zu erfassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 23. März 1994, 93/13/0280, über eine vergleichbare Konstellation abgesprochen. Im seinerzeitigen Beschwerdefall wurde am 14. Dezember 1990 eine atypische stille Gesellschaft gegründet; der Gesellschaftsvertrag legte fest, daß der stille Gesellschafter am Ergebnis 1990 in vollem Umfang teilnehme, das Ergebnis des Kalenderjahres also nach einem festen Gewinnverteilungsschlüssel verteilt werde. Die Beschwerde gegen den Bescheid, mit welchem im Instanzenzug für steuerliche Zwecke nur das Ergebnis des Rumpfwirtschaftsjahres vom 14. bis zum 31. Dezember verteilt und damit dem Begehren, den stillen Gesellschafter am Jahresergebnis partizipieren zu lassen, nicht entsprochen wurde, wies der Verwaltungsgerichtshof als unbegründet ab. Bei einer am 14. Dezember gegründeten Gesellschaft stehe nur der ab diesem Zeitpunkt erwirtschaftete Gewinn bzw. Verlust zur Verteilung zur Verfügung.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch den Beschwerdefall nicht zu einem Abgehen von seiner Rechtsprechung veranlaßt. Erlangt eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die Stellung eines Mitunternehmers, so können ihr erst die ab diesem Zeitpunkt verwirklichten Geschäftsfälle als Einzelbestandteile des Gewinnes bzw Verlustes (anteilig) zugerechnet werden. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Einkunftstatbestand erfüllt; diese Tatbestandsverwirklichung erfolgt - hinsichtlich der einzelnen Geschäftsfälle - kontinuierlich während des laufenden Jahres. Unabhängig davon, daß der Abgabenanspruch gemäß § 4 Abs. 2 BAO erst mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, kann auch nicht unterjährig durch rückwirkende Maßnahmen mit steuerlicher Wirkung über bezogene Einkünfte verfügt werden (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 23 Tz 51).

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, auch Kapitalgesellschaften stellten nur dann ein Gewerbesteuersubjekt dar, wenn sie eine Tätigkeit entfalteten. Eine völlig stillgelegte Kapitalgesellschaft dürfe nicht der Gewerbekapitalsteuer unterworfen werden. Eine für die Gewerbesteuerpflicht hinreichende Tätigkeit könne in der Verwaltung von Bankguthaben durch einen Geschäftsführer liegen. Die Beschwerdeführerin sei hingegen in keiner Weise tätig, weil der Betrieb aufgrund des Vertrages über die Gründung der stillen Gesellschaft von dieser Mitunternehmerschaft geführt werde. Durch die "Mitgliedschaft" der Beschwerdeführerin in der stillen Gesellschaft komme es zu keiner Haftungseinschränkung. Die Beschwerdeführerin entfalte auch keine Tätigkeit als "Geschäftsführer des Betriebes"; es sei vielmehr von einem Unternehmerwechsel auf die stille Gesellschaft auszugehen. Selbst wenn die (steuerliche) Wirksamkeit der stillen Gesellschaft erst im Mai 1984 eingetreten sein sollte, würde sohin die Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführerin mit Ablauf des Mai 1984 erloschen sein und sohin ein Anwendungsfall des § 24 Abs. 2 GewStG vorliegen.

§ 24 Abs. 2 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung lautet:

"Erlischt die Steuerpflicht im Laufe des Erhebungszeitraumes, so wird die Steuer bis zum Ende des Kalendermonates erhoben, in dem die Steuerpflicht wegfällt. Vorübergehende Unterbrechungen, die durch die Art des Betriebes veranlaßt sind, heben die Steuerpflicht für die Zwischenzeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebes nicht auf."

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 2 GewStG gilt u.a. die Tätigkeit von Aktiengesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 19. April 1988, 87/14/0115, unter Hinweis auf Philipp, Kommentar zum GewStG, Tz 1 - 190ff, ausgesprochen, eine Kapitalgesellschaft gelte auch dann als Gewerbebetrieb, wenn sie eine vorher allein ausgeübte Tätigkeit nunmehr im Rahmen einer Mitunternehmerschaft (der Beschwerdefall betraf eine atypisch stille Gesellschaft) ausübe und nur Beteiligungserträge erwirtschafte. Dieses Erkenntnis ist für die Frage der Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführerin - entgegen ihrem Vorbringen in der Beschwerde - mit dem gegenständlichen Fall durchaus vergleichbar.

Eine Kapitalgesellschaft gilt auch dann als Gewerbebetrieb iSd § 1 Abs. 2 Z. 2 GewStG, wenn sich ihre Tätigkeit auf die Verwaltung einer Beteiligung beschränkt. Bei Kapitalgesellschaften erlischt die Gewerbesteuerpflicht erst mit dem Aufhören jeglicher Tätigkeit, dh mit der Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter (vgl. Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, I4, 257).

Für den Beschwerdefall folgt daraus, daß die Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführerin nicht im Laufes des Jahres 1984 erloschen ist. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß kein Anwendungsfall des § 24 Abs. 2 GewStG vorliegt.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich vorbringt, es sei zu einer systemwidrigen Doppelbelastung gekommen, sei darauf verwiesen, daß sich dies aus der Stichtagsbezogenheit des § 12 GewStG ergibt, die sich bei manchen Konstellationen nachteilig, bei anderen - etwa bei Gründung einer Mitunternehmerschaft unter Ausgliederung eines Teilbetriebes mit negativem Einheitswert oder bei bestimmten Fallen der Beendigung einer Mitunternehmerschaft - begünstigend auswirkt.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 18. Februar 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte