VwGH 97/12/0380

VwGH97/12/038025.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der E in H, vertreten durch Dr. Georg Bruckmüller, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 56, gegen den Bescheid des Aufsichtsrates der OÖ Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge vom 20. Oktober 1997 (ohne Zahl), betreffend den Entzug einer Versehrtenrente, zu Recht erkannt:

Normen

LKUFG OÖ 1983 §25 Abs1;
LKUFG OÖ 1983 §25 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1930 geborene Beschwerdeführerin steht als Volksschuloberlehrerin i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Oberösterreich.

Mit Bescheid des Verwaltungsrates der OÖ Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge (in der Folge kurz: LKUF) vom 19. März 1986 wurde ein Unfall, den die Beschwerdeführerin am 24. Mai 1984 (im aktiven Dienst) erlitten hatte, als Dienstunfall anerkannt und es wurden ihr für die Folgen dieses Unfalles eine vorläufige Rente im Ausmaß von 25 % der Vollrente bis Mai 1987 gewährt. Mit weiterem Bescheid des Verwaltungsrates der LKUF vom 30. Juli 1987 wurde die mit dem Bescheid vom 19. März 1986 gewährte vorläufige Versehrtenrente mit Wirkung vom 1. Juni 1987 als Dauerrente im Ausmaß von 20 % der Vollrente festgestellt. In der Begründung heißt es, nach der am 19. Mai 1987 vorgenommenen Nachuntersuchung bestehe als Folge nach dem Dienstunfall vom 24. Mai 1984 noch immer eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule in allen Bewegungsrichtungen, wobei die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin noch in einem Ausmaß von 20 % gemindert sei.

In weiterer Folge kam es im Jahr 1997 zu einer Nachuntersuchung der Beschwerdeführerin. Der Gutachter Dr. G. kam in seinem Gutachten vom 20. März 1997 zur Beurteilung, als Folgen des Unfalles vom 24. Mai 1984 seien subjektive, glaubhafte Beschwerden und eine schmerzhafte Beweglichkeit der Wirbelsäule verblieben, weiters ein Dauerschaden in mäßiger Form. Der Gutachter schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit 10 % ein. In einer Eingabe vom 5. April 1997 bezog die Beschwerdeführerin Stellung gegen das Gutachten.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Verwaltungsrates vom 17. April 1997 wurde die der Beschwerdeführerin für die Folgen des Dienstunfalles vom 24. Mai 1984 bislang gewährte Versehrtenrente ab 1. Mai 1997, gestützt auf § 25 Abs. 1 des Gesetzes über die OÖ Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge (OÖ LKUFG) entzogen, was im wesentlichen ohne Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das Gutachten vom 20. März 1997 begründet wurde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie weiterhin das Gutachten vom 20. März 1997 bekämpfte. In den Verwaltungsakten befindet sich eine "Stellungnahme nach Aktenlage vom Vertrauensarzt Dr. Koller" (Bezeichnung laut Aktenübersicht; diese Stellungnahme wurde offenbar von der Behörde eingeholt; Hinweise, daß es vor Erlassung des Berufungsbescheides der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht wurde, sind den Akten nicht zu entnehmen).

Mit Erledigung vom 15. Juli 1997 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin die zur Zl. 97/12/0280 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die mit Beschluß vom 17. September 1997 zurückgewiesen wurde, weil die Erledigung mangels gesetzmäßiger Fertigung nicht als Bescheid zu qualifizieren war. Das Nähere ist diesem Beschluß zu entnehmen.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid (dessen Inhalt der Erledigung vom 15. Juli 1997 entspricht) hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Begründend wurde nach zusammengefaßter Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, aufgrund der am 20. März 1997 vom Sachverständigen Dr. G. vorgenommenen Nachuntersuchung bestünden als Unfallfolgen nach dem Dienstunfall vom 24. Mai 1984 subjektiv glaubhafte Beschwerden sowie eine schmerzhafte Beweglichkeit der Wirbelsäule, wobei die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 10 % festzusetzen sei. Dieses Gutachten sei der Beschwerdeführerin am 1. April 1997 zur Kenntnis gebracht worden. Aufgrund ihrer Berufung seien "die gesamten Unterlagen" dem Vertrauensarzt der belangten Behörde Dr. K. zur Stellungnahme aufgrund der Aktenlage vorgelegt worden. Er habe festgestellt: Wie sich aus den "diversen Gutachten" ergebe, seien die Beschwerden als Folge des Unfalles zwar deutlich besser gewesen (Hinweis auf ein Gutachten vom 30. Mai 1985), jedoch bestünden noch Beschwerden bei längerem Sitzen und Stehen. Ab etwa 1992 (Hinweis auf ein Gutachten) hätten die Beschwerden zugenommen, aber es hätten sich keine röntgenologischen Veränderungen der Frakturstelle gegenüber dem Jahr 1987 ergeben. Die Patientin sei somit nach dem Dienstunfall nie beschwerdefrei in bezug auf physiologische Beanspruchung gewesen, wenngleich sich die Schmerzen deutlich gebessert hätten. Die neuerliche Zunahme der Beschwerden sei durch die zunehmende Osteoporose in einem Ausmaß von mindestens 50 % erklärbar. Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin sei gerade in einem näher bezeichneten Befund die Osteoporose beschrieben, das Wort Osteoporose werde allerdings nicht erwähnt. Die Zunahmen der Beschwerden stehe also logischerweise zu maximal 50 % im Zusammenhang mit dem Dienstunfall. Zusammenfassend könne festgehalten werden, daß "ein Restzustand von Beschwerden nach dem Dienstunfall bei normaler Belastung gegeben sind". Ca. 1 Jahr nach dem Unfall hätten sich die Beschwerden gebessert, um dann wieder zuzunehmen. Diese Zunahme sei zu etwa 50 % auf die Osteoporose zurückzuführen und sei nicht Folge des Dienstunfalles. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei somit mit 15 % "festzusetzen".

Die Berufungsbehörde, so heißt es im angefochtenen Bescheid weiter, erachte das Gutachten Dris. G. sowie die Stellungnahme aufgrund der Aktenlage durch Dr. K. als "entsprechend schlüssig". Es ergäbe sich damit zweifelsfrei, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 15 % zu beziffern sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Über Aufforderung hat die belangte Behörde die in der Zeitschrift "Vita bene", Heft 1/Jänner 1997 kundgemachte Satzung der LKUF vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Gesetz über die OÖ. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge, LGBl. Nr. 66/1983 (Wiederverlautbarung), anzuwenden. Nach § 13 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. haben die Mitglieder der LKUF (zu denen unbestritten die Beschwerdeführerin zählt) im Falle einer durch einen Dienstunfall verursachten körperlichen Schädigung Anspruch auf Versehrtenrente. Nach Abs. 6 dieses Paragraphen (in der Fassung LGBl. Nr. 79/1989) sind die näheren Bestimmungen über die der Art und dem Grad von Schädigungen jeweils entsprechenden Leistungen nach Abs. 1 bis 5 entsprechend den jeweiligen Anforderungen einer ausreichenden Unfallfürsorge durch die Satzung festzulegen (...).

Nach Punkt 145 der Satzung besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Lehrers durch die Folgen eines Dienstunfalles länger als drei Monate ab dem Unfallereignis um mindestens 20 % vermindert ist.

§ 24 Abs. 1 lautet (der 2. Satz in der Fassung LGBl. Nr. 79/1989):

"§ 24

Neufestsetzung von Renten aus der Unfallfürsorge

(1) Bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung einer Rente maßgebend waren, ist die Rente auf Antrag oder von Amts wegen neu festzusetzen. Als wesentlich gilt eine Änderung der Verhältnisse nur, wenn durch sie die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch mehr als drei Monate um mindestens 10 v.H. geändert wird, durch die Änderung ein Rentenanspruch entsteht oder wegfällt oder die Schwerversehrtheit entsteht oder wegfällt."

§ 25 Abs. 1 lautet auszugweise:

"§ 25

Entziehung von Leistungen aus der Unfallfürsorge

(1) Sind die Voraussetzungen des Anspruches auf eine wiederkehrende Leistung aus der Unfallfürsorge nicht mehr vorhanden, so ist die Leistung zu entziehen, sofern nicht der Anspruch gemäß § 27 ohne weiteres Verfahren erlischt."

§ 27 regelt die Fälle des Erlöschens von Leistungsansprüchen aus der Unfallfürsorge; ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Gemäß § 39 Abs. 1 leg. cit. (in der Fassung BGBl. Nr. 47/1992) ist auf das behördliche Verfahren vor dem Verwaltungsrat und dem Aufsichtsrat, von im Beschwerdefall nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, das DVG anzuwenden.

In Punkt 127 der Satzung heißt es: "Sind die Voraussetzungen des Anspruches auf eine wiederkehrende Leistung nicht mehr vorhanden, so ist diese zu entziehen" (Hinweis auf § 25 Abs. 1 OÖ LKUFG).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Entziehung der ihr gewährten Versehrtenrente sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die belangte Behörde eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse seit der Gewährung dieser Rente gar nicht festgestellt habe. Dem erwidert die belangte Behörde in der Gegenschrift, die Einstellung der Versehrtenrente sei gemäß § 25 (Abs. 1) OÖ LKUFG in Verbindung mit den Punkten 145 und 127 der Satzung erfolgt. Es bedürfe "sohin keiner wesentlichen Änderung der Verhältnisse, wie dies etwa nach § 24 Abs. 1 OÖ LKUFG gefordert wird".

Dieser Auffassung der belangten Behörde ist nicht beizutreten: Die Worte "nicht mehr" in § 25 Abs. 1 OÖ LKUFG (und im übrigen auch in Punkt 127 der Satzung) besagen nämlich, daß die Voraussetzungen vorher vorhanden waren, also eine wesentliche entscheidende Änderung eingetreten sein muß, um die Rente entziehen zu können. Es muß sich um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse handeln, also um eine wesentliche Besserung im Leidenszustand gegenüber dem Zeitpunkt der letzten Entscheidung über den Rentenanspruch. Eine allfällige abweichende ärztliche Beurteilung bei gleichgebliebenen tatsächlichen Verhältnissen stellt keine wesentliche Änderung der Verhältnisse in diesem Sinne dar (siehe dazu Teschner/Widlar, ASVG-Loseblattausgabe, Anmerkung 1b zur gleichgelagerten Bestimmung des § 99 ASVG; ebenso Schrammel in Tomandl (Herausgeber), System des Österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 2.1.6. Im Beschwerdefall ist nicht zu prüfen, was für den Fall rechtens wäre, daß die Voraussetzungen von Anfang an nicht gegeben gewesen wären, weil unstrittig ist, daß die Rente der Beschwerdeführerin zu Recht gewährt wurde).

Weder dem Gutachten Dris. G. vom 20. März 1997, noch der von der belangten Behörde eingeholten "Stellungnahme" ihres "Vertrauensarztes" Dris. K. sind klare Feststellungen hinsichtlich einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im zuvor umschriebenen Sinn zu entnehmen, sodaß weder das Gutachten noch diese Stellungnahme eine ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellte. (Im übrigen war es, wie die Beschwerdeführerin zutreffend hervorhebt, rechtswidrig, zu entscheiden, ohne zuvor diese "Stellungnahme" - der ja nach der Bescheidbegründung wesentliche Bedeutung zukommt - der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen; zu den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten ganz allgemein siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0307, unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage ihre

Entscheidung auf unzureichende Grundlagen gestützt hat,

belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher

Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG

aufzuheben war. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die

weiteren Ausführungen in der Beschwerde; soweit die

Beschwerdeführerin darin aber die Auffassung vertritt, als

wesentlich könne eine Änderung der Verhältnisse "ohnehin nur

dann angesehen werden, wenn sich die Erwerbsfähigkeit von

mindestens 10 % ändert", ist dies in dieser Form im Hinblick

auf § 24 Abs. 1 zweiter Satz OÖ LKUFG (arg "... ein

Rentenanspruch ... wegfällt") unzutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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