Normen
AufG 1992 idF 1995/351 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 idF 1995/351 §5 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §4 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 idF 1995/351 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 idF 1995/351 §5 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §4 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenaufwand wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Geltungsdauer vom 31. Juli 1993 bis 31. Juli 1995. Sie beantragte am 26. Juni 1995 die Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. November 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am 15. November 1995.
Am 2. April 1996 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Bewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich aufhältigen Ehegatten, für den nach der Aktenlage eine Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum 1. Jänner 1996 bis 31. Dezember 1996 ausgestellt war.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juni 1996 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG und § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführerin habe den gegenständlichen Antrag vom Inland aus gestellt. Ein Fall einer ausnahmsweisen Erstantragstellung vom Inland aus liege bei der Beschwerdeführerin nicht vor, weil bereits ihr vorangegangener Verlängerungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe trotz rechtskräftiger Abweisung ihres Verlängerungsantrages vom 26. Juni 1995 das Bundesgebiet nicht verlassen. Sie sei (nach der Aktenlage vor Abweisung ihres Antrages vom 26. Juni 1995) lediglich einmal kurzfristig nach Kroatien gereist, um dem Begräbnis ihres Sohnes beizuwohnen. Ihr unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich rechtfertige die Annahme, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin aufgrund der zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gefährden. Die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Zwar bestünden durch den Aufenthalt ihres Gatten im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen in Österreich. Im Hinblick auf die Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin verstoße die Versagung der Bewilligung jedoch nicht gegen Art. 8 MRK.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 Abs. 3 Z. 4, § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG in der Fassung BGBl. Nr. 351/1995 lauten (auszugsweise):
"§ 2. ...
(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere
...
4. in Österreich geborene Kinder von Fremden ..., sowie Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines und deren Familienangehörige im Sinne des § 3, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, und ...
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (26. Juni 1996) war für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, maßgebend. § 4 Z. 4 dieser Verordnung lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie lebe seit 1991 in Österreich mit ihrem Ehegatten und dem gemeinsamen Kind. Die Beschwerdeführerin habe rechtzeitig vor Ablauf ihrer letzten Aufenthaltsbewilligung einen Verlängerungsantrag eingebracht.
Dieser Argumentation ist zunächst entgegenzuhalten, daß der (rechtzeitig gestellte) Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin vom 26. Juni 1995 mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. November 1995 abgewiesen wurde. Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist der nach rechtskräftiger Abweisung dieses Antrages gestellte neuerliche Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. April 1996.
Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Rechtsauffassung, ein Fall einer ausnahmsweise zulässigen Antragstellung im Inland liege deshalb nicht vor, weil bereits der vorangegangene Verlängerungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden sei. Damit verkennt die belangte Behörde den Regelungsgehalt des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995. Diese Bestimmung stellt nämlich - wie auch der diesbezüglich übereinstimmende Wortlaut der Verordnungsermächtigung in § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG zeigt - ausschließlich auf zwei Kriterien ab, nämlich ob für den Antragsteller oder einen seiner Familienangehörigen im Sinne des § 3 AufG eine der zitierten ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bewilligungen ausgestellt ist und ob der Antragsteller selbst jemals eine Aufenthaltsbewilligung hatte. Ohne Bedeutung für das Vorliegen einer zulässigen Antragstellung im Inland ist es aber, ob die für den Antragsteller zuletzt ausgestellte Aufenthaltsbewilligung durch Fristablauf oder aber durch die Abweisung eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages endete.
Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsauffassung unterließ es die belangte Behörde festzustellen, daß für den Ehegatten der Beschwerdeführerin, also einen Angehörigen im Sinne des § 3 AufG eine Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Jänner 1996 bis 31. Dezember 1996, also auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (vgl. zu diesem Erfordernis das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0613), ausgestellt war. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes wäre die Beschwerdeführerin, die eine Aufenthaltsbewilligung hatte, zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt gewesen.
In Ansehung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG i. V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist Nachstehendes auszuführen: Die Beschwerdeführerin tritt der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, sie habe sich auch nach Erlassung des Bescheides vom 6. November 1995 weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen. Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. März 1997, Zl. 95/19/0867) ausgeführt hat, rechtfertigt ein länger dauernder Aufenthalt eines Fremden im Anschluß an die rechtskräftige Abweisung seines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages grundsätzlich die Annahme, sein weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat jedoch dann Platz zu greifen, wenn der sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Fremde zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt ist. Durch die in § 6 Abs. 2 dritter Satz in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG enthaltene Verordnungsermächtigung an die Bundesregierung (von der diese auch Gebrauch gemacht hat), näher umschriebenen Gruppen von Fremden, die sich nach dem Ende ihrer Aufenthaltsbewilligung weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die Möglichkeit zur Antragstellung im Inland einzuräumen, gab der Gesetzgeber zu erkennen, daß er die vom unrechtmäßigen Aufenthalt solcher zur Antragstellung im Inland berechtigter Fremder ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens nicht für so gravierend erachtet, daß daraus die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG maßgebliche Prognose abzuleiten wäre, auch ihr weiterer Aufenthalt aufgrund einer zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung (auf diesem Gebiet) gefährden. Aus diesem Grund ist der von der Behörde gebrauchte Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG von der hier aufgezeigten Rechtswidrigkeit der Abweisung aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG mitumfaßt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die vorgelegten Kopien aus den Reisedokumenten der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten sowie des Meldezettels betreffend die Beschwerdeführerin dienten nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil diese Urkunden bereits im Verwaltungsakt enthalten waren.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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