VwGH 97/06/0275

VwGH97/06/027527.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des J in M, vertreten durch D, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. November 1997, Zl. 03-12.10 M 84 - 97/3, betreffend einen Antrag auf Erlassung eines Baubeseitigungsauftrages, und Zl. 03-12.10 M 84 - 97/2, betreffend einen Antrag auf Zustellung eines Benützungsbewilligungsbescheides (mitbeteiligte Parteien jeweils 1. K und 2. Stadtgemeinde Mürzzuschlag, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §38;
BauG Stmk 1995 §41 Abs6;
BauG Stmk 1995 §5 Abs1 Z6;
BauO Stmk 1968 §3 Abs3;
BauRallg;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §38;
BauG Stmk 1995 §41 Abs6;
BauG Stmk 1995 §5 Abs1 Z6;
BauO Stmk 1968 §3 Abs3;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Den Beschwerden und den angefochtenen Bescheiden sowie den weiters vorgelegten Unterlagen ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Widmungsbewilligungsbescheid vom 1. Juni 1978 wurde dem Erstmitbeteiligten die Widmungsbewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf den Grundstücken Nr. 1608 und 1606/3 der KG M erteilt. In Auflage Nr. 2 wurde als Baugrenzlinie eine Linie festgelegt, die 2,0 m nördlich hinter der nördlichen Grundgrenze des Weges auf Grudstück Nr. 1663 verläuft. Das geplante Objekt war demnach so zu situieren, daß eine straßenseitige Front mindestens 2,0 m von der Weggrenze entfernt bleibt. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat in weiterer Folge mit Bescheid vom 21. Juni 1978 die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses erteilt. In Auflage Nr. 44 wurde abermals festgelegt, daß die Torfront mindestens 2,0 m von der nördlichen Grundgrenze des öffentlichen Weges auf dem Grundstück Nr. 1663 entfernt gehalten werden müsse. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. März 1996 wurde dem Erstmitbeteiligten die Benützungsbewilligung für das errichtete Einfamilienwohnhaus unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Tatsächlich wurde ein Objekt errichtet, das den erwähnten Vorschreibungen im Widmungsbewilligungsbescheid und im Baubewilligungsbescheid insofern nicht entsprach, als die Entfernung von 2 m von der Weggrenze durch das Einfamilienhaus nicht eingehalten wurde.

In einem an die mitbeteiligte Stadtgemeinde gerichteten Schriftsatz vom 1. April 1997 hat der Beschwerdeführer die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages beantragt und diesen damit begründet, daß durch die Nichteinhaltung der festgelegten Abstände zwischen dem Bauwerk und dem Weg, der zum Grundstück des Beschwerdeführers führe, die Zufahrtsmöglichkeit zum Haus des Beschwerdeführers drastisch eingeschränkt werde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 30. April 1997 wurde der Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages mit der Begründung abgewiesen, es seien keine Nachbarrechte betroffen worden. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 14. August 1997 als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 14. November 1997 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 97/06/0275 protokollierte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

In einem weiteren an die mitbeteiligte Stadtgemeinde gerichteten Schriftsatz vom 3. Februar 1997 begehrte der Beschwerdeführer die Zustellung des Bescheides, mit dem dem Erstmitbeteiligten die Benützungsbewilligung erteilt wurde. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 6. März 1997 wurde dieser Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte betroffen wären. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 14. August 1997 als unbegründet abgewiesen, die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit einem weiteren Bescheid vom 14. November 1997 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit der Benützungsbewilligung vom 8. März 1996 sei keine Baubewilligung erteilt worden. Dem Nachbarn komme im Verfahren zur Erteilung der Benützungsbewilligung grundsätzlich keine Parteistellung zu. Die Parteistellung käme dem Nachbarn nur dann zu, wenn sich die Erteilung der Benützungsbewilligung auch als eine Abänderung des Baubewilligungsbescheides darstelle. Dies allerdings nur dann, wenn die damit bewirkte Abänderung des Bauvorhabens Umstände betreffen, durch welche in die Rechte des Nachbarn eingegriffen werde. Mit dem gegenständlichen Benützungsbewilligungsbescheid sei jedoch keine Abweichung von einem bewilligten Projekt genehmigt worden. Zwar sei in der Niederschrift über die Verhandlung die im Widerspruch zum bewilligten Projekt erfolgte Situierung im Bereich des öffentlichen Weges festgestellt worden, eine konsensändernde Wirkung sei aber dem Spruch des Bescheides nicht zu entnehmen. Darüber hinaus werde lediglich in der Begründung auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen, diese Verhandlungsschrift sei jedoch nicht zu einem Bestandteil des Bescheides erklärt worden. Auch der mit dem Genehmigungsvermerk versehene Bestandteil weise keine Unterschiede zum ursprünglich bewilligten Bauplan auf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg.

Zl. 97/06/0278 protokollierte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit

des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die Beschwerden zu gemeinsamer Beratung und Beschlußfassung zu verbinden.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Ad 1) Zu Zl. 97/06/0275 (Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages):

Gemäß § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes (BauG), LGBl. Nr. 59/1995, sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. September 1995) anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen. Da der Antrag auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach diesem Zeitpunkt bei der Behörde eingebracht wurde, war das gegenständliche Verfahren nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes durchzuführen.

Dessen § 41 Abs. 3 normiert, daß die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen hat.

Gemäß Abs. 6 dieser Bestimmung steht den Nachbarn das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Absätze 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, sind im § 26 des Baugesetzes die Nachbarrechte taxativ aufgezählt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 97/06/0109). Da in § 41 Abs. 6 leg. cit. § 26 Abs. 1 dieses Gesetzes zitiert ist, hat ein Nachbar nur dann Anspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder die sonstigen Maßnahmen seine im § 26 Abs. 1 leg. cit. taxativ aufgezählten Rechte verletzen.

§ 26 Abs. 1 leg. cit. lautet wie folgt:

"Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

  1. 1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
  2. 2. die Abstände (§ 13);
  3. 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
  4. 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
  5. 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
  6. 6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

Sachverhaltsbezogen kommt hier nur die Verletzung des § 26 Abs. 1 Z. 2 in Betracht. Da unter dieser Ziffer betreffend die Abstände § 13 zitiert ist, ist bei der Beurteilung, ob Abstände gegenüber dem Beschwerdeführer verletzt werden, die Bestimmung des § 13 des Baugesetzes heranzuziehen. Dessen Absätze 1 bis 11 betreffen ausschließlich die Abstände zu seitlichen Nachbarn. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob Abs. 12 des § 13 (Vorschreibung größerer Abstände) gegenüber öffentlichen Verkehrsfächen überhaupt anwendbar ist (vgl. § 13 Abs. 13, wonach die Absätze 1 bis 12 nicht für Gebäude gegenüber öffentlichen Verkehrsflächen gelten), da auch der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat, daß der Verwendungszweck der gegenständlichen baulichen Anlagen ein das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung der Nachbarschaft erwarten ließe.

Die im Antrag vom 1. April 1997 geltend gemachte Abstandsverletzung verletzte den Beschwerdeführer somit nicht in den in § 26 Abs. 1 leg. cit. taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechten. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, begründet die Frage, ob die Zufahrtsmöglichkeit über die öffentliche Verkehrsfläche beeinträchtigt ist, kein im Baugesetz begründetes subjektiv-öffentliches Nachbarrecht und somit kein Mitspracherecht des Nachbarn. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das seinerzeitige Bauvorhaben noch während des Geltungsbereiches der Steiermärkischen Bauordnung 1968 bewilligt (und verwirklicht) wurde, und somit Festlegungen aus der Widmungsbewilligung verbindlich waren, war daraus für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen: Die Nichteinhaltung der Abstände zur öffentlichen Verkehrsfläche könnte nur der dem Bauvorhaben gegenüberliegende Grundstückseigentümer geltend machen. Wie der vom Beschwerdeführer selbst vorgelegte Plan erkennen läßt, liegt das Gebäude, dessen Beseitigung der Beschwerdeführer beantragt hat, nicht gegenüber der Liegenschaft des Beschwerdeführers, sondern gegenüber Liegenschaften, die im Eigentum des Bauwerbers (erstmitbeteiligte Partei) stehen. Durch die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Baufluchtlinien durch das Bauvorhaben konnte somit der Beschwerdeführer auch nicht in einem aus der Widmungsbewilligung vom 1. Juni 1978 allenfalls ableitbaren Recht verletzt werden.

Mit Recht hat daher die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates als unbegründet abgewiesen.

Ad 2) Zu Zl. 97/06/0278 (Zustellung des Benützungsbewilligungsbescheides).

Die Eingabe des Erstmitbeteiligten betreffend die Erteilung der Benützungsbewilligung wurde noch vor Inkrafttreten des Baugesetzes eingebracht (am 25. Jänner 1995), die diesbezügliche Verhandlung fand am 18. Juni 1995 statt. Betreffend die Benützungsbewilligung war daher noch die Steiermärkische Bauordnung 1968 (BO) anzuwenden. Aus dem Benützungsbewilligungsbescheid vom 8. März 1996 geht hervor, daß mit ihm keine Abänderung des seinerzeitigen Baubewilligungsbescheides bewilligt wurde. Die Benützungsbewilligung gemäß § 69 BO gibt das Recht, den Bau ganz oder teilweise zu benützen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann aus der Benützungsbewilligung nicht das Recht abgeleitet werden, einen der Bauordnung oder der Baubewilligung widersprechenden Zustand zu belassen. Ein vom Bauwerber verschiedener Grundeigentümer und Nachbar besitzt im Benützungsbewilligungsverfahren keine Parteistellung (vgl. die bei Hauer, Steiermärkisches Baurecht,

2. Auflage, Seite 231, Anmerkung 6, E1 sowie Seite 232, a.a.O. zu E7 zitierte hg. Judikatur).

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, daß zufolge der über die Verhandlung vom 18. Juli 1995 aufgenommenen Niederschrift Feststellungen dahingehend getroffen wurden, daß das Bauvorhaben den vorgeschriebenen 2 m-Abstand von der Grundstücksgrenze und dem Weg nicht einhält. Die diesbezüglichen Feststellungen in der Niederschrift sind aber weder in den Spruch des Bescheides aufgenommen worden, noch in dessen Begründung. Zutreffend haben daher schon die Gemeindebehörden sowie auch die belangte Behörde erkannt, daß mit dem Benützungsbewilligungsbescheid keine Bewilligung erteilt wurde, den Konsens, wie er im Baubewilligungsbescheid vom 21. Juni 1978 festgelegt war, zu ändern.

Da mit dem Benützungsbewilligungsbescheid somit keine Abweichung von der Baubewilligung bewilligt wurde, kam dem Beschwerdeführer in diesem Verfahren keine Parteistellung zu. Durch die Abweisung seines Ansuchens, ihm den Benützungsbewilligungsbescheid zuzustellen, wurde der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt, da das Recht auf Bescheidzustellung grundsätzlich nur Parteien des Verfahrens zukommt.

Da sich somit auch diese Beschwerde als unbegründet erweist, waren die Beschwerden, deren Inhalt gemeinsam mit den vorgelegten Unterlagen erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, ohne weiteres Verfahren und ohne weitere Kostenbelastung des Beschwerdeführers in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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