VwGH 97/14/0110

VwGH97/14/011027.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat II) vom 12. September 1995, Zl 70.686 - 7/95, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich

Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1989 bis 1991 sowie

Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §111;
BAO §184;
BAO §303 Abs1 litb;
EStG 1988 §20;
EStG 1988 §4 Abs4;
UStG 1972 §4 Abs4;
BAO §111;
BAO §184;
BAO §303 Abs1 litb;
EStG 1988 §20;
EStG 1988 §4 Abs4;
UStG 1972 §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und ermittelt den Gewinn aus dieser Tätigkeit sowie einem daneben betriebenem Schreibbüro nach § 4 Abs 3 EStG 1988.

Im Bericht über eine beim Beschwerdeführer durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 1989 bis 1991 wird zu den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers festgehalten, dass der Steuerpflichtige im Zuge der Prüfung aufgefordert worden sei, dem Prüfer die Einsichtnahme in die Belege und Aufzeichnungen der Jahre 1989 bis 1991 unter Wahrung der durch das Berufsgeheimnis bestehenden Verpflichtungen zu ermöglichen. Für jedes Prüfungsjahr seien dem Beschwerdeführer eine Reihe von Klientennamen (diese seien seinen Aufzeichnungen entnommen worden) bekannt gegeben worden. Gleichzeitig habe der Prüfer darauf hingewiesen, dass die steuerlich nicht relevanten Teile der Fakturen abgedeckt werden könnten. Trotz mehrmaliger Aufforderung seien dem Prüfungsorgan keine Ausgangsrechnungen vorgelegt worden, weshalb die Belegsammlung nur unvollständig vorgelegt worden sei. Vom Beschwerdeführer sei dazu eingewandt worden, dass nach seiner Ansicht eine gesetzlich normierte Verpflichtung zur Vorlage von Rechnungen auch dann nicht bestehe, wenn solche ausgestellt worden seien. Weiters sei eingewandt worden, dass die Vorlage von Rechnungen eine Verletzung des Berufsgeheimnisses darstelle. Nach Ansicht des Finanzamtes bildeten Rechnungen einen wesentlichen Bestandteil der Belegsammlung und seien deshalb auch einer Prüfung zugänglich zu machen. Es werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. März 1987, 85/13/0195 verwiesen, in dem ausgesagt werde, dass Aufzeichnungen, auch wenn keine rechtliche Verpflichtung zur Führung bestehe, der Abgabenbehörde vorgelegt werden müssten. Weiters werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1986, 85/15/0007, verwiesen, in welchem ausgeführt worden sei, dass dem schutzwürdigen Interesse hinreichend Sorge getragen werde, wenn Name und Anschrift des Leistungsempfängers abgedeckt würden. In diesem Zusammenhang dürfe darauf hingewiesen werden, dass der Klientenname ohnehin aus den vorgelegten Unterlagen bekannt gewesen sei. Es gehöre jedenfalls zu den steuerlichen Obliegenheiten eines Abgabepflichtigen, das Rechenwerk so zu gestalten, dass eine Überprüfung ohne Verletzung von Verschwiegenheitspflichten durchgeführt werden könne. Die Vorlage dieser Unterlagen sei notwendig, damit das Finanzamt dem Auftrag der §§ 114 und 115 BAO nach gleichmäßiger Behandlung aller Steuerpflichtigen sowie der amtswegigen Erforschung der für die Erhebung der Abgaben wesentlichen Verhältnisse nachkommen könne. Gemäß § 143 Abs 2 BAO seien zur Erfüllung der in § 114 BAO genannten Aufgaben auch schriftliche Unterlagen, die für die Feststellung von Abgabenansprüchen von Bedeutung seien, vorzulegen. Weiters werde auf § 151 BAO verwiesen, in dem normiert werde, dass die Abgabenbehörde bei jedem, der zur Führung von Aufzeichnungen verpflichtet sei, jederzeit die Richtigkeit und Vollständigkeit der Aufzeichnungen prüfen könne.

Dem Bericht ist neben der Ansicht des Prüfers, dass das vom Beschwerdeführer betriebene Schreibbüro keine Einkunftsquelle darstellt und anderen Feststellungen weiters zu entnehmen, dass für das Jahr 1990 der steuerpflichtige Umsatz sowie die Betriebseinnahmen entsprechend der vor Beginn der Prüfung erstatteten Selbstanzeige zu erhöhen seien. Unter Hinweis unter anderem auf die Selbstanzeige sowie die Nichtvorlage von Rechnungen bzw die Verweigerung der Einsichtnahme in Grundaufzeichnungen vertrat der Prüfer die Ansicht, dass für die drei Prüfungsjahre bei Umsatz und Gewinn ein Sicherheitszuschlag in Höhe von S 85.000,-- (1989), S 130.000,-- (1990) und S 200.000,-

- (1991) in Ansatz zu bringen sei.

Das Finanzamt erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren entsprechende neue Sachbescheide hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1989 bis 1991.

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde zur Wiederaufnahme der Verfahren eingewandt, dass das Prüfungsverfahren am 20. September 1993 begonnen habe und der Behörde die im Prüfungsbericht aufgeworfenen Punkte bereits am 28. September 1993 bekannt gewesen seien. Dennoch sei die Wiederaufnahme erst am 2. Februar 1994 verfügt worden. Die Begründung der Wiederaufnahme sei "rein formell ohne irgendwelche konkrete Ausführungen" erfolgt. Insbesondere vermöge eine pauschale Verweisung auf § 303 Abs 4 BAO schon deshalb nicht zu genügen, weil dieser für seine Anwendbarkeit wiederum auf eine andere Vorschrift verweise. Keinesfalls könne die Vornahme von Zuschätzungen einen Wiederaufnahmsgrund etwa im Sinn des § 303 Abs 1 lit b BAO darstellen. Sonstige Neuerungen im Verhältnis zu den Abgabenerklärungen samt Beilagen vermöge die Behörde nicht aufzuzeigen.

Hinsichtlich der neuen Sachbescheide vertrat der Beschwerdeführer zur Frage der Schätzungsbefugnis im Wesentlichen die Ansicht, dass Basis seiner Aufzeichnungen als Einnahmen-Ausgaben-Rechner ausschließlich Zahlungsflüsse seien. Im Rahmen seiner Abgabenpflicht sei er daher nicht gehalten, Ausgangsrechnungen überhaupt zu erstellen. Unterlagen, die er nicht führen müsse, müsse er auch nicht vorlegen.

Nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung und rechtzeitigem Antrag auf Entscheidung der Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, in welcher unter anderem abermals darauf hingewiesen wurde, dass die Behörde keine einzige konkrete Rechnung genannt habe, welche sie vorgelegt haben wolle, wurde eine Wiederholungsprüfung im Sinn des § 148 Abs 3 lit c BAO durchgeführt, im Rahmen derer niederschriftlich detailliert die geprüften Belege (etwa über Kostenvorschüsse bzw. Akonto-Zahlungsaufforderungen sowie eine Aufwandsbuchung an ein Bezirksgericht in einer bestimmten Rechtssache) und der Umstand festgehalten wurden, dass die Unterlagen bezüglich "restlicher Zahlungsflüsse vorhanden wären", vom Beschwerdeführer aber ohne "konkreten Vorhalt und auf die Vermutung hin, dass weitere Zahlungsflüsse vorliegen könnten" nicht offen gelegt werden würden.

In der über Antrag des Beschwerdeführers durchgeführten mündlichen Verhandlung stellte der Beschwerdeführer laut dem darüber abgefassten Protokoll nochmals seinen Standpunkt klar, solange die Aufzeichnungen formell in Ordnung seien, müsse die Vermutung der materiellen Richtigkeit aufrecht sein. Auch ein Gewerbebetrieb müsse bei einer Betriebsprüfung nicht alle Belege vorlegen, sondern brauche nur konkret bezeichnete Geschäftsfälle offen zu legen. Das müsse auch für ihn gelten; auch im Zuge einer Prüfung müsse er nicht sämtliche Abrechnungen von einem Klienten vorlegen, sondern nur die vom Prüfer konkret bezeichneten Einzelbelege. Also auch nicht über Aufforderung des Prüfers in einer bestimmten Causa alle Abrechnungen und Zahlungseingänge offen legen. Der Prüfer könne nur verlangen, zu einem ganz bestimmten Geldfluss, den er vorher konkret bezeichnen müsse, die Honorarnote vorzulegen. Der Unternehmer müsse nicht durch Vorlage aller möglichen Belege und Unterlagen nachweisen, dass ein weiterer Geldfluss nicht stattgefunden habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren ab, der Berufung gegen die neuen Sachbescheide gab sie teilweise Folge, wies sie aber insbesondere hinsichtlich der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Streit gezogenen Punkte ebenfalls ab.

Begründend wies die belangte Behörde hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren darauf hin, dass die Verfügung der Wiederaufnahme bis zum Eintritt der Verjährung zulässig sei. Die Bescheide seien innerhalb der Verjährungsfrist ergangen. Für das Kalenderjahr 1990 könne es am Vorliegen "neuer Tatsachen im Sinn des § 303 Abs 4 BAO" keinen Zweifel geben, habe der Beschwerdeführer vor Prüfungsbeginn doch selbst berichtigte Steuererklärungen abgegeben, die zu einer Gewinnerhöhung und einer Erhöhung der Umsatzsteuerzahllast geführt hätten. Aber auch für die Jahre 1989 und 1991 hätten sich durch die Prüfungsfeststellungen Neuerungen ergeben, die eine Wiederaufnahme der Einkommen- und Umsatzsteuerverfahren rechtfertigten. So habe die abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich aller Berufungsjahre ergeben, dass unter verschiedenen Bezeichnungen geltend gemachte Betriebsausgaben als nicht abzugsfähig im Sinn des § 20 EStG 1988 anzusehen seien. Schließlich sei durch die Betriebsprüfung neu hervorgekommen, dass die vom Beschwerdeführer für steuerliche Zwecke geführten Aufzeichnungen eine Überprüfung der vollständigen Einnahmenerfassung nicht zuließen, weil die damit verbundene Belegsammlung nur die Zahlungsbelege enthalte. Insgesamt habe bei der Prüfung festgestellt werden müssen, dass das für steuerliche Zwecke geführte Rechenwerk des Abgabepflichtigen hinsichtlich der Einnahmenerfassung so eingerichtet sei, dass eine exakte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bzw. Überprüfung der erklärten Beträge im Hinblick auf die Weigerung des Beschwerdeführers, bestimmte, nach seinen Angaben vorhandene Honorarabrechnungen und Kontrollaufzeichnungen vorzulegen, für den Prüfer nicht möglich gewesen sei.

Zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen wies die belangte Behörde nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung des § 184 BAO darauf hin, dass für den Beschwerdeführer als Einnahmen-Ausgaben-Rechner die Verpflichtung bestanden habe, die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nach Maßgabe des Zuflusses bzw Abflusses aufzuzeichnen. Für Zwecke der Erhebung der Umsatzsteuer sei er weiters gehalten, unter anderem sämtliche Entgelte für die von ihm erbrachten Leistungen "fortlaufend, unter Angabe des Tages derart aufzuzeichnen, dass zu ersehen sei, wie sich die Entgelte auf die Steuersätze verteilen und welche Entgelte auf steuerfreie Umsätze entfallen". Zum Rechenwerk bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG 1988 gehörten auch die den Eintragungen zu Grunde liegenden Belege, für welche ebenso wie für die Aufzeichnungen selbst Aufbewahrungspflicht bestehe. Nach § 138 BAO seien nicht nur Bücher und Aufzeichnungen, sondern ebenso auch "Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden" auf Verlangen der Abgabenbehörde zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt von Anbringen von Bedeutung seien. Ebenso sei der Beschwerdeführer zur Aufbewahrung und Vorlage der "internen Kontrollaufzeichnungen" in den Handakten betreffend die in der jeweiligen Causa geleisteten und erhaltenen Zahlungen verpflichtet, weil auch diese Aufzeichnungen Bestandteil des Rechenwerkes seien. Nach Ansicht des Senates verkenne der Beschwerdeführer mit seiner Auffassung, dass von ihm formell ordnungsgemäße Aufzeichnungen geführt worden seien, die somit auch die Vermutung der materiellen Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen könnten und sich deshalb die Offenlegungspflicht auf die Aufklärung konkret bezeichneter Zweifel der Abgabenbehörde beschränke, den Inhalt der Bestimmung des § 163 BAO, der keineswegs darin liege, den Umfang der abgabenbehördlichen Prüfungsbefugnis zu begrenzen. Nach den §§ 147 ff BAO dürfe die Abgabenbehörde nämlich auch formell ordnungsmäßige Aufzeichnungen prüfen und die den (formell ordnungsmäßigen) Aufzeichnungen zu Grunde liegenden Belege anfordern. Ebenso sei es daher der Behörde nicht verwehrt, für Prüfungszwecke alle in einer bestimmten Causa gelegten Honorarnoten bzw. Zahlungsanforderungen (unter Wahrung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht in anonymisierter Form) zu verlangen. Denn nur auf diese Weise sei eine Kontrolle der Vollständigkeit der Einnahmenerfassung möglich bzw. könne eine umsatzsteuerliche Überprüfung der Aufteilung von Zahlungseingängen in Honorar- und Barauslagenersatz erfolgen. Überdies seien nach § 163 BAO Bücher und Aufzeichnungen, die den (Form-)Vorschriften des § 131 leg cit entsprechen, nur dann der Abgabenerhebung zu Grunde zu legen, wenn kein begründeter Anlass gegeben sei, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Eben dies sei jedoch bei den die Streitjahre betreffenden Aufzeichnungen des Beschwerdeführers nach Meinung des Senates der Fall. Eine weiter gehende Kontrolle des Rechenwerkes habe der Abgabepflichtige jedoch nicht zugelassen. Vielmehr habe er die Vorlage der für bestimmte Klienten bzw. für konkret genannte Aufträge angeforderten Schlussrechnungen verweigert und sei auch nicht bereit gewesen, bekannt zu geben, ob zu bestimmten, in den Aufzeichnungen ausgewiesenen Ausgaben - wie Gerichtsgebühren, Vollzugsgebühren, sonstige Barauslagen - auch entsprechende Einnahmen erlösmäßig erfasst worden seien. So sei im Zuge der Wiederholungsprüfung beispielsweise zwar die der Buchung vom 18. Jänner 1989 zu Grunde liegende Zahlungsanforderung unter dem Titel "Kostenvorschuss" vorgelegt, die nachfolgende Abrechnung "des Aktes" den Prüfern jedoch vorenthalten worden. Ebenfalls sei hinsichtlich des Geschäftsfalles "Hö" die Vorlage der Schlussrechnung verweigert worden, obwohl es sich beim Zahlungseingang vom 29. Mai 1991 um einen Vorschuss gehandelt habe und daher die Vermutung nahe gelegen sei, dass dem Klienten gegenüber eine Endabrechnung gelegt worden sei. Nach den Angaben des Beschwerdeführers führe er "interne" Kontroll-Aufzeichnungen, in denen für jeden Akt die Einnahmen und Ausgaben festgehalten würden. Auch die Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen sei den Prüfern verwehrt worden. Des Weiteren habe bei der Wiederholungsprüfung die Aussage des Steuerpflichtigen, dass in den Erlösaufzeichnungen für das Jahr 1990 alle Einnahmen erfasst worden seien und erst bei Erstellung der Steuererklärung die "pauschale" Kürzung der Einnahmen vorgenommen worden sei, nicht überprüft werden können, zumal sich der Beschwerdeführer nicht bereit erklärt habe, die entsprechenden Erlöskonten (und zwar aufsummiert) vorzulegen. Angesichts dieses Sachverhaltes sei der Senat zur Auffassung gelangt, dass durch das Verhalten des Beschwerdeführers eine exakte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nicht möglich gewesen sei. Reichte es nämlich aus, wie der Beschwerdeführer meine, dass der Abgabenbehörde nur die in den Erlösaufzeichnungen erfassten Zahlungseingänge durch entsprechende Honorarnoten belegt werden müssten, so wäre eine Betriebsprüfung auf die rechnerische Kontrolle der aufgezeichneten Geldflüsse beschränkt und es könne die materielle Richtigkeit der Abgabenerklärungen nur bei Vorliegen von Kontrollmitteilungen überprüft werden. Der Standpunkt des Beschwerdeführers, wonach bei Betriebsprüfungen Schlussrechnungen, Erlöskonten, Fremdgeldkonten sowie interne Kontrollaufzeichnungen erst dann vorgelegt werden könnten, wenn der Prüfer Anhaltspunkte für die sachliche Unrichtigkeit der Erlösaufzeichnungen habe, entspreche nicht dem Gesetz. Im speziellen Fall des Beschwerdeführers erschiene eine Kontrolle umso mehr angebracht, als bei der Auswertung von lediglich zwei Kontrollmitteilungen nicht verbuchte Einnahmen festgestellt worden seien, sodass berechtigte Zweifel an der Vollständigkeit der Einnahmenerfassung verblieben seien. Nach Dafürhalten des Senates könne sich daher der Beschwerdeführer nicht auf die (widerlegbare) Vermutung des § 163 BAO stützen, wonach formell ordnungsmäßig geführte Bücher auch als sachlich richtig gelten und der Besteuerung zu Grunde gelegt werden müssten. Lägen begründete Zweifel an der Richtigkeit der ausgewiesenen Ergebnisse vor, so habe der Abgabepflichtige dem zumutbaren Verlangen der Behörde Folge zu leisten, wolle er nicht durch Verletzung der abgabenrechtlichen Mitwirkungspflicht bei der Sachaufklärung Anlass zu einer Schätzung bieten. Nach Ansicht des Senates sei daher die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen geboten gewesen, zumal der Beschwerdeführer trotz wiederholter Aufforderungen zur Mitwirkung bei der Prüfung der von ihm erklärten Bemessungsgrundlagen nicht bereit gewesen sei und auf Grund der nachgewiesenen Unrichtigkeiten bei der Einnahmenerfassung begründete Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der erklärten Betriebsergebnisse verblieben seien. In Fällen, in denen nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Schätzung nicht zu gewinnen seien, könne auch die griffweise Zuschätzung von Sicherheitszuschlägen in Betracht kommen. Eine Schätzung mit Hilfe eines Sicherheitszuschlages werde insbesondere Platz zu greifen haben, wenn sich aus den der Behörde vorliegenden Unterlagen des Abgabepflichtigen keine verwertbaren Anhaltspunkte gewinnen ließen, die eine andere - dem richtigen Betriebsergebnis näher kommende - Schätzungsmethode zuließen. Solche Sicherheitszuschläge könnten sich nach den Besonderheiten des Schätzungsfalles an den Gesamteinnahmen, an den Einnahmenverkürzungen oder auch an den Umsätzen orientieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

1. Wiederaufnahme der Verfahren:

Der Beschwerdeführer behauptet, es seien für die Jahre 1989 und 1991 - die Wiederaufnahme des Umsatz- und Einkommensteuerverfahrens 1990 wird in der Beschwerde nicht (mehr) bekämpft - keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen. Diese Behauptung ist insoferne unrichtig, als im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung das Zufließen nicht erklärter Einnahmen festgestellt wurde. Im Hinblick auf die unter Punkt 2 angeführten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof unter dem Blickwinkel der Frage nach einer Verletzung von Verfahrensvorschriften insbesondere zur Schlüssigkeit der Beweiswürdigung keine Bedenken gegen diese Feststellung. § 303 Abs 1 lit b BAO stellt an das Erwiesensein von Tatsachen, die als Wiederaufnahmegründe in Betracht kommen, keine höheren Anforderungen als an andere Tatsachen, die der Besteuerung zu Grunde zu legen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1990, 86/13/0059).

2. Neue Sachbescheide:

a) Soweit sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt erachtet, dass keine "Hinzuschätzung" erfolgt, bezogen auf den Beschwerdefall somit die Betriebseinnahmen nicht durch Ansatz eines Sicherheitszuschlages erhöht werden, ist Folgendes zu sagen: Der Beschwerdeführer beruft sich in seinem Beschwerdevorbringen zunächst darauf, dass Grundlage der Aufzeichnungen eines Einnahmen-Ausgaben-Rechners ausschließlich die Geldflüsse, nicht aber Rechnungen seien. Auch aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht reiche für einen Istversteuerer die Sammlung der Bankauszüge und Belege. Aber selbst dann, wenn aus "formellen Gründen Ausgangsrechnungen zu Aufzeichnungen gehören würden", wäre eine Hinzuschätzung nur bei Fehlern zulässig, die ausschließen, dass anderweitig die richtige Abgabenbasis ermittelt werden könnte. Die Behörde hätte die Mangelhaftigkeit, Art, Vielfalt, Häufigkeit und Schwere der Fehler darzulegen. Im Beschwerdefall habe die belangte Behörde nur

S 16.000,-- aus einer im Jahr 1990 erfolgten Abrechnung als nicht aufgeklärt angesehen, weshalb eine Hinzuschätzung nicht hätte erfolgen dürfen.

Mit diesem Vorbringen spricht der Beschwerdeführer nur einen Fall der in § 184 BAO normierten Schätzungsberechtigung, nämlich den an, dass die (Bücher und) Aufzeichnungen solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der (Bücher und) Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Eine Schätzungsberechtigung besteht nach § 184 Abs 3 BAO aber auch dann, wenn die Aufzeichnungen - wiewohl formell mängelfrei - sachlich unrichtig sind. Zutreffend verweist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid daher darauf, dass nach § 163 BAO (Bücher und) Aufzeichnungen die den Formvorschriften des § 131 entsprechen, nur dann der Abgabenerhebung zu Grunde zu legen sind, wenn kein begründeter Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Wenn ein solcher Anlass, wie er im Beschwerdefall von der belangten Behörde (schon anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung und in der Folge im Berufungsverfahren) zweifellos zum Ausdruck gebracht worden war, besteht, ist die Behörde nach § 138 Abs 2 BAO durchaus berechtigt, die Aufklärung der Zweifel allenfalls durch Vorlage weiterer Geschäftspapiere, von deren Existenz sie Kenntnis hat, zu verlangen, auch wenn der Abgabepflichtige diese nur freiwillig und nicht in Erfüllung einer abgabenrechtlichen oder sich aus § 131 BAO ergebenden Verpflichtung führt. Verweigert der Abgabepflichtige die Einsichtnahme in diese Unterlagen, so ist die Behörde gemäß § 184 Abs 2 BAO zur Schätzung berechtigt.

Es ist daher im Beschwerdefall, in welcher der Beschwerdeführer die Einsichtnahme in entsprechende Unterlagen verweigert hat, die Schätzungsberechtigung gegeben, zumal der Beschwerdeführer weder aufgezeigt hat und unter den gegebenen Umständen auch nicht zu erkennen ist, dass die Zweifel der belangten Behörde an der sachlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen des Beschwerdeführers tatsächlich unberechtigt waren. Insbesondere widerspricht die Beurteilung der belangten Behörde, dass bei geleisteten Anzahlungen abschließende (in aller Regel mit Restzahlungen verbundene) Abrechnungen zu erfolgen haben, in keiner Weise den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung.

b) Der Rüge des Beschwerdeführers, wonach der Ansatz eines Sicherheitszuschlages im Beschwerdefall reinen Pönalcharakter habe, kann im Hinblick auf die unter den gegebenen Umständen aufgezeigte Schätzungsberechtigung ebenso wenig gefolgt werden wie seiner in der Beschwerde vertretenen Ansicht, dass die Behörde sich dabei ein Verfahren gemäß § 111 BAO habe ersparen wollen. Eine Verpflichtung zur Festsetzung (nach erfolgloser Androhung) einer Zwangsstrafe vor allenfalls erfolgender Schätzung ist im Gesetz nicht vorgesehen. § 111 BAO berechtigt die Abgabenbehörde lediglich zu einer entsprechenden Vorgangsweise (vgl. das bereits im angefochtenen Bescheid zitierte hg. Erkenntnis vom 3. März 1987, 86/14/0130). Inwiefern das in diesem Zusammenhang in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis "85/13/0195" die Unrichtigkeit der rechtlichen Einschätzung der belangten Behörde bestätigen soll, ist nicht erkennbar, weil dieses Erkenntnis eine Zwangsstrafe nicht behandelt.

c) Schreibbüro:

Der in der Beschwerde angeführte Umstand, dass der Beschwerdeführer über keine Pflichtversicherung für den Fall der Krankheit und des Unfalls verfüge, ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der im Übrigen schon in der Berufung als richtig zugestandenen Beurteilung darzutun, dass hinsichtlich der Tätigkeit aus dem Betrieb des Schreibbüros weder objektiv die Möglichkeit noch subjektiv die Absicht bestehe, in einem überschaubaren Zeitraum einen Gesamtgewinn zu erwirtschaften. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde der Tätigkeit des Beschwerdeführers beim Betrieb des Schreibbüros die Eigenschaft einer steuerlich relevanten Einkunftsquelle versagt hat. Soweit der Beschwerdeführer meint, die Versicherungsbeiträge seien zumindest als Sonderausgaben zu berücksichtigen, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Berücksichtigung im angefochtenen Bescheid ohnedies erfolgte.

d) Verwaltungsstrafen:

Der in der Beschwerde angeführte Umstand, dass es sich bei den insoferne im angefochtenen Bescheid nicht anerkannten Ausgaben durchwegs um Geldstrafen aus Parkvergehen handle, Parkvergehen aber solche seien, die im üblichen Geschäftsleben nahezu notwendig vorkommen und häufig einfach unvermeidlich seien, zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deswegen nicht auf, weil der Zusammenhang mit dem Betrieb des Beschwerdeführers nicht dargetan wurde. Dies wäre erforderlich gewesen, weil Parkvergehen nicht nur im "üblichen Geschäftsleben" sondern auch im Privatleben vorkommen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 96/14/0022).

e) Pauschalbeträge an durchlaufenden Posten gemäß § 4 Abs 4 UStG:

Hinsichtlich dieser erstmals in der Berufung für die Streitjahre geltend gemachten Pauschalbeträge hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer die durchlaufenden Posten in ihrer tatsächlichen Höhe ermittelt habe. Der Beschwerdeführer tritt dem nicht entgegen. Die zusätzliche Anerkennung des Pauschales kommt daher nicht in Betracht (vgl. neben dem schon im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Erkenntnis vom 15. März 1995, 95/13/0012, das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 1996, 92/13/0217).

f) Abzugsverbot für Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Betrieb des Personenkraftwagens: Hinsichtlich dieses Punktes vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, dass die Verweigerung des Abzuges von Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Betrieb von Personenkraftwagen seit der österreichischen EU-Mitgliedschaft unzulässig sei.

Mit dieser Argumentation zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht auf, weil Österreich erst seit dem Jahr 1995 Mitglied der EU ist, die Abzugsfähigkeit der entsprechenden Vorsteuern aber die Streitjahre 1989 bis 1991 betrifft.

Auch mit der im Rahmen der Beschwerdepunkte behaupteten, aber in keiner Weise begründeten Rechtsverletzung, "dass nicht 1991 IRL 1990 gegen IFB erfolgswirksam aufgelöst wird", zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 27. November 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte