VwGH 97/09/0144

VwGH97/09/014410.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der S in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in Wien VI, Gumpendorferstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. April 1997, Zl. UVS-07/A/04/00640/96, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. November 1996 wurde das über Anzeige des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten gegen die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der P Gasthausbetriebsgesellschaft mbH wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) geführte Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt. Zur Begründung führte die Behörde erster Instanz aus, die Beschwerdeführerin habe sich zur Tatzeit nicht in Österreich aufgehalten und von der Anstellung einer Aushilfskellnerin nichts gewußt, weil der zweite handelsrechtliche Geschäftsführer (J) befugt gewesen sei, die Gesellschaft selbständig zu vertreten.

Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten Berufung. Darin wurde ausgeführt, daß keine taugliche Grundlage für die Verneinung der subjektiven Tatseite bestehe. Daß die Anstellung der Ausländerin zur Gänze während der Abwesenheit der Beschwerdeführerin erfolgt sei, stehe nicht fest. Welche Maßnahmen die Beschwerdeführerin getroffen habe, um die Einhaltung des AuslBG auch während ihrer Abwesenheit sicher zu stellen, sei nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin hätte etwa rechtzeitig für eine gesetzeskonforme Deckung des Personalbedarfes sorgen können.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. April 1997 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid behoben und die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin der P Gasthausbetriebsgesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien zu verantworten, daß diese Gesellschaft als Arbeitgeber vom 19. Juli 1996 bis 25. Juli 1996 im "Cafe C" eine namentlich genannte Staatsangehörige von Bosnien/Herzegowina ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung als Kellnerin beschäftigt habe. Wegen dieser als Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG qualifizierten Tat wurde über die Beschwerdeführerin nach dem zweiten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe eine Woche) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem gesamten Vorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach dem AuslBG schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, erklärte von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und beantragte, die Beschwerde unter Zuspruch der Kosten des Vorlageaufwandes als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, daß der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung und die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der beschäftigenden Gesellschaft unbestritten seien. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß sie im konkreten Fall nicht zur Verantwortung gezogen werden könne, weil sie sich bereits bei Anstellung der Ausländerin durch den zweiten Geschäftsführer im Ausland befunden habe und sie auf die Handlungsweise dieses Geschäftsführers keinen Einfluß nehmen habe können, zumal jeder der zwei Geschäftsführer die Gesellschaft selbständig vertreten könne, sei die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1986, Zl. 85/09/0037, dargelegte Rechtsansicht entgegenzuhalten. Demnach wäre es Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, daß sie alles unternommen habe, um die gegenständliche Gesetzesverletzung zu verhindern. Dies sei ihr jedoch mit der Angabe, sich während der Tatzeit im Ausland aufgehalten zu haben, nicht gelungen, zumal sie nicht einmal behaupte, mit dem zweiten Geschäftsführer, der die Ausländerin aufgenommen habe, eine vorherige Information oder eine Kontaktaufnahme vereinbart oder bestimmte Vorgangsweisen festgelegt zu haben. Es sei daher vom Vorliegen der subjektiven Tatseite, zumindest in Form fahrlässigen Verhaltens auszugehen (die weitere Bescheidbegründung betrifft die Strafbemessung).

Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde im wesentlichen geltend, sie sei nur gemeinsam mit dem Geschäftsführer J zeichnungsberechtigt. Hingegen sei der genannte Geschäftsführer allein zeichnungsberechtigt. Selbst wenn sie (in Wien) anwesend gewesen wäre, hätte sie keine Maßnahme zur Einhaltung des AuslBG setzen können. Im konkreten Fall habe sie jedoch nichts gewußt. Auch ihre allfällige Vertretung hätte nur jene Rechte gehabt, die sie selbst besitze. Sie wäre im konkreten Fall nicht in der Lage gewesen, eine Anstellung der Ausländerin zu verhindern, da diese ohne ihr Wissen durch den allein zeichnungsberechtigten handelsrechtlichen Geschäftsführer erfolgt sei. Auf Grund dieses Sachverhaltes könne ihr kein Verschulden zugerechnet werden.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist - auf Grund eines eingeholten Auszuges aus dem Firmenbuch - zu erkennen, daß die am 12. März 1992 im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragene P Gasthausbetriebsgesellschaft mbH von den handelsrechtlichen Geschäftsführern J und der Beschwerdeführerin vertreten wird. Der Geschäftsführer J vertritt seit 22. Oktober 1992 selbständig, die Beschwerdeführerin vertritt seit 30. August 1993 gemeinsam mit einem zweiten Geschäftsführer. Die registrierte Prokuristin B vertritt seit 12. März 1992 selbständig.

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch unter anderem juristische Personen strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zufolge § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin ein zur Vertretung der P Gasthausbetriebsgesellschaft mbH nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft ist und im Sinn des § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch diese Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich war. Daß die der Beschwerdeführerin eingeräumte Vertretungsbefugnis nur gemeinsam mit dem zweiten handelsrechtlichen Geschäftsführer ausgeübt werden konnte und demnach in Ansehung von Vertretungshandlungen der Beschwerdeführerin einem Kollektivorgan übertragen wurde, oder daß überhaupt ein weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt wurde, vermag an der Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG nichts zu ändern (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1989, Zl. 88/04/0049, und vom 12. Dezember 1969, VwSlg. N.F. Nr. 7696/A; sowie Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage 1995, Rz 772 und 773). Allerdings bedeutet dies nicht, daß die Beschwerdeführerin als ein in Betracht kommender Adressat der Strafnorm damit an der vorgeworfenen Übertretung des AuslBG zwingend ein Verschulden trifft.

Die der Beschwerdeführerin angelastete Verwaltungsübertretung ist ein Ungehorsamsdelikt, bei dem das Verschulden widerleglich vermutet wird. Die Ansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin hätte Maßnahmen setzen können und müssen, um im vorliegenden Fall die Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG zu gewährleisten, erscheint nach dem im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt und unter Bedachtnahme auf die bei der beschäftigenden Gesellschaft bestehenden Vertretungsbefugnisse nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde vermag vor dem Hintergrund der Umstände des Beschwerdefalles nämlich nicht aufzuzeigen, welche Maßnahmen die Beschwerdeführerin hätte vornehmen können, um die vom selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer (J) ohne ihre Mitwirkung vorgenommene Beschäftigung der Ausländerin zu verhindern. Selbst wenn die Beschwerdeführerin diesen Geschäftsführer kontrolliert hätte, könnte dies daran nichts ändern, daß er ohne Wissen und Mitwirkung der Beschwerdeführerin selbständig Vertretungshandlungen vornehmen und damit (selbst gegen ihren Willen) die Beschwerdeführerin für Übertretungen des AuslBG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich machen konnte. Daß die Beschwerdeführerin an der Verwirklichung des angelasteten objektiven Tatbestandes in irgendeiner Weise mitgewirkt hätte, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Selbst bei Kenntnis der Vertretungshandlung des selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführers wäre der Beschwerdeführerin eine Einflußnahme auf ein Unterbleiben der angelasteten Beschäftigung der Ausländerin nach den Umständen des Beschwerdefalles nicht möglich gewesen. Daß die Beschäftigung der Ausländerin im vorliegenden Fall jedoch sogar ohne Wissen und Mitwirkung der Beschwerdeführerin erfolgte, ist nach dem von der belangten Behörde zugrunde gelegten Sachverhalt nicht zweifelhaft. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes betrifft einen Sachverhalt der Übertragung einzelner Aufgaben an andere Personen. Ein solcher Fall der im Wirtschaftsleben üblichen Arbeitsteilung liegt jedoch im Beschwerdefall nicht vor. Die Beschwerdeführerin hat dem selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer weder Angelegenheiten zur Besorgung überlassen, noch konnte sie ihm gegenüber Weisungen erteilen, oder eine "Oberaufsicht" hinsichtlich seiner Vertretungshandlungen ausüben. Auch die in der Berufung geäußerte Ansicht, die Beschwerdeführerin hätte für gesetzeskonforme Deckung des Personalbedarfes sorgen können, läßt außer acht, daß die Beschwerdeführerin als lediglich kollektiv vertretungsbefugte Geschäftsführerin keine Person als Dienstnehmer der Gesellschaft beschäftigen hätte können, da sie insoweit der Mitwirkung des anderen Geschäftsführers bedurft hätte.

Die belangte Behörde hat somit der Beschwerdeführerin in Verkennung der Sach- und Rechtslage zu Unrecht fahrlässiges Verhalten an der Übertretung des AuslBG vorgeworfen. Zudem ist auch darauf hinzuweisen, daß dem angefochtenen Bescheid keine Begründung für die Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG zu entnehmen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. März 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte