Normen
BauO NÖ 1883 §108a idF 1922/132;
BauO NÖ 1969 §101;
BauO NÖ 1969 §121 Abs2;
BauO Wr §71;
BauRallg;
B-VG Art116 Abs1;
B-VG Art119a Abs9;
EinführungsV NÖ Landesrecht 02te 1954 §1 Abs1 Z13;
EinführungsV NÖ Landesrecht 02te 1954 §2;
GebietsänderungsG 1954 §3 Abs2;
GebietsänderungsG 1954 §7 Abs1;
GebietsänderungsG NÖ 1954 §3 Abs2;
GebietsänderungsG NÖ 1954 §5;
VwRallg;
BauO NÖ 1883 §108a idF 1922/132;
BauO NÖ 1969 §101;
BauO NÖ 1969 §121 Abs2;
BauO Wr §71;
BauRallg;
B-VG Art116 Abs1;
B-VG Art119a Abs9;
EinführungsV NÖ Landesrecht 02te 1954 §1 Abs1 Z13;
EinführungsV NÖ Landesrecht 02te 1954 §2;
GebietsänderungsG 1954 §3 Abs2;
GebietsänderungsG 1954 §7 Abs1;
GebietsänderungsG NÖ 1954 §3 Abs2;
GebietsänderungsG NÖ 1954 §5;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 25. Oktober 1947, wurde gemäß § 71 der Bauordnung für Wien eine Baubewilligung zur Errichtung einer zerlegbaren Holzbaracke (für Wohnzwecke) mit den Ausmaßen von 160 m2 samt Betonfundamenten auf einer Liegenschaft, die nunmehr im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin liegt, erteilt. Vorgeschrieben wurde, daß die Verpflichtung bestehe, die Holzbaracke über jederzeit mögliches Verlangen der Baubehörde ohne Anspruch auf Entschädigung zu entfernen. Für die Verpflichtung hafteten gemäß diesem Bescheid der Bauwerber als Grundeigentümer und dessen Rechtsnachfolger. Gemäß dem einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plan waren die Außenwände 7 cm breit, zuzüglich einer 2,5 cm breiten Heraklithplatte, es waren 2 Zimmer, 3 Kabinette, 2 Küchen, ein Vorraum, eine "Speis", ein WC, eine Waschküche und, zur Grundgrenze des nunmehrigen Mitbeteiligten gerichtet, ein Kleintierstall vorgesehen. Der Abstand zur Grundgrenze des Mitbeteiligten sollte 1,5 m betragen.
Mit dem am 17. Juni 1996 bei der beschwerdeführenden Gemeinde eingelangten Ansuchen beantragten R.S. und A.S. die Erteilung der Baubewilligung für den Zu- und Umbau dieses Gebäudes. Nach den Plänen wurde die Inneneinteilung geändert, das ursprüngliche WC in der Mitte des Gebäudes wurde aufgelassen, an der Südseite des Gebäudes wurden 2 Bäder und 2 WC"s sowie 2 Vorräume errichtet, an der Stelle der ursprünglichen Waschküche befindet sich ein Teil des Wohnraumes, anstelle des Kleintierstalles die Küche, ein Abstellraum und ein Schlafzimmer. Diese Veränderungen sind jedoch nicht vom Umbauwillen in der Form umfaßt, daß sie auf den Plänen als Neugestaltung eingezeichnet wären, sie werden lediglich als Bestand ausgewiesen. Das Baugesuch bezieht sich auf den südseitig gelegenen Zubau (Windfang), der einen Abstand von ca. 8 m zur Grundgrenze des Mitbeteiligten einhält, den Austausch der Holzfenster gegen Plastikfenster, eine Anbringung eines außenseitigen Vollwärmeschutzes in der Dicke von 5 cm (der Bestand der Mauern ist mit einer Dicke von 25 cm ausgewiesen), die Abtragung des Welleternitdaches und die Neueindeckung mit Ziegeln.
Über dieses Ansuchen wurde eine Verhandlung für den 10. Juli 1996 anberaumt, zu der der Mitbeteiligte als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. In seinem am 9. Juli 1996 bei der beschwerdeführenden Gemeinde eingelangten Schreiben erklärte der Mitbeteiligte, er erhebe gegen die geplanten Um- und Zubaumaßnahmen keinen Einspruch, wenn gleichzeitig seine Anrainerrechte sichergestellt würden. Zu diesem Zwecke müsse veranlaßt werden:
1. Die Herstellung der Grundgrenze entsprechend dem im Bescheid vom 22. August 1994 zitierten Vermessungsplan, 2. Anpassung des Objektes an die geltenden Bestimmungen betreffend den seitlichen Bauwich, und zwar Abrücken auf 3 m von der Grundgrenze zu dem ihm gehörigen Bauplatz, und
3. Berücksichtigung der geltenden Vorschriften für Holzhäuser, insbesondere in bezug auf erhöhte Brandgefahr.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 11. Juli 1996 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt. In der dagegen erhobenen Berufung führte der Mitbeteiligte aus, die Außenwandkonstruktion des gegenständlichen, mit Bescheid vom 22. Oktober 1947 bewilligten Objektes gliedere sich plan- und bewilligungsgemäß in eine ca. 7 cm starke Konstruktion einer Riegelwand, beiderseits mit Brettern verschalt und an der Außenseite mit einer 2,5 cm starken Heraklith-Verkleidung versehen. Gemäß dem Plan bestehe die Konstruktion über dem Wohnbereich aus einer Lage Brettern ohne jede feuerpolizeiliche Schutzmaßnahme zum Dachboden hin, es sei daher insgesamt dieses Objekt als Holzhaus zu betrachten. Der derzeitige Zustand des Objektes entspreche nicht den augenscheinlich zu erkennenden Merkmalen des oben beschriebenen Objektes und sei von der Baubehörde "unter Nichtansehung des Voraktes zu einem Zweifamilienhaus ernannt worden", wozu jede rechtliche Voraussetzung fehle. Der Mitbeteiligte sehe sich gezwungen, seine Forderungen vom 8. Juli 1996 vollinhaltlich aufrecht zu erhalten, und zwar Abrücken des Objektes auf die gesetzlich vorgeschriebenen seitlichen Bauwichabstände, Einhaltung der Vorschriften in bezug auf den erhöhten Brandschutz und Herstellung der richtigen Grundgrenze.
Mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 19. November 1996 wurde die Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 11. Juli 1996 abgewiesen, der Spruch wurde insofern ergänzt, als die Einwendungen des Mitbeteiligten betreffend die Herstellung der Grundgrenzen auf den Rechtsweg verwiesen wurden, die übrigen Einwendungen wurden als unzulässig zurückgewiesen. Der Altbestand selbst sei bau- und benützungsbewilligt, eine Änderung der Außengrenzen des bewilligten Bestandes werde nicht vorgenommen, der Zubau selbst halte die Abstandsbestimmungen ein; ein Bebauungsplan sei nicht erlassen worden.
Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Mitbeteiligten hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Mai 1997 den Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, im Spruch der Baubewilligung aus dem Jahre 1947 sei ausdrücklich festgehalten worden, daß auf diese Ausführungen die Bestimmungen der §§ 75 bis 80 WBO (Bauklasse, Gebäudehöhe, Bebauungsweise) sowie jene über die Einhaltung der Baulinie keine Anwendung finden würden. Die Baubewilligung sei gemäß § 71 leg. cit. nur unter dem Vorbehalt eines möglichen Widerrufes erteilt worden. Mit Bundesverfassungsgesetz vom 26. Juli 1946, BGBl. Nr. 110/1954, sei festgelegt worden, daß das dem Bundesland Wien im Jahre 1938 einverleibte Gebiet des Bundeslandes Niederösterreich an das Bundesland Niederösterreich zurückfalle. Diese Gebietsänderung sei am 1. September 1954 in Kraft getreten. Mit diesem Verfassungsgesetz sei neben anderen Gemeinden auch die beschwerdeführende Gemeinde dem Bundesland Niederösterreich einverleibt worden. Mit Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. August 1954 betreffend die Einführung von Niederösterreichischem Landesrecht in den vom Bundesland Wien an das Bundesland Niederösterreich zurückfallenden Gebieten seien die damals in Niederösterreich in Geltung stehenden baurechtlichen Bestimmungen eingeführt worden. Diese Verordnung sei ebenfalls am 1. September 1954 in Kraft getreten. Im Jahre 1969 sei es in Niederösterreich zu einer weitgehenden Neuregelung des Baurechtes gekommen, hinsichtlich der vor ihrem Inkrafttreten erteilten Bewilligungen auf Widerruf normiere die Übergangsbestimmung des § 121 Abs. 2 Nö. Bauordnung 1969, daß solche Bewilligungen, die auf Widerruf erteilt worden seien, spätestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlöschten. Daraus folge, daß auch die gegenständliche Baubewilligung vom 25. Oktober 1947 am 31. Dezember 1974 erloschen sei. Die Errichtung des Gebäudes sei - wie auch aus der Erteilung der Benützungsbewilligung aus dem Jahre 1948 ersichtlich sei - ordnungsgemäß gewesen, der Fortbestand des Gebäudes sei aber seit dem 31. Dezember 1974 bauordnungswidrig, weil das Gebäude seit diesem Zeitpunkt durch keine aufrechte Baubewilligung mehr gedeckt sei. Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 bedürften Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden einer Bewilligung der Baubehörde. Einer meritorischen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für einen Zu- und Umbau eines Gebäudes habe die Prüfung der Frage voranzugehen, ob das betreffende Gebäude baubehördlich bewilligt sei oder nicht. Da das bestehende Gebäude, wie bereits ausgeführt, "einer aufrechten Baubewilligung harre" und die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für einen Zu- und Umbau an einem konsenslosen Gebäude rechtlich nicht möglich sei, liege im gegenständlichen Fall nicht ein Zu- und Umbau, sondern vielmehr ein Neubau vor, für den neuerlich eine Baubewilligung erwirkt werden müsse. Da der Gemeinderat die Rechtslage verkannt habe, habe er seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gemeinde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Ausführungen im Bescheid der belangten Behörde betreffend die jeweils anzuwendende Rechtslage im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde treffen zu. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung im Jahre 1947 galt für das gegenständliche Gebiet die Bauordnung für Wien. Aufgrund des Bundesverfassungsgesetzes vom 26. Juli 1946, betreffend die Änderung der Grenzen zwischen den Bundesländern Niederösterreich und Wien (Gebietsänderungsgesetz), BGBl. Nr. 110/1954, und aufgrund der Zweiten Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. August 1954, GZ. LA I/11-13/9-54, betreffend die Einführung von Niederösterreichischem Landesrecht in den vom Bundesland Wien an das Bundesland Niederösterreich zurückfallenden Gebieten, waren zufolge dessen § 1 Abs. 1 Z. 13 das Gesetz vom 17. Jänner 1883, LGBl. Nr. 36 in der Fassung der Novelle, LGBl. Nr. 17/1887, 132/1922 und 70/1934 (Bauordnung für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns mit Ausschluß der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien) anzuwenden.
Am 31. Dezember 1969 trat in Niederösterreich die Niederösterreichische Bauordnung 1969 in Kraft
(LGBl. Nr. 166/1969). Zufolge des § 122 Abs. 1 dieses Gesetzes verlor mit diesem Tag die Bauordnung für Niederösterreich, LGBl. Nr. 36/1883, in der Fassung der Novellen
LGBl. Nr. 17/1887, 132/1922, 70/1934 und 131/1955, ihre Wirksamkeit, ausgenommen hinsichtlich der im § 121 Abs. 3 genannten Verfahren. Die letztgenannte Bestimmung bezog sich auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren, die nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen waren. Alle anderen anhängigen Verfahren waren nach den Bestimmungen dieses Gesetzes durchzuführen. Nach § 121 Abs. 2 dieses Gesetzes erlöschen Bewilligungen, die auf Widerruf erteilt wurden, spätestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Befristete Bewilligungen wurden durch das Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht berührt.
Da sich § 121 Abs. 2 leg. cit. ganz allgemein auf Bewilligungen, die auf Widerruf erteilt wurden, bezieht und keine Einschränkungen dahingehend enthält, daß sich diese Bestimmung nur auf Bewilligungen bezöge, die aufgrund der Niederösterreichischen Bauordnung erteilt worden wären, ist diese Bestimmung auch auf jene Objekte anzuwenden, für die zwischen 1938 und 1954 Baubewilligungen nach der Bauordnung für Wien erteilt wurden.
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach das gemäß § 71 der Bauordnung für Wien gegen jederzeitigen Widerruf bewilligte Gebäude mit 31. Dezember 1974 konsenslos geworden ist, da mit diesem Tag ex lege die auf Widerruf erteilte Bewilligung erloschen ist, trifft somit grundsätzlich zu.
Die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates durch die belangte Behörde erfolgte aufgrund der Vorstellung des mitbeteiligten Nachbarn, der sich im Bauverfahren gegen die Nichteinhaltung der erforderlichen Abstände ausgesprochen hat. Erst in seiner Vorstellung hat dieser Mitbeteiligte darauf hingewiesen, daß das Objekt, dessen Umbau beantragt wurde, an einer vollkommen anderen als der bewilligten Stelle stehe. Die Entfernung von der vorderen Grundgrenze sei statt 20,50 m tatsächlich nur 13,25 m, es sei schon aus diesem Titel ein konsensloser Umbau, es sei die Lage falsch, die Konstruktion und die Widmung seien geändert, eine nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung für dieses Vorhaben sei nicht möglich. Entsprechend § 118 Abs. 9 Z. 1 und § 118 Abs. 9 Z. 4 BO komme dem Nachbarn hinsichtlich des Brandschutzes und der Seitenabstände ein subjektiv-öffentliches Recht zu.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, ausgesprochen hat, ist das Mitspracherecht im Falle einer beschränkten Parteistellung, wie es für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, in zweierlei Hinsicht beschränkt: Es ist einerseits auf jenen Themenkreis eingeschränkt, in dem die jeweilige Bauordnung dem Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte einräumt, andererseits auf jenen, in dem diese Partei rechtzeitig Einwendungen erhoben hat. Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes sind durch eine gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion auf die Prüfung rechtzeitig erhobener Einwendungen beschränkt. Mit seinen Einwendungen vor der mündlichen Verhandlung, zu der der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG geladen wurde, hat der Mitbeteiligte lediglich die Verletzung von Abstandsbestimmungen und in diesem Zusammenhang die Feststellung des Grenzverlaufes geltend gemacht. Er hat erst im Vorstellungsverfahren darauf hingewiesen, daß die Lage, Konstruktion und Bauwidmung des seinerzeit bewilligten Gebäudes nunmehr gänzlich verändert seien. Ein Hinweis darauf, daß das Gebäude infolge der Bestimmung des § 121 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung aus 1969 konsenslos sei, ist in den Ausführungen des Mitbeteiligten nicht enthalten.
Es war daher zu prüfen, ob die belangte Behörde aufgrund der rechtzeitig erhobenen Einwendungen betreffend Abstandsverletzungen die Rechtsfrage der Konsenslosigkeit aufgreifen durfte.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen der Beschwerdefall keinen Anlaß bietet, beziehen sich die Präklusionsfolgen nach § 42 AVG nur auf das Recht selbst, dessen Verletzung geltend gemacht wird, nicht aber auf die Begründung, auf die sich diese Behauptung stützt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, auf Seite 283 zu 33a und 33b angeführte hg. Judikatur).
Bei der Prüfung, ob die erforderlichen Abstände zum Mitbeteiligten eingehalten werden, ist zunächst die Frage zu klären, ob hinsichtlich der Abstände zum Grundstück des Mitbeteiligten durch die beantragten Baumaßnahmen eine Veränderung eintritt oder nicht. Schon diese Frage war zu bejahen: In der ursprünglichen Baubewilligung gemäß § 71 WBO vom 25. Oktober 1947 ist ein Abstand von 1,50 m von der rechten Grundgrenze vorgesehen, der nunmehrige Abstand beträgt aufgrund der zu einem unbekannten Zeitpunkt erfolgten offensichtlichen Verstärkung der Mauer von 7 cm auf 25 cm und des nunmehr zusätzlich aufzubringenden Vollwärmeschutzes mit einer Dicke von 5 cm jedenfalls weniger als 1,50 m (laut Plan 119 cm). Schon aufgrund der gegenüber der ursprünglichen Baubewilligung aus dem Jahre 1947 durch das Bauvorhaben reduzierten Abstände zur Grundgrenze des Mitbeteiligten wären die Gemeindebehörden gehalten gewesen, die rechtzeitig erhobenen Einwendungen des Mitbeteiligten zu berücksichtigen. Auf die Einhaltung dieser Bestimmungen steht dem Nachbarn zufolge § 118 Abs. 9 Z. 1 (Brandschutz) und Z. 4 (Abstände) der Nö. BO 1976, LGBl. 8200 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-12, ein subjektiv-öffentliches Recht zu. Da die Gemeindebehörden, die die rechtzeitige Geltendmachung der dem Mitbeteiligten zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte nicht berücksichtigt haben, die erforderlichen Abstände (vgl. § 66 Abs. 4 Nö. BO) durch das Bauvorhaben nicht eingehalten wurden und Feststellungen in bezug auf § 120 Abs. 3 der Nö. BO, wonach eine Baubewilligung für einen Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes zu versagen ist, wenn dieses Gebäude hinsichtlich seiner Anordnung auf dem Bauplatz oder seiner Höhe in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung stehen würde, überhaupt fehlen (ein Bebauungsplan wurde nicht erlassen), wäre schon aus diesem Grunde die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde durch die belangte Behörde grundsätzlich zu Recht erfolgt. Die Annahme, daß ein Umbau vorliegt, der eine Prüfung im Sinne des § 120 Abs. 3 Nö. BO erforderlich macht, ist schon deshalb begründet, weil gegenüber der seinerzeitigen Bewilligung die Raumeinteilung und die Lage der sanitären Einrichtungen verändert sowie die ehemalige Waschküche und der Kleintierstall aufgelassen wurden und an dieser Stelle Aufenthaltsräume errichtet sind.
Ungeachtet dessen ist aber festzustellen, daß die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde ihre Prüfungsbefugnis im Sinne des bereits zitierten hg. Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1980 überschritten hat, weil sie einen anderen Aufhebungsgrund heranzog, obwohl der Mitbeteiligte keine rechtzeitigen Einwendungen dahingehend erhoben hat, daß das Gebäude zur Gänze konsenslos sei.
Art. 116 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 119a Abs. 9 B-VG gewährleistet der Gemeinde ein subjektives Recht auf Selbstverwaltung und demzufolge einen Abwehranspruch gegenüber rechtswidrigen aufsichtsbehördlichen Verwaltungsakten. Da zwar der Bescheid des Gemeinderates geeignet war, Rechte des Mitbeteiligten zu verletzen und somit die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates durch die Aufsichtsbehörde grundsätzlich zu Recht erfolgte, jedoch die die Aufhebung tragenden Gründe Bindungswirkung entfalten, die Gründe, auf die die belangte Behörde die Aufhebung gestützt hat, zufolge der diesbezüglichen Präklusion des Mitbeteiligten von der Aufsichtsbehörde aber nicht aufgegriffen werden durften, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da ausschließlich Rechtsfragen zu klären waren.
Zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des § 121 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1969, in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 166/1969 und LGBl. 8200/1-3, und des § 121 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-0, wonach Bewilligungen, die auf Widerruf erteilt wurden, spätestens am 31. Dezember 1974 erlöschen, sah sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, da diese Bestimmungen für die Aufhebung des angefochtenen aufsichtsbehördlichen Bescheides nicht präjudiziell waren.
Mit der Entscheidung über die Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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