VwGH 97/05/0197

VwGH97/05/019716.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Philipp Koupilek in Hainfeld, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwalt in St. Pölten, Andreas Hoferstraße 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Mai 1997, Zl. RU1-V-97101/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Waltraud Binder in Hainfeld, Hauptstraße 55, 2. Stadtgemeinde Hainfeld, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem beiliegenden angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Am 2. Juli 1996 suchte die Erstmitbeteiligte beim Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde um Erteilung der Baubewilligung für den Zubau eines Stiegenhauses und den Umbau eines Werkraumes auf ihrem Grundstück Nr. 272/4, KG Hainfeld, an. Über dieses Ansuchen wurde für den 9. September 1996 eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der auch der Beschwerdeführer als Eigentümer des direkt an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes geladen wurde. Die Verhandlung vom 9. September 1996 wurde bis zur Einreichung neuer Unterlagen vertagt. Am 16. September 1996 fand eine Bauverhandlung über das abgeänderte Ansuchen der Erstmitbeteiligten statt, zu der der Beschwerdeführer nicht geladen wurde. Aus dem nunmehr vorgelegten Plan ging hervor, daß im Erdgeschoß ein Vorraum und Geräteschuppen, im Obergeschoß eine Veranda und Terrasse in Massivbauweise hergestellt werden sollten. Das mansardenartige Dach im Obergeschoßbereich sollte in das Hauptdach eingebunden und die bis dahin bestehende Gaupe in die hofseitige Dachfläche des Hauptdaches verlegt werden. Die Eindeckung sollte teilweise mit Bramac-Dachsteinen und teilweise mit verzinktem Blech erfolgen.

Das Ergebnis dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer am 30. September 1996 zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer brachte gegen das abgeänderte Projekt vor, daß er aufgrund der vorgesehenen Blecheindeckung des Zubaues bei Regen eine verstärkte Lärmbelästigung befürchte. Die Erstmitbeteiligte erklärte daraufhin am 28. Oktober 1996 der Baubehörde erster Instanz, die Blecheindeckung auf eine Breite von ca. 40 cm zu reduzieren. Mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 wurde der Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, weil er eine Lärmbelästigung durch Regen über dem Blechdach befürchte.

Mit Schreiben vom 11. November 1996 teilte die von der Erstmitbeteiligten beauftragte Dachdeckerfirma mit, daß von den Herstellerfirmen keine Messungen des Lärmpegels durchgeführt worden seien. Gleichzeitig legte sie eine vergleichbare Messung einer anderen Herstellerfirma betreffend verzinkte Wellblechbahnen vor, aus dieser ging ein Wert von 45 dB (A) in einer Entfernung von 1 m hervor. Mit Schreiben der Herstellerfirma vom 13. November 1996 teilte diese mit, daß bei fachgerechter Verlegung des Daches keine Windgeräusche entstehen würden und eine Beeinträchtigung der Wohnqualität durch Geräusche bei Wohnhäusern nicht bekannt sei. Der gerichtliche Sachverständige und Spenglermeister A.W. teilte mit Schreiben vom 15. November 1996 mit, daß der Spenglerinnung bei fachgerechter Montage einer Blechdacheindeckung (bis 59 cm reiner Scharenbreite) keine unzumutbaren Lärmbelästigungen bekannt seien. Der Bausachverständige der mitbeteiligten Stadtgemeinde führte in seinem über Auftrag der Baubehörde erstellten Gutachten vom 20. Dezember 1996 aus, daß das Baugrundstück im Bauland-Kerngebiet liege, in welchem der äquivalente Dauerschallpegel bei Tag 60 dB (A) und bei Nacht 50 dB (A) betragen dürfe. Da die Geräuschentwicklung des Daches bei Regen mit 35 dB (A) angegeben werde, liege dieser Wert weit unter dem gesetzlichen Maximalwert, der laut Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über die Bestimmungen der äquivalenten Dauerschallpegel bei Baulandwidmungen LGBl. 8000/4-0 zulässig sei.

Mit Bescheid vom 6. März 1997 hat der Gemeinderat die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 26. Oktober 1996 abgewiesen. Erstmals in der Vorstellung brachte der Beschwerdeführer vor, der Wasserablauf von der Dachrinne sei nicht gesichert. Die Wassermenge versickere bereits an der Grundgrenze, sodaß es im Keller des Beschwerdeführers schon zu einer Überschwemmung gekommen sei. Die belangte Behörde gab der Vorstellung mit Bescheid vom 30. Mai 1997 keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, der Nachbar habe einen Anspruch auf Schutz vor Immissionen, die das örtlich zumutbare Ausmaß überstiegen (§§ 62 Abs. 2 und 118 Abs. 9 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976). Daß der auf das Blechdach fallende Regen keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärmbelästigung im Sinne des § 62 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung darstelle, sei nach der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde eine offenkundige Tatsache im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG und bedürfe somit keines Beweises, zu der in der Vorstellung behaupteten Versickerung und Überschwemmung führte die belangte Behörde aus, daß diesbezüglich Präklusion gemäß § 42 AVG vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Gemäß § 118 Abs. 9 der Nö. BauO 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-12 (BO) sind subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

  1. 1. den Brandschutz;
  2. 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf Anrainergrundstücke ausdehnen können;

    3. die sanitären Rücksichten wegen des Einflusses auf die Umgebung;

    4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

    Wenn ein Bauvorhaben außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf, werden subjektiv-öffentliche Rechte nur durch die Bestimmung gemäß Z. 4 begründet.

    Gemäß § 62 Abs. 2 BO sind für Bauwerke, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen.

    Das Baugrundstück liegt im Bauland-Kerngebiet; laut Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen, LGBl. 8000/4-0, darf der Dauerschallpegel im Bauland-Kerngebiet bei Tag 60 dB (A) und bei Nacht 50 dB (A) betragen. Eine von der Bauwerberin vorgelegte Messung betreffend die Lärmentwicklung bei Regen auf verzinkten Wellblechbahnen wies einen Wert von 35 dB (A) auf.

    Verfahrensgegenständlich ist eine Blecheindeckung in einer Breite von ca. 40 cm.

    Die Lärmentwicklung von Regen auf einem Blechdach mit einer Breite von ca. 40 cm stellt im Bauland-Kerngebiet auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine Gegebenheit dar, die keine Belästigungen der Nachbarn erwarten läßt, die das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen. Eine Blecheindeckung in einer Breite von ca. 40 cm stellt keine außergewöhnliche Ausgestaltung eines Bauwerkes dar. Durch die von der Baubehörde vorgenommenen Ermittlungen ist überdies klargestellt, daß die zu erwartende Geräuschentwicklung jedenfalls unter dem nach der erwähnten Verordnung zulässigen Dauerschallpegel liegt.

    Gemäß § 61 Abs. 4 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 ist die Aufsichtsbehörde verpflichtet, den mit einer Vorstellung angefochtenen Bescheid dahingehend zu prüfen, ob durch die Entscheidung der Gemeinde in dieser Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches Rechte des Einschreiters verletzt wurden. Da das Vorbringen betreffend die Überschwemmung erstmals in der Vorstellung erhoben wurde, konnte die belangte Behörde, die lediglich den Bescheid des Gemeinderates auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen hatte, dieses Vorbringen nicht zum Anlaß für eine Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates nehmen, weil Immissionen durch Überschwemmungen nicht Gegenstand des gemeindebehördlichen Verfahrens waren.

    Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte