Normen
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs3;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs3;
KFG 1967 §74 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von 20 Monaten (gerechnet ab 11. Juli 1997, sohin bis 11. März 1999) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe; die Dauer der vom Beschwerdeführer zu verbüßenden Haftstrafe von 9 Monaten sei in diese Zeit nicht einzurechnen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967 das Lenken von Motorfahrrädern bis einschließlich 11. März 1999 verboten.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Anlaß für die bekämpfte Entscheidung war ein vom Beschwerdeführer verschuldeter Verkehrsunfall vom 7. Juni 1997, bei dem die Lenkerin des entgegenkommenden Kraftfahrzeuges tödlich, ihre Beifahrerin sowie der Beschwerdeführer selbst schwer verletzt wurden. Der Beschwerdeführer wurde deshalb mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 19. August 1997 wegen der Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z. 2 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, Abs. 4 zweiter Deliktsfall (§ 81 Z. 2) StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer habe sich bei der betreffenden Fahrt in einem durch Alkohol stark beeinträchtigten Zustand (2,11 %o BAG) befunden. Weiters habe er seine Fahrgeschwindigkeit im Unfallbereich "nicht der in diesem Bereich gegebenen Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. den örtlichen Gegebenheiten angepaßt, sodaß er wegen überhöhter Geschwindigkeit die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren" habe. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers berechtige trotz seiner bisherigen Unbescholtenheit zur Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit in der angegebenen Dauer.
Der Beschwerdeführer läßt die Feststellungen über das Ausmaß seiner Alkoholbeeinträchtigung zur Tatzeit unbekämpft und wendet sich auch nicht gegen die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit an sich. Er hält aber unter Hinweis auf seine völlige Unbescholtenheit bis zum Vorfall vom 7. Juni 1997 die mit 20 Monaten bemessene Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 (unter Bedachtnahme auf die Nichteinrechnung der Haftzeit von 9 Monaten) für zu lang, sowie den Ausspruch der Entziehung nach § 73 Abs. 1 (statt nach § 74 Abs. 1) KFG 1967 für rechtswidrig. In Anbetracht des vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betonten besonderen Gewichtes der bisherigen Unbescholtenheit einer Person hätte die belangte Behörde diesem Umstand mehr Gewicht beimessen müssen und daher nur eine vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 für maximal 18 Monate aussprechen dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 9. Oktober 1985, Zl. 85/11/0152, vom 3. Dezember 1986, Zl. 86/11/0067, und vom 19. Februar 1988, Zl. 87/11/0247, in - was das Fehlen von Vorstrafen betrifft - gleichgelagerten Fällen eine Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 von zwei Jahren als zu lang befunden. Im Erkenntnis vom 25. September 1985, Zl. 83/11/0128, wurde in vergleichbarem Zusammenhang eine Zeit von 20 Monaten, im Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 90/11/0022, eine Zeit von 15 Monaten als zu lange qualifiziert, wenn bei der betreffenden Person nur ein einziges Alkoholdelikt vorlag. In diesen Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgesprochen, daß die Schwere der Unfallsfolgen im gegebenen Zusammenhang außer Betracht zu bleiben haben. Bei dieser Rechtslage wäre die hier mit 20 Monaten bemessene Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 angesichts der völligen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers auch in Verbindung mit einem bloß geringfügigen Verschulden am Verkehrsunfall als überhöht zu werten. Dafür spricht auch § 73 Abs. 3 KFG 1967 in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (8. Oktober 1997) bereits in Kraft stehenden Fassung der 19. KFG-Novelle, BGBl. I Nr. 103/1997. Nach dem ersten Satz diese Bestimmung ist im Falle der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e die im Abs. 2 angeführte Zeit, wenn (Z. 1) der Alkoholgehalt des Blutes weniger als 1,2 g/l oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,6 mg/l betragen hat und die Person bei Begehung dieser Übertretung nicht einen Verkehrsunfall verschuldet hat, mit mindestens vier Wochen, (Z. 2) der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l oder mehr aber weniger als 1,6 g/l oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr aber weniger als 0,8 mg/l betragen hat, mit mindestens drei Monaten, (Z. 3) der Alkoholgehalt des Blutes 1,6 g/l oder mehr oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,8 mg/l oder mehr betragen hat, mit mindestens vier Monaten festzusetzen. Angesichts der daraus ersichtlichen Gewichtung des Ausmaßes der Alkoholbeeinträchtigung einer Person durch den Gesetzgeber käme selbst in Anbetracht des hohen Ausmaßes der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers (2,11 %o BAG) aufgrund des Alkoholdeliktes allein zwar die Festsetzung einer längeren als der im § 73 Abs. 3 Z. 3 genannten Mindestzeit von vier Monaten in Betracht. Um die hier festgesetzte Zeit von 20 Monaten als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, bedürfte es aber eines weiteren gewichtigen Umstandes, etwa eines sonstigen schwerwiegenden Verschuldens des Beschwerdeführers. Dazu genügte nicht schon das Verschulden eines Verkehrsunfalles schlechthin, sofern dieses Verschulden für sich nicht als schwerwiegend zu werten ist.
Die belangte Behörde ist zwar in diesem Zusammenhang (im angefochtenen Bescheid) von "überhöhter", weil nicht "der in diesem Bereich gegebenen Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. den örtlichen Gegebenheiten" angepaßter Geschwindigkeit ausgegangen. In der Gegenschrift spricht sie sogar ausdrücklich von "besonders gefährlichen Verhältnissen", unter denen die Tat um 7. Juni 1997 begangen worden sei. Es ist allerdings nicht ersichtlich, worauf sich diese Annahme stützen könnte. Es fehlen Ermittlungen und darauf gestützte Feststellungen im angefochtenen Bescheid über die nach § 20 Abs. 1 StVO 1960 für die Wahl der Fahrgeschwindigkeit maßgebenden Umstände sowie über das Fahrverhalten, insbesondere die Fahrgeschwindigkeit, des Beschwerdeführers. Ohne derartige Feststellungen kann die Schwere seines sonstigen Verschuldens am gegenständlichen Unfall und damit die Frage, ob dieses Verschulden ein solches Ausmaß erreicht hat, das in Verbindung mit dem Alkoholdelikt die von der belangten Behörde angenommene Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers als nicht überhöht erscheinen ließe, nicht beurteilt werden.
Der angefochtene Bescheid ist mit Verfahrensmängeln behaftet, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Februar 1999
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