Normen
AHG 1949 §1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
DGO Graz 1957 §2 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §43 Abs1;
DGO Graz 1957 §47 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §49 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §50;
DGO Graz 1957 §52 Abs3 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §52 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §52a;
DVG 1984 §2 Abs1;
AHG 1949 §1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
DGO Graz 1957 §2 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §43 Abs1;
DGO Graz 1957 §47 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §49 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §50;
DGO Graz 1957 §52 Abs3 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §52 idF 1996/046;
DGO Graz 1957 §52a;
DVG 1984 §2 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der 1945 geborene Beschwerdeführer steht als Senatsrat in Ruhe seit 1. Jänner 1997 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt Graz. Er war zuletzt Abteilungsleiter.
Mit Schreiben vom 16. April 1996 ersuchte der Beschwerdeführer um seine Versetzung in den dauernden Ruhestand, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, seinen dienstlichen Verpflichtungen nachzukommen. Dem Antrag waren zwei ärztliche Gutachten (ein Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und ein Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin) angeschlossen.
Am 30. Mai 1996 legte der Beschwerdeführer den "Befundbericht" eines Facharztes für Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie vor.
Der mit Schreiben des Personalamtes vom 4. Juni 1996 im Auftrag der Dienstbehörde 1. Instanz (Stadtsenat) um ein Gutachten ersuchte Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. L stellte nach der am 19. Juni 1996 durchgeführten Untersuchung in seinem "neuropsychiatrischen Gutachten" vom 26. Juni 1996 (bei der Behörde am 3. Juli 1996 eingelangt) beim Beschwerdeführer im Wesentlichen eine neurotische Persönlichkeitsstörung mit psychogenen Mechanismen und funktionellen Beschwerden fest. Es lägen ein neurotisch depressives Zustandsbild mit massiver Somatisierungstendenz, Spannungskopfschmerzen mit zeitweise migräneartigen Kopfschmerzen sowie ein seit Jahren bekannter Medikamentenabusus (Analgetika- und Tranquilizerabusus) vor. Im Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ließen sich beginnende sensitive Züge nachweisen; psychosewertige Symptome insgesamt seien jedoch nicht feststellbar. Im "spezifischen Arbeitsmilieu" sei der Beschwerdeführer auf Grund massiver Abwehrvorgänge und zu erwartender psychogener Mechanismen, die eventuell Psychosewert erreichen könnten, nicht mehr einsetzbar. Ähnliche oder gleichwertige Tätigkeiten wie die, die er bisher geleistet habe, wären in anderen Abteilungen bzw in einem anderen Berufsmilieu noch denkbar. Auf Grund der Persönlichkeitsstörung und den damit verbundenen Einschränkungen (funktionelle Beschwerden, psychosomatische Beschwerden, Migräne) sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 30 Prozent anzunehmen.
Mit Schreiben vom 22. August 1996 wurde dem Beschwerdeführer zu diesem Gutachten Dris L Parteiengehör gewährt.
In seiner Stellungnahme vom 9. September 1996 führte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein weiteres Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 27. August 1996 im Wesentlichen aus, sein derzeitiger depressiv-phobischer Zustand sei derart, dass ihm eine weitere Berufstätigkeit, die sein Krankheitsbild wesentlich verschlimmern würde, nicht zugemutet werden könne.
Mit Schreiben vom 22. November 1996 legte der Beschwerdeführer weitere Befunde, darunter auch das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. H vom 11. November 1996, vor, in dem dieser feststellte, im Vergleich zum Gutachten Dris L sei es zu einer weiter gehenden Fixierung der neurotischen Fehlhaltung gekommen, wobei ein Dauerzustand eingetreten sei.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 versetzte der Stadtsenat den Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 1 und 2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Landeshauptstadt Graz (im Folgenden kurz DO Graz) über sein Ersuchen mit Ablauf des 31. Dezember 1996 in den Ruhestand.. Dieser Bescheid enthält ferner folgende Feststellungen:
"Gemäß § 64 Abs. 1 des bezogenen Gesetzes steht der Anspruch auf Ruhegenuss ab 1.1.1997 zu. Der Bemessung des Ruhegenusses werden folgende Dienstzeiten zugrundegelegt:
Für den Ruhegenuss anrechenbare Dienstzeiten gemäß den Übergangsbestimmungen des § 146 Abs. 3 DO:
(es folgen verschiedene Angaben)
das sind 27 Jahre und 2 Monate
Das Ausmaß des Ruhegenusses beträgt daher 92,92 % der Ruhegenussbemessungsgrundlage.
Gemäß § 49 Abs. 3 DO verkürzt sich das Prozentausmass der Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 v.H. für jedes Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem letzten Tag des Monats liegt, in dem der Beamte sein 60.Lebensjahr vollenden wird, um 0,1667 Prozentpunkte.
Die Ruhegenussbemessungsgrundlage beträgt daher 62,66 v.H. der für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbaren Bezüge.
Für den Ruhegenuss anrechenbare Bezüge gemäß § 49 Abs. 1 und 3 des zit.Gesetzes:
(es folgen verschiedene Bezugsbestandteile auf Grund der besoldungsrechtlichen Stellung des Beschwerdeführers, von deren Summe die Ruhegenussbemessungsgrundlage im Ausmass von 62,66 v.H und davon in der Höhe von 92,92 das Pensionsausmass rechnerisch ermittelt werden)
Der Ruhegenuss beträgt demnach vorschussweise S .... (es folgt die vorher berechnete Zahl, die auch in Worten umschrieben wird) und ist monatlich im Vorhinein fällig.
Hiezu kommt eine allfällige Kinderzulage gemäß § 75 leg. cit. zuzüglich 7,143 v.H. der Kinderzulage als Ergänzungszulage auf die allgemeine Dienstzulage gemäß § 142 Abs. 2 des zit. Gesetzes.
Über die Bemessung bzw Zuerkennung einer allfälligen Ruhegenusszulage gemäß § 52 a leg. cit. wird gesondert entschieden."
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung richtet sich ausdrücklich nur gegen die Bemessung des Ruhegenusses; die Ruhestandsversetzung selbst blieb unbekämpft.
Der Beschwerdeführer brachte darin im Wesentlichen vor, dass
a) § 49 Abs. 3 DO Graz (Kürzungsregelung bei Ruhestandsversetzungen vor Vollendung des 60. Lebensjahres) zu Unrecht und b) § 52 Abs. 3 leg. cit (Zurechnung von Jahren) zu Unrecht nicht angewendet worden sei.
Zu a) machte der Beschwerdeführer geltend, § 49 Abs 3 DO Graz sei durch die Novelle LGBl. Nr.46/1996 mit Wirkung vom 1. Juli 1996 eingefügt worden. Er sei bereits spätestens im Zeitpunkt seines Antrages vom 16. April 1996 so krank gewesen, dass er seinen dienstlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen habe können. Offenbar in Kenntnis der bevorstehenden Gesetzesänderung habe das Personalamt die Behandlung seines Antrages bewusst verschleppt (wird näher ausgeführt). Er sei durch die verspätete Erledigung seiner Ruhestandsversetzung ungerechtfertigt schlechtergestellt worden. Dies könne nur dadurch behoben werden, dass er so gestellt werde wie wenn sein Pensionsansuchen zügig vor dem 1.Juli 1996 erledigt worden wäre. Außerdem sei es durch die erst am 10.Juli 1996 erfolgte Kundmachung dieser Novelle zu einem rückwirkenden Inkrafttreten gekommen; dies hätte einer Verfassungsregelung bedurft. Es sei ferner unsachlich, dass der Gesetzgeber als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Altrechtes bzw der neuen Rechtslage den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand gewählt habe. Sachlich gerechtfertigte Anknüpfungspunkte könnten nur entweder der Zeitpunkt sein, zu dem die Voraussetzungen für die Versetzung in den Ruhestand tatsächlich eingetreten seien oder der Zeitpunkt der gerechtfertigten Antragstellung. Außerdem sei die Kürzung im Beschwerdefall deshalb nicht gerechtfertigt, weil es sich bei seiner Erkrankung um eine Berufskrankheit handle und ihm eine Versehrtenrente gebühre (§ 49 Abs. 4 lit b DO Graz).
Zu b) brachte der Beschwerdeführer vor, § 52 Abs. 3 DO Graz sei eine Ermessensbestimmung. Das Ermessen müsse jedoch pflichtgemäß ausgeübt werden. Dem Bescheid der Behörde 1. Instanz lasse sich nicht entnehmen, warum diese Bestimmung, deren Voraussetzungen er erfülle, nicht angewendet worden sei.
Es hätten also die Ruhegenussbemessungsgrundlage mit 80 v.H. und das Pensionsausmaß mit 100 v.H. festgesetzt werden müssen.
Mit seiner Eingabe vom 12. Mai 1997 legte der Beschwerdeführer den Bescheid des Bundessozialamtes Steiermark vom 21. April 1997 vor, in dem seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter mit der Behinderung von 60 v.H. ab 12. November 1996 festgestellt wurde. Daraus leitete er ab, dass ihm eine Versehrtenrente gebühren würde (Entfall der Kürzung nach § 49 Abs. 4 lit b DO Graz) und die Zurechnung nach § 52 Abs. 3 leg. cit geboten sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Juli 1997 wies die belangte Behörde die Berufung, soweit die Nichtanwendung des § 52 Abs. 3 DO Graz geltend gemacht wurde, zurück, im Übrigen ab.
Zum Vorbringen der ungerechtfertigten Anwendung der Kürzungsbestimmung nach § 49 Abs. 3 DO Graz führte die belangte Behörde aus, aus den Sachverständigen-Gutachten Dris L vom 26. Juni 1996 und Dris H vom 11. November 1996 könne eindeutig herausgelesen werden, dass beim Beschwerdeführer eine neurotische Persönlichkeitsstörung mit psychogenen Mechanismen und funktionellen Beschwerden vorliege. In weiterer Folge hätten sich Kopfschmerzen, Migräneattacken, Spannungsgefühle und Leistungsinsuffizienz eingestellt, die sich als therapieresistent erwiesen hätten. Der Beschwerdeführer stehe seit 1986 wegen Migräne, Klaustrophobie, Depression, nervösen Erschöpfungs- und Angstzuständen und Tranquilizerabhängigkeit in Behandlung. Aus psychiatrischer Sicht lasse sich feststellen, dass beim Beschwerdeführer möglicherweise vollständige Berufsunfähigkeit vorliege; es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die bei ihm festgestellten Leiden typischerweise mit der Tätigkeit eines Juristen beim Magistrat verbunden seien, weshalb sie auch keine Berufskrankheit darstellten. Was die Nichtanwendung des § 52 Abs. 3 DO Graz betreffe, wies die belangte Behörde darauf hin, dass es sich dabei um eine Ermessensbestimmung handle. Daraus könne keine Verpflichtung, und somit ein "Muss" der Ausübung abgeleitet werden. Außerdem habe die Berufungsbehörde " in der Sache", dh über jene Angelegenheit, die Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides gewesen sei, zu entscheiden. Eine Anwendung des § 52 Abs. 3 DO Graz sei dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nicht zu entnehmen weshalb die Zurechnung von Jahren gar nicht Gegenstand des, Verfahrens sei. Die Berufung sei daher diesbezüglich zurückzuweisen gewesen. Soweit die Berufung die Frage aufwerfe, welche Rechtslage anzuwenden sei, sei dies dahin zu beantworten, dass die Rechtslage im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung maßgebend sei. Somit sei die Anwendung des § 49 Abs. 3 DO Graz korrekt erfolgt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer gleichzeitig Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und beim Verwaltungsgerichtshof.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde, in der der Beschwerdeführer unter anderem die Verfassungsmäßigkeit des § 52 Abs. 3 DO Graz (insbesondere kein hinreichend determiniertes Ermessen) und der Übergangsbestimmung des Art II der Novelle LGBl. Nr. 46/1996 (Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz wegen verfehlter Anknüpfung am Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung) in Zweifel gezogen hatte, mit Beschluss vom 1. Dezember 1998, B 2125/97, ab.
In seiner Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung erwogen:
I. Rechtslage
Paragraphenzitate ohne Gesetzesangabe beziehen sich in der Folge auf die DO Graz, LGBl. Nr. 30/1957.
Die Novelle LGBl. Nr. 46/1996 schaffte die bis dahin geltende Unterscheidung zwischen der Versetzung in den zeitlichen und in den dauernden Ruhestand ab. Das Gesetz kennt seit dieser Novelle nur mehr die Versetzung in den Ruhestand.
Gemäss § 44 lit. c in der Fassung der Novelle
LGBl. Nr. 46/1996 verfügt der Stadtsenat die Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen oder auf Antrag bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 47.
§ 47 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 46/1996 regelt die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.
Dem § 49 wurden durch die Novelle LGBl. Nr. 46/1996 folgende Absätze 3 bis 5 angefügt:
"(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monats liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 v.H. um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.
(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt
- a) im Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Beamten,
- b) wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente gebührt.
(5) Die Ruhegenussbemessungsgrundlage darf 62 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges nicht unterschreiten."
Gemäß ihrem Art III ist die Novelle, LGBl. Nr. 46/1996, am 1. Juli 1996 in Kraft getreten. Das 16. Stück des Landesgesetzblattes, das die Nummer 46 enthält, wurde am 10. Juli 1996 ausgegeben und versendet. Die Novelle selbst wurde am 11. Juni 1996 im Landtag beschlossen.
Art II der Novelle LGBl. Nr. 46/1996 lautet:
"Übergangsbestimmung
(1) Für sämtliche Bedienstete, die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in den zeitlichen Ruhestand versetzt wurden, gelten für die Dauer des zeitlichen Ruhestandes die Bestimmungen der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, in der Fassung LGBl. Nr. 13/1996.
(2) Wird ein Bediensteter, der sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes im zeitlichen Ruhestand befindet, nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in den dauernden Ruhestand versetzt, so gilt dieser dauernde Ruhestand als Ruhestand gemäß der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, in der Fassung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. In diesem Fall erfolgt die Festsetzung des Ruhegenusses zum Zeitpunkt der Versetzung in den dauernden Ruhestand gemäß § 49 und § 50 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, in der Fassung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes.
(3) Für Bedienstete, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens im dauernden Ruhestand befinden, gilt dieser als Ruhestand nach der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, in der Fassung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes."
Nach § 49 Abs. 2 beträgt die Ruhegenussbemessungsgrundlage 80 v.H. der für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbaren Bezüge.
Im Beschwerdefall ist gemäß § 146 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 13/1996 ua § 50 Abs. 1 und 2 in der Fassung vor dieser Novelle anzuwenden.
Nach § 50 Abs. 1 beträgt der Ruhegenuss nach einer für die Ruhegenussbemessung anrechenbaren Dienstzeit von 10 Jahren 50 v.H. der Ruhegenussbemessungsgrundlage und steigt für Beamte, die einen Ruhegenuss im Ausmass der vollen Ruhegenussbemessungsgrundlage
- a) nach 30 Dienstjahren erreichen, jährlich um 2,5 v.H.,
- b) nach 32 1/2 Dienstjahren erreichen, jährlich um 2, 22 v.H.,
- c) nach 35 Dienstjahren erreichen, jährlich um 2 v.H.
§ 52 regelt Ansprüche bei Versetzung in den Ruhestand und bei Auflösung des Dienstverhältnisses in besonderen Fällen. Nach dessen Abs. 2 erfolgt eine Zurechnung von 10 Jahren bei einem Beamten, der ohne sein vorsätzliches Verschulden infolge Erblindung oder praktische Blindheit, Geistesstörung oder eines in Ausübung seines Dienstes erlittenen Unfalles dauernd dienst- und zu einem zumutbaren Erwerb unfähig wird oder durch Ausübung seines Dienstes erkrankt und dadurch oder durch eine Berufskrankheit dauernd dienst- und zu einem zumutbaren Erwerb unfähig wird.
Abs. 3 des § 52 hat folgenden Wortlaut:
"Wird ein Beamter infolge einer anderen als im Abs. 2 angeführten schweren, unheilbaren Krankheit, die er sich ohne sein vorsätzliches Verschulden zugezogen hat, dauernd dienst- und zu einem zumutbaren Erwerb unfähig, so kann ihm zu seiner anrechenbaren Dienstzeit ein Zeitraum bis zu 10 Jahren für die Ruhegenussbemessung zugerechnet werden."
II. Beschwerdeausführungen
1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf (ungekürzte) Pension nach der DO Graz in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 46/1996 sowie in seinem Recht auf meritorische Erledigung seiner Berufung hinsichtlich des § 52 Abs. 3 und in seinem Recht auf Anrechnung von Jahren nach dieser Bestimmung verletzt.
2.1. In Ausführung des ersten Beschwerdepunktes wiederholt der Beschwerdeführer seine bereits im Verwaltungsverfahren gegen die "Übergangsbestimmungen" der Novelle LGBl. Nr. 46/1996 gerichteten verfassungsrechtlichen Bedenken (Gleichheitswidrigkeit der Maßgeblichkeit der Ruhestandsversetzung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle am 1. Juli 1996 für die Anwendbarkeit des Altrechts) und regt deren Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof an.
2.2. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art II der genannten Novelle nicht als Sitz der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfassungswidrigkeit angesehen werden kann, weil er nach Abschaffung der Unterscheidung zwischen Versetzung in den zeitlichen und in den dauernden Ruhestand primär das weitere "dienstrechtliche Schicksal" jener Beamten des Ruhestandes regelt, die nach Altrecht in den zeitlichen bzw. dauernden Ruhestand versetzt wurden. Die Anwendbarkeit des § 49 Abs. 3 bis 5 auf Beamte, die sich ab 1. Juli 1996 (Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle nach ihrem Art III) im Ruhestand befinden, ergibt sich nämlich daraus, dass ein Beamter mit seiner Ruhestandsversetzung Anspruch auf Ruhegenuss erwirbt und für dessen Bemessung - mangels einer ausdrücklich anders lautenden Regelung im Gesetz - die Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens dieses Anspruches maßgebend ist. Aus der Sicht des Beschwerdeführers wäre also der Gesetzgeber verpflichtet gewesen, in einer Übergangsbestimmung zu § 49 Abs. 3 bis 5 bestimmte Übergangsfälle von der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auszunehmen.
Im Hinblick auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1998 sieht sich der Verwaltungsgerichtshof unter dem Blickwinkel des Beschwerdefalles nicht zu einer Anfechtung nach Art 140 Abs. 1 B-VG veranlasst.
Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe sein Ruhestandsversetzungsverfahren verzögert, um auf diese Weise die Kürzungsregeln bei seiner Ruhegenussbemessung anwenden zu können, führt - selbst wenn er zutreffen sollte - nicht zur Rechtswidrigkeit der von ihm bekämpften Ruhegenussbemessung. Er könnte allenfalls in einem Amtshaftungsverfahren geltend gemacht werden und wäre dann in diesem Verfahren näher zu prüfen.
3.1. In Ausführung des zweiten Beschwerdpunktes macht der Beschwerdeführer geltend, seine Berufung hätte, soweit er darin die Unterlassung der Anwendung des § 52 Abs. 3 gerügt habe, nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden dürfen, die Zurechnung von Jahren sei nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Dienstbehörde
1. Instanz gewesen. § 52 Abs. 3 regle Ansprüche im Zusammenhang mit der Versetzung in den Ruhestand. Seine Anwendung sei nicht vom Antrag des Beamten abhängig; vielmehr habe die Behörde von sich aus diese Bestimmung bei der Ermittlung der Ruhegenussbemessungsgrundlage anzuwenden. Der Bescheid der Dienstbehörde 1. Instanz habe ausdrücklich die für den Ruhegenuss anrechenbare Dienstzeit festgelegt und in der Folge die Ruhegenussbemessungsgrundlage festgesetzt. Lediglich hinsichtlich des § 52 a sei eine Ausnahme gemacht worden. Da dieser Bescheid somit (vom Entscheidungsvorbehalt zugunsten des § 52 a abgesehen) abschließend über seinen Ruhegenuss abgesprochen habe, hätte er in der Berufung alle zu seinen Gunsten sprechende Umstände vorbringen können. Die belangte Behörde wäre daher zu einer Sachentscheidung verpflichtet gewesen.
3.2. Dieses Vorbringen ist berechtigt.
Vorab ist festzuhalten, dass die Dienstbehörde 1. Instanz neben der unbekämpft gebliebenen Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers den monatlichen Ruhegenuss betragsmässig bestimmt und sich die Bemessung bzw Zuerkennung einer allfälligen Ruhegenusszulage gemäß § 52 a vorbehalten hat. Ungeachtet der in diesem Bescheid nicht vorgenommenen Unterscheidung in Spruch und Begründung, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass nur das oben Genannte Gegenstand der normativen Entscheidung (Spruch) ist, während die für die Bemessung des Ruhegenusses maßgebenden Faktoren (anrechenbare Dienstzeiten, Ruhegenussbemessungsgrundlage, anrechenbare Bezüge) Teil der Begründung sind, aus der sich nachvollziehbar ergibt, wie es zur Berechnung des Ruhegenusses gekommen ist. Nur eine solche Vorgangsweise entspricht dem Gesetz; der Bescheid der Dienstbehörde 1. Instanz lässt in dieser Hinsicht eine gesetzeskonforme Auslegung zu.
Der Verwaltungsgerichtshof geht ferner in Übereinstimmung mit den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass die belangte Behörde die ausschließlich gegen die Ruhegenussbemessung gerichtete Berufung insoweit zurückgewiesen hat, als der Beschwerdeführer darin die Nichtanwendung des § 52 Abs. 3 gerügt hatte. Dies ergibt sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der ihn tragenden Begründung, dass die Behörde 1. Instanz darüber nicht abgesprochen habe. Den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides über den Ermessenscharakter einer Entscheidung nach § 52 Abs. 3 kommt vor dem Hintergrund des insoweit klar und unmissverständlich auf Zurückweisung lautenden Spruches nicht die Bedeutung einer möglichen Begründung für eine negative Sachentscheidung (Abweisung, weil der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Zurechnung von Jahren nach dieser Bestimmung habe) zu.
Strittig kann daher in diesem Zusammenhang nur die Frage sein, ob die Zurückweisung bezüglich der Zurechnung von Jahren durch die belangte Behörde zu Recht erfolgte oder nicht. Hingegen ist die Frage, wie im Falle einer Sachentscheidung nach § 52 Abs. 3 vorzugehen ist, hier nicht zu klären. Deshalb ist auf das in Ausführung des 3. Beschwerdepunktes Vorgebrachte (im Wesentlichen Begründungspflicht bei Ermessensübung) nicht weiter einzugehen. Das gilt auch für die Anregung, § 52 Abs. 3 beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, weil diese Bestimmung bei der Zurückweisung des diesbezüglichen Berufungsbegehrens im angefochtenen Bescheid gar nicht angewendet wurde.
Mit seiner Versetzung in den Ruhestand erwirbt der Beamte, wenn er eine bestimmte Dienstzeit aufweist (vgl dazu näher § 43 Abs. 1), einen Anspruch auf Ruhegenuss. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich der DO Graz kein hinreichender Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung des Ruhegenusses gleichsam zwei von einander unabhängige Verfahren vorsieht, die allenfalls miteinander verbunden werden können, aber nicht müssen: nämlich das "Normalverfahren" der Ruhegenussbemessung, in dem die in jedem Verfahren bedeutsamen Bemessungskriterien zu prüfen sind, und ein davon unabhängig zu führendes Verfahren in den Fällen des § 52, sodass mit dem Abschluss des "Normalverfahrens" (soweit sich aus dem Ruhegenussbemessungsbescheid infolge einer Verbindung nicht ausdrücklich anderes ergibt) keinerlei Entscheidung über die Zurechnung nach § 52 getroffen wäre. Dies ist im Ergebnis der Rechtsstandpunkt der belangten Behörde. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber nach der Systematik des Gesetzes (danach sind alle Bemessungsfaktoren von derselben Behörde von Amts wegen zu ermitteln, und zwar auch die in § 52 genannten Tatbestände) davon auszugehen, dass grundsätzlich alle für die Bemessung des Ruhegenusses relevanten Umstände in einem Verfahren zu klären sind, zumal dafür nach der DO Graz - anders als grundsätzlich im Bundesbereich (vgl. dazu § 2 Abs. 6 DVG sowie § 9 Abs. 1 PG 1965) - dieselbe Dienstbehörde zuständig ist. Zum Bemessungsverfahren gehört daher auch die Zurechnung von Jahren nach § 52 (hier: nach Abs. 3), die für eine Bemessungskomponente des Ruhegenusses von Bedeutung sein kann. Daran ändert der Umstand, dass es sich bei § 52 Abs. 3 um eine Ermessensregelung (vgl. dazu das hg Erkenntnis vom 17. Februar 1993, 92/12/0013) handelt, nichts. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist daher eine in einem Bescheid getroffene Entscheidung über die Ruhegenussbemessung als abschließende Entscheidung anzusehen, es sei denn, es würde sich aus ihr ausdrücklich etwas anderes ergeben. Dies wäre zB dann der Fall, wenn die Behörde in den Spruch einen Entscheidungsvorbehalt aufgenommen hat, der selbstverständlich auch bezüglich einer Entscheidung nach § 52 möglich ist, wenn sich zB abschätzen lässt, dass das Ermittlungsverfahren, in dem das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung zu prüfen ist, erheblich länger dauern wird als das Verfahren hinsichtlich der übrigen Bemessungskomponenten, die eine (vorläufige) Bemessung ohne Zurechnung von Jahren ermöglichen würde (Grundsatz der Verfahrenseinheit bei möglicher Trennbarkeit der einzelnen Ansprüche). Soweit sich die belangte Behörde zur Stützung ihres Standpunktes auf das hg Erkenntnis vom 6. April 1972, 280/72, beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass dieses Erkenntnis zu dem als Landesgesetz in Oberösterreich geltenden § 9 Abs. 1 PG 1965 ergangen ist, sodass schon deshalb daraus nichts für die Auslegung der DO Graz gewonnen werden kann.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann es aber keinem Zweifel unterliegen, dass im Beschwerdefall die Dienstbehörde 1. Instanz in ihrem Bescheid den Ruhegenuss des Beschwerdeführers insoweit abschließend bemessen hat, als sie lediglich einen Entscheidungsvorbehalt zugunsten einer Entscheidung nach § 52 a aufgenommen hat. Die Rechtskraft dieses Bescheides wäre daher einem späteren Verfahren nach § 52 entgegengestanden. § 52 war daher vom Verfahrensgegenstand des Bescheides der Behörde 1. Instanz erfasst; dass sich die Behörde 1. Instanz damit nicht näher auseinander gesetzt hat, macht ihre Entscheidung allenfalls rechtswidrig, berührt aber vor dem Hintergrund der hier maßgeblichen Rechtslage nicht die Frage , was Verfahrensgegenstand ihrer Entscheidung war.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat und verpflichtet gewesen wäre, hierüber eine Sachentscheidung (allenfalls durch Aufnahme eines Entscheidungsvorbehaltes) zu fällen, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betrifft die für eine nicht vorzulegende dritte Beschwerdeausfertigung entrichteten Stempelgebühren.
Wien, am 29. September 1999
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