Normen
AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §4 Abs2 idF 1995/351;
AVG §13 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §4 Abs2 idF 1995/351;
AVG §13 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage über eine vom 15. Juni 1994 bis zum 27. Jänner 1995 gültige Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft. Mit Bescheid vom 13. September 1995 wies der Landeshauptmann von Wien einen Antrag der Beschwerdeführerin vom 5. Jänner 1995 auf (neuerliche) Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich ab. Begründend wurde ausgeführt, die Voraussetzung einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft sei insofern nicht erfüllt worden, als nach dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens in der antragsgegenständlichen Wohnung im 3. Wiener Gemeindebezirk, die eine Nutzfläche von lediglich 30 m2 aufweise, bei Erteilung der Aufenthaltsbewilligung insgesamt vier Personen wohnen würden und im Hinblick auf eine derartige Beengtheit eine für Inländer ortsübliche Unterkunft jedenfalls nicht vorliege. Außerdem würden den "beiden Kindern" (gemeint offenbar: der Beschwerdeführerin und ihrem Bruder) nicht, wie in Österreich üblich, ein eigener, räumlich abgetrennter Wohnraum zur Verfügung stehen.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Am 29. September 1995 stellte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter, neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter.
Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. Oktober 1995 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin habe bereits am 5. Jänner 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der erstinstanzlich mit Bescheid vom 13. September 1995 rechtskräftig abgewiesen worden sei, gestellt. Es liege entschiedene Sache vor, weil sich gegenüber dem früheren Antrag weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt, "welches" von der Mutter der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet worden sei, geändert habe.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 22. Jänner 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe am 29. September 1995 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, der vom Landeshauptmann von Wien mit der Begründung zurückgewiesen worden sei, dass über einen "gleich lautenden Antrag" vom 5. Jänner 1995 bereits rechtskräftig entschieden worden sei, weshalb der neuerliche Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen sei. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG seien Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 finde, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Entschiedene Sache liege vor, wenn sich das Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren decke und weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten sei. Auf Grund der vorliegenden Aktenlage stehe fest, dass die Beschwerdeführerin am 5. Jänner 1995 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt habe, der mit Bescheid vom 13. September 1995, zugestellt am 23. September 1995, wegen Fehlens einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft abgewiesen worden sei. Dagegen sei keine Berufung erhoben worden. Im Antrag vom 29. September 1995, der insbesondere auch in Bezug auf die Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin mit ihrem vorherigen Antrag ident gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin auch keine Umstände angegeben, die auf eine mittlerweile eingetretene allfällige Änderung der Sachlage hinwiesen und somit die Behörde erster Instanz zu einer Sachentscheidung verpflichtet hätten. Zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheides hätten deswegen die Voraussetzungen gemäß § 68 Abs. 1 AVG vorgelägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 4 Abs. 1 und 2 AufG lautete in der für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995:
"§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.
(2) Eine Bewilligung gemäß Abs. 1 ist zunächst befristet für höchstens ein Jahr zu erteilen. Sie kann jeweils um höchstens zwei weitere Jahre verlängert werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) eingetreten ist. Fremden, die ohne Unterbrechung seit fünf Jahren eine Bewilligung haben, kann eine unbefristete, sofern die Voraussetzungen hiefür nicht gegeben sind, eine mehrjährige Bewilligung erteilt werden."
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die Beschwerdeführerin bereits am 5. Jänner 1995 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt hatte, dieser Antrag mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. September 1995 (mangels des Vorliegens einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft) abgewiesen worden ist und in Rechtskraft erwachsen war. In Frage steht, ob die belangte Behörde (im Instanzenzug) den am 29. September 1995 gestellten neuerlichen Antrag der Beschwerdeführerin wegen entschiedener Sache zurückweisen durfte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1997, Zl. 95/19/0321, ausgesprochen hat, kommt der förmlichen Stellung eines weiteren Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung während der Anhängigkeit eines Aufenthaltsverfahrens (sei es auch in der Berufungsinstanz) nicht der Charakter einer bloßen Erinnerung an die Entscheidungspflicht oder eines ergänzenden Vorbringens in dem bereits anhängigen Aufenthaltsverfahrens zu; vielmehr ist über einen solchen (weiteren) Antrag in einem eigenständigen Verfahren zu entscheiden. "Sache" des Aufenthaltsverfahrens ist nach dem zitierten hg. Erkenntnis daher nicht die Frage, ob dem Antragsteller überhaupt eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist, sondern ob dies auf Grund eines konkreten, von ihm in einem bestimmten Zeitpunkt gestellten Antrages zu geschehen hat.
Dieser Rechtsprechung ist die Überlegung zu entnehmen, dass mit der bloßen, nicht auf einen konkreten Zeitraum bezogenen, Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nur zum Ausdruck gebracht wird, dass dem Fremden für den Entscheidungszeitpunkt - aus der Sicht der Behörde: "jetzt" - keine Aufenthaltsbewilligung (für welche Gültigkeitsdauer auch immer) erteilt wird, nicht aber, dass die Behörde damit eine Bewilligung "bis auf weiteres" (über den konkreten Antrag hinaus) versagt. In dem die Behörde nur für den Entscheidungszeitpunkt die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (bezogen auf einen bestimmten Antrag) versagt, steht im System des Aufenthaltsgesetzes einer weiteren Entscheidung über einen späteren Antrag das Hindernis der entschiedenen Sache schon deshalb nicht entgegen.
Bezogen auf den Fall der Beschwerdeführerin bedeutet dies, dass die belangte Behörde den am 29. September 1995 gestellten (weiteren) Antrag nicht wegen entschiedener Sache hätte zurückweisen dürfen.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass - nach der Aktenlage (die belangte Behörde hat dazu keine Feststellungen getroffen) - die Beschwerdeführerin über eine bis zum 27. Jänner 1995 gültige Aufenthaltsbewilligung verfügte. Ihr am 5. Jänner 1995 gestellter Antrag war demnach als rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag zu werten. Die rechtskräftige Abweisung dieses Antrages mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. September 1995 bewirkte daher nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1998, Zlen. 96/19/3315, 3316, 3674, 3675), dass ein nahtloser Anschluss einer künftigen Bewilligung der Beschwerdeführerin an die ihr zuletzt erteilte, mit 27. Jänner 1995 auslaufende Aufenthaltsbewilligung (gegebenenfalls durch die Erteilung einer Bewilligung für im Zeitpunkt der Entscheidung bereits zurückliegende Zeiträume) endgültig nicht mehr möglich war. Zu Recht wertete daher bereits die Behörde erster Instanz den weiteren, nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag nicht mehr als Verlängerungs-, sondern als Erstantrag. Seine Zurückweisung wegen entschiedener Sache war aber, wie oben ausgeführt, nicht zulässig.
Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 5. November 1999
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