VwGH 97/10/0036

VwGH97/10/003629.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, in der Beschwerdesache des E in St. Gallenkirch, vertreten durch Dr. Anton Dierigl, Rechtsanwalt in 6063 Rum, Kugelfangweg 27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 6. Feber 1997, Zl. 18.328/02-IA8/96, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §18;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6 idF 1997/I/088;
B-VG Art130 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §18;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6 idF 1997/I/088;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, für die (bereits im Jahre 1985 vorgenommene) Errichtung eines Lagerschuppens auf Teilflächen der Waldgrundstücke Nr. 2443 und 2444 der KG St. eine Rodungsbewilligung zu erteilen, abgewiesen. Begründend legte die belangte Behörde unter anderem dar, der Beschwerdeführer sei Transportunternehmer und Nebenerwerbslandwirt. Der landwirtschaftliche Betrieb umfasse vier Großvieheinheiten und 5 ha landwirtschaftliche Flächen. Im Lagergebäude, das eine Fläche von 7 x 8 m umfasse, wobei eine Teilfläche von 37 m2 auf Waldboden liege, würden im Winter land- und forstwirtschaftliche Geräte und im Sommer Schneeräum- und Streugeräte eingestellt. Die Errichtung des Lagergebäudes stelle keine Maßnahme der Existenzsicherung eines landwirtschaftlichen Betriebes dar. Ein öffentliches Interesse im Sinne der Agrarstrukturverbesserung liege nur im äußerst geringen Ausmaß vor. Die Parzelle sei mit Fichten bestockt; dem Waldbestand kämen neben seiner Nutzwirkung auch Wohlfahrts- und Erholungswirkung auf Grund seiner landschaftsgliedernden Funktion und der Windschutzwirkung zu. Der Bewaldungsanteil der Gemeinde betrage nur ca. 25 %. Der gegenständlichen Waldfläche käme wegen der geringen Waldausstattung und im Hinblick auf die Waldwirkungen trotz der geringen in Anspruch genommenen Fläche eine nicht unwesentliche Bedeutung zu. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Lagerschuppen eine agrarpolitische Maßnahme zur Erhaltung der Berglandwirtschaft darstelle, überwiege wegen der geringen Waldausstattung das Interesse an der Walderhaltung. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass die Waldausstattung seit der Befundaufnahme möglicherweise zugenommen habe, könne nicht aufzeigen, dass die Errichtung des Lagerschuppens im öffentlichen Interesse liege oder der Walderhaltung geringere Bedeutung zukäme. Das Angebot einer Ersatzaufforstung sei im Rodungsverfahren nicht wesentlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

In ständiger Rechtsprechung bejaht der Verwaltungsgerichtshof ein in der Agrarstrukturverbesserung begründetes öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche dann, wenn die Rodung eine Maßnahme darstellt, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung dieses Betriebes oder dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. November 1997, 97/10/0257).

Die Beschwerde macht zunächst als Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, es sei kein ergänzendes forstwirtschaftliches Gutachten über das Ausmaß des Waldeingriffes eingeholt worden, nachdem festgestellt worden sei, dass lediglich 37 m2 (und nicht 56 m2) Waldboden in Anspruch genommen würden.

Damit übersieht die Beschwerde, dass der Amtssachverständige in der am 25. August 1992 durchgeführten mündlichen Verhandlung- im Anschluss an seine Aussage, dass lediglich eine Teilfläche des bereits errichteten Lagerschuppens auf Waldboden liege- zur Frage des Rodungsinteresses auf sein im Rodungsverfahren bereits abgegebenes Gutachten verwiesen hatte. Auf dieser Grundlage konnte die Behörde mängelfrei davon ausgehen, dass der von der Beschwerde nunmehr hervorgehobene Umstand nicht zu einer wesentlich anderen Gewichtung des Walderhaltungsinteresses zu führen hatte.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass im Verwaltungsverfahren kein Sachverhalt hervorgekommen ist (und auch von der Beschwerde nicht vorgetragen wird), der ein öffentliches Interesse im Sinne einer Agrarstrukturverbesserung begründen könnte. Auch ein anderweitiges öffentliches Interesse an der Rodung wird nicht geltend gemacht. Davon ausgehend wäre die belangte Behörde nicht gehalten gewesen, eine Interessenabwägung nach § 17 Abs. 2 ForstG vorzunehmen; diese ist nämlich entbehrlich, wenn sich ergibt, dass eine Rodung rechtfertigende öffentliche Interessen nicht vorliegen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Zl. 95/10/0040). Der Hinweis der Beschwerde, dass die zweite Instanz ein - "wenn auch geringes" - hinter den Interessen an der Walderhaltung zurückbleibendes öffentliches Interesse an der Rodung annahm, zeigt schon aus diesem Grund keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, zumal der Beschwerde nicht konkret entnommen werden kann, in welchen Umständen sie ein öffentliches Interesse an der Rodung begründet sieht.

Im Übrigen übersieht die Beschwerde, dass dem angefochtenen Bescheid eine Interessenabwägung zugrunde liegt, in deren Rahmen die belangte Behörde dem angesichts der geringen Waldausstattung anzunehmenden Interesse an der Walderhaltung ein - wenngleich "äußerst geringes" - Interesse an der Rodung gegenüberstellte, weil sie es für möglich hielt, dass der Lagerschuppen "eine agrarpolitische Maßnahme zur Erhaltung der Berglandwirtschaft" darstelle. Dass sich die belangte Behörde näherer Darlegungen darüber enthielt, inwiefern die Errichtung des in Rede stehenden Lagerschuppens konkret geeignet gewesen wäre, der Erhaltung der Berglandwirtschaft zu dienen, - was im Übrigen auch anhand des Akteninhaltes und des Vorbringens der Beschwerde nicht zu erkennen ist - kann den Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzen.

Auch der Hinweis der Beschwerde, wonach die erste Instanz (im Hinblick auf das geringe Ausmaß der in Rede stehenden Fläche) von "relativ geringen Auswirkungen des Eingriffes" gesprochen habe, dem auf der anderen Seite das "wenn auch äußerst geringe" öffentliche Interesse am Weiterbestand des vor zwölf Jahren "gutgläubig" errichteten Gebäudes entgegenzusetzen sei, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend. Auch damit werden keine Umstände aufgezeigt, die ein öffentliches Interesse an der Rodung begründen könnten. Unter dem Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer das Gebäude in Übertretung des Rodungsverbotes bereits errichtet hat, kann ein "öffentliches Interesse am Weiterbestand" keinesfalls gesehen werden; dies würde eine Schlechterstellung jener Waldeigentümer bedeuten, die sich gesetzeskonform verhalten.

Auch die Darlegungen der Beschwerde, die belangte Behörde habe auf das Angebot einer Ersatzaufforstung nicht hinreichend Bedacht genommen, sind nicht zielführend. Das Gesetz bietet keine Grundlage dafür, das Angebot einer Ersatzaufforstung im Verfahren über die Erteilung der Rodungsbewilligung (bei der Interessenabwägung) zu berücksichtigen. Einer Ersatzaufforstung kommt im Hinblick auf § 18 ForstG erst für den Fall der Bewilligung Bedeutung zu (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. November 1997, Zl. 97/10/0257).

Auch der Vorwurf einer fehlerhaften Ermessensübung ist verfehlt, weil die Entscheidung nach § 17 Abs. 2 ForstG keine Ermessensentscheidung darstellt (vgl. das Erkenntnis vom 16. November 1998, Zl. 95/10/0147).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG idF BGBl. I Nr. 88/1997 kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages nach Abs. 1 Z. 1 von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, dem entgegensteht.

Im Beschwerdefall liegen diese Voraussetzungen des Absehens von einer mündlichen Verhandlung vor. Strittige Sachverhaltsfragen, deren Lösung sich nicht auf Grund der Akten klar ergeben hätte, wurden nicht vorgetragen; ebenso wenig legte die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof Rechtsfragen vor, deren Lösung sich nicht aus der allgemein bekannten, bereits der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zugrunde gelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergeben hätte.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK war im Beschwerdefall eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Maßstab für die Erteilung einer Rodungsbewilligung ist das Ausmaß der öffentlichen Interessen an der Walderhaltung einerseits und der öffentlichen Interessen an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche andererseits. Davon ausgehend erscheint der Begriff der zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK in Ansehung des Verfahrens um die Erteilung einer Rodungsbewilligung nicht verwirklicht.

Abgesehen davon ging es im Beschwerdefall um die Genehmigung, Waldboden im Ausmaß von 37 m2 für die Errichtung eines Lagerschuppens zu benützen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Lagerschuppen für einen Wirtschaftsbetrieb des Beschwerdeführers oder aus sonstigen Gründen für diesen von besonderer Bedeutung wäre. Von "existentieller" Bedeutung für den Beschwerdeführer kann somit nicht die Rede sein. Auch unter diesem Gesichtspunkt sowie im Hinblick darauf, dass die Beschwerde weder Rechts- noch Tatfragen vorgetragen hat, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung zu einer weiteren Aufklärung des Falles hätte beitragen können, konnte von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl. z.B. das Urteil des EGMR vom 19. Februar 1998, 8/1997/792/993, Jacobsson Nr. 2).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Mai 2000

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