Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte beim Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz am 27. September 1994 die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten, einem rechtmäßig in Österreich aufhältigen Fremden. Aus einem von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten Bericht der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Juni 1995 ging hervor, daß sich die Beschwerdeführerin in Österreich aufhalte. Über Vorhalt dieses Umstandes mit Schreiben vom 10. Juli 1995 äußerte sich die Beschwerdeführerin dahingehend, daß ihre familiären Interessen im Sinne des Art. 8 MRK zu berücksichtigen seien, sodaß ihr selbst im Falle eines unrechtmäßigen Aufenthaltes und einer unrechtmäßigen Einreise eine Aufenthaltsbewilligung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu erteilen sei.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz für den Landeshauptmann von Oberösterreich vom 11. September 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 und 7 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei in Österreich aufhältig. Sie verfüge über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich. Ihr unrechtmäßiger Aufenthalt verwirkliche den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Überdies sei sie unrechtmäßig nach Österreich eingereist, wodurch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG gegeben sei. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie bestritt unsubstantiiert das Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet allein sei auch nicht geeignet, die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 getroffene Gefährdungsprognose zu rechtfertigen. Die Beschwerdeführerin verwies insbesondere auf ihre familiären Interessen durch die Anwesenheit ihres Ehegatten, wobei sie infolge ihrer Trennung von ihm unter Depressionen gelitten habe. Auch sei dem Ehepaar am 25. März 1995 in Österreich ein Sohn geboren worden.
Mit Bescheid vom 17. Jänner 1996 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet rechtfertige - wie auch die erstinstanzliche Behörde zutreffend erkannt habe - die Annahme, der Aufenthalt der Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zumal das Verhalten der Beschwerdeführerin auf andere Fremde Beispielswirkung haben könnte. Der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei daher gegeben. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.
Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet überwögen die öffentlichen Interessen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an der Familienzusammenführung mit ihren in Österreich anwesenden Angehörigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§§ 3 Abs. 1 Z. 2 und 5 Abs. 1 AufG lauten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
...
2. von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,
ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet rechtfertigt die Annahme, sein weiterer Aufenthalt aufgrund einer zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung gefährden, wenn dieser Fremde bislang weder über einen gewöhnlichen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte (vgl. demgegenüber für den unrechtmäßigen Aufenthalt im Anschluß an den Ablauf solcher Berechtigungen das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907). Daß der Beschwerdeführerin derartige Berechtigungen erteilt worden wären, behauptet sie weder in der Beschwerde noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte aus dem Akteninhalt.
Wenn sich die Beschwerdeführerin auf einen Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG beruft, so ist ihr zu entgegnen, daß ein solcher das Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG voraussetzt. Gerade ein solcher Versagungsgrund ist jedoch im Falle der Beschwerdeführerin infolge Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegeben.
Bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG hat die Behörde - wenn sie es, wie im vorliegenden Fall, unterläßt, Feststellungen über die Rechtmäßigkeit der Einreise zu treffen - auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, indem sie zu prüfen hat, ob sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0380).
Auf Basis der Bescheidfeststellungen verfügte die Beschwerdeführerin weder über einen gewöhnlichen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung. Eine Einschränkung eines gedachten durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes der Beschwerdeführerin auf Neuzuwanderung zur Wahrung ihrer familiären Interessen im Inland durch die hier auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützte Entscheidung ist aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK auch unter Bedachtnahme darauf gerechtfertigt, daß die Beschwerdeführerin infolge der Trennung von ihrem Ehegatten unter Depressionen litt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführerin ein aus Art. 8 Abs. 1 MRK abgeleitetes Recht auf Familiennachzug überhaupt zusteht.
Wenn sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, sowie vom 16. März 1995, Slg. Nr. 14.091, beruft, ist ihr zu entgegnen, daß diesen Erkenntnissen Fälle zugrundelagen, in denen sich der Fremde bereits viele Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt und diese Berechtigungen durch Zeitablauf endeten. Dies ist jedoch bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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