VwGH 97/08/0113

VwGH97/08/011317.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien X, Favoritenstraße 108/3, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 7. März 1997, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1997, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
ASVG §5 Abs2 idF 1995/808;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
ASVG §5 Abs2 idF 1995/808;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 5. Dezember 1995 Notstandshilfe, wobei sie u.a. angab, nicht in Beschäftigung zu stehen und nicht selbständig erwerbstätig zu sein. Die Leistung wurde ihr zuerkannt.

In einer am 2. Mai 1996 auf einem Formblatt für die Meldung "selbständiger Arbeit" mit ihr aufgenommenen Niederschrift gab die Beschwerdeführerin bekannt, sie habe "im Monat April selbständige Arbeit an folgenden Tagen", nämlich am 24., 25., 28., 29. und 30. April 1996 geleistet, und erkläre, dass der Gesamtbetrag ihres Einkommens an diesen Tagen S 1.060,-- betragen habe. Dazu legte die Beschwerdeführerin eine Honorarnote über S 800,-- für die Unterrichtung eines Schülers am 24., 25., 29. und 30. April (je eine Stunde zu S 200,--) und eine weitere Honorarnote über einen am 28. April von ihr gehaltenen Vortrag (S 260,--) vor.

Im Juni 1996 gab die Beschwerdeführerin in einer gleichartigen Niederschrift und einer Ergänzung dazu bekannt, sie habe an sechs von ihr angegebenen Tagen im Mai 1996 wieder jeweils eine Stunde lang denselben Schüler wie schon im April unterrichtet (sechs Stunden zu je S 200,--), an acht bestimmten Tagen Vorträge gehalten (sieben zweistündige Vorträge zu S 260,--, ein einstündiger Vortrag zu S 130,--) und daraus ein Einkommen von insgesamt S 3.150,-- erzielt.

Ebenfalls noch im Juni 1996 gab die Beschwerdeführerin bekannt, sie habe an zehn bestimmten Tagen im Juni 1996 (jeweils zweistündige) Vorträge gehalten und daraus ein Einkommen von insgesamt S 2.600,-- erzielt.

Am 30. Juli 1996 teilte sie mit, dass sie in den Monaten Juli und August 1996 "keine selbständige Tätigkeit auf Honorarbasis ausübe".

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice reagierte auf die Meldungen der Beschwerdeführerin mit der Einbehaltung eines Betrages von S 7.904,-- von der - offenbar für Juli 1996 - an die Beschwerdeführerin ausgezahlten Notstandshilfe. Ein Bescheid über einen Widerruf oder eine Rückforderung von Leistungen wurde vorerst nicht erlassen.

Am 25. August 1996 teilte die Beschwerdeführerin mit, sie habe am 21. August 1996 die "Abrechnung" erhalten und berufe "gegen die angeführten Unterbrechungen" ihres Bezuges. Ihre Einkünfte hätten keinen der täglich, wöchentlich oder monatlich "erlaubten" Beträge überstiegen.

Mit Schreiben vom 12. September 1996 verlangte die Beschwerdeführerin die Erlassung eines Bescheides.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 18. Oktober 1996 widerrief die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die der Beschwerdeführerin gewährte Notstandshilfe für die einzeln angeführten Tage, an denen sie die in den Honorarnoten verrechneten Leistungen erbracht hatte, und schrieb der Beschwerdeführerin einen Gesamtbetrag von S 7.904,-- für diese 26 Tage zum Rückersatz vor, wobei festgehalten wurde, der Betrag sei bereits von der Leistung einbehalten worden. Die Begründung für diese Entscheidung lautete - abgesehen von einer Wiedergabe des Inhalts anzuwendender Vorschriften - wie folgt:

"Wie das Ermittlungsverfahren ergeben hat, waren Sie zu obgenannter Zeit tageweise auf Honorarbasis tätig und erzielten daraus ein Einkommen nach § 36a, welches die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt. Kriterium für die Geringfügigkeitsgrenze ist der monatliche Grenzbetrag (1996: S 3.600,--). Wird dieser nur deswegen nicht überschritten, weil die selbständige Erwerbstätigkeit im Laufe des betreffenden Monates begonnen bzw. beendet oder tageweise ausgeführt wurde, ist für die tageweise Beurteilung der Geringfügigkeitsgrenze 1/30 der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze, also für 1996 S 120,-- (3.600 : 30 = 120) heranzuziehen."

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid machte die Beschwerdeführerin geltend, das Einkommen, das sie aus ihrer tageweisen Beschäftigung erzielt habe, habe die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. a ASVG nicht überstiegen. Die Heranziehung eines Dreißigstels der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze entspreche nicht dem Gesetz.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab und begründete dies im Wesentlichen nur wie folgt:

"Da bei tageweiser Beschäftigung der maßgebliche Wert zur Prüfung der Arbeitslosigkeit 1/30 der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze heranzuziehen ist, und Sie an den Tagen 24., 25., 28.-30.4., 2., 3., 9., 10., 12.-14., 20., 28.-30.5., 1., 2., 6.-8., 10., 12., 13., 17., 19.6.96 ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielten, welches über dieser täglichen Geringfügigkeitsgrenze von S 120,-- liegt, war der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG in den von der belangten Behörde zeitraumbezogen anzuwendenden Fassungen der Novellen BGBl. Nr. 297/1995 (bis 30. April 1996) und BGBl. Nr. 201/1996 (ab 1. Mai 1996) war die Beschwerdeführerin trotz ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 12 Abs. 3 lit. b AlVG) arbeitslos, wenn weder ihr aus dieser Tätigkeit erzieltes Einkommen gemäß § 36a AlVG noch 11,1 v.H. des von ihr erzielten Umsatzes gemäß § 36 b AlVG die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge überstieg.

§ 5 Abs. 2 ASVG enthält nähere Vorschriften über die in § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG vorgesehene Ausnahme geringfügig beschäftigter Personen von der Vollversicherungspflicht nach dem ASVG. In der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung und unter Berücksichtigung der Kundmachung BGBl. Nr. 808/1995 lauteten die wesentlichen Teile der Bestimmung wie folgt:

"(2) Eine Beschäftigung gilt als geringfügig im Sinne des Abs. 1 Z. 2,

a) wenn sie für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist und dem Dienstnehmer für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens S 276,-- gebührt,

b) wenn sie für mindestens eine Woche oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und dem Dienstnehmer ohne Rücksicht auf die Zahl der Arbeitstage als wöchentliches Entgelt höchstens S 827,-- oder als monatliches Entgelt höchstens S 3.600,-- gebührt,

c) wenn das Entgelt nicht nach zeitlichen Abschnitten, sondern nach einem anderen Maßstab (Akkordlohn, Stücklohn, Leistungen Dritter) vereinbart ist und dem Dienstnehmer in einem Kalendermonat ein Entgelt von höchstens S 3.600,-- gebührt.

... Als geringfügig gilt ... nicht eine auf unbestimmte Zeit vereinbarte Beschäftigung, wenn das daraus gebührende Entgelt nur deshalb nicht mehr als S 3.600,-- in einem Monat oder S 827,-- in einer Woche beträgt, weil die Beschäftigung im Laufe des betreffenden Monates oder der betreffenden Woche begonnen hat, geendet hat oder unterbrochen wurde."

Diese Rechtslage lässt es auch im Anwendungsbereich des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG nicht zu, bei der Beurteilung einer bloß tageweisen selbständigen Tätigkeit zwar einerseits nicht auf das monatliche Einkommen, sondern auf ein Tageseinkommen abzustellen, dabei aber andererseits den Grenzwert des § 5 Abs. 2 lit. a ASVG durch einen aus einer Aliquotierung der Monatsgrenze gewonnenen, viel niedrigeren Tageswert zu ersetzen. Der auf der gegenteiligen Ansicht beruhende und nur deshalb von einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze ausgehende Bescheid der belangten Behörde ist daher rechtswidrig.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde aber vor allem zu prüfen haben, ob die selbständige Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin nicht in Wahrheit durchgehend ausgeübt wurde, worauf im Sachverhalt vieles hindeutet und wovon die belangte Behörde in der Gegenschrift bereits auszugehen scheint (vgl. zu den Kriterien für Beginn und Ende einer selbständigen Erwerbstätigkeit etwa das Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0202, mwN). Das von der Beschwerdeführerin durch diese mehrmonatige Tätigkeit erzielte Einkommen wäre dann nicht tageweise, sondern unter dem Gesichtspunkt einer - nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen offenbar nicht vorliegenden - Überschreitung der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze zu beurteilen.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anspruch auf gesonderten Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand besteht danach nicht.

Wien, am 17. November 1999

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