Normen
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Juli 1996 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag vom 24. April 1995 behauptet, daß er als Kurde verfolgt würde. Des näheren verwies sie dazu auf das vom Beschwerdeführer im Asylverfahren erstattete Vorbringen. Dort habe dieser am 8. November 1991 angegeben, seine kurdische Abstammung hätte ihn dazu bewogen, sich 1984 der PKK anzuschließen und diese Organisation durch Geldmittel zu unterstützen. Am 2. Mai 1991 wäre er mit drei Freunden in Istanbul beim Anbringen von Plakaten festgenommen und tags darauf dem Staatsanwalt "zur weiteren Veranlassung" vorgeführt worden. Der Journalrichter hätte seine Inhaftierung angeordnet und er wäre in das Gefängnis von Pasakapi in Istanbul eingeliefert und dort drei Wochen festgehalten worden. Sein Anwalt hätte am 24. Mai 1991 seine Enthaftung gegen Kaution erwirkt und er wäre bis zu seiner Gerichtsverhandlung auf freien Fuß gesetzt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre er weder von der Polizei noch von den Gefängnisaufsehern mißhandelt worden. Nach seiner Haftentlassung hätte der Beschwerdeführer erfahren, daß Personen, die die PKK unterstützten, in der Türkei eine Haftstrafe von acht bis zehn Jahren zu erwarten hätten, und daß diese Verurteilten später von Sicherheitskräften mißhandelt werden würden, um von ihnen weitere Geständnisse zu erzwingen. Dies und der Umstand, daß nach seiner Verhaftung mehrere Hausdurchsuchungen bei ihm durchgeführt worden wären, bei denen auch seine Familie "hart angefaßt" worden wäre, hätte ihn dazu bewogen, gemeinsam mit seiner Familie die Türkei zu verlassen. Er wäre illegal über die Grenze nach Österreich gekommen.
Der Beschwerdeführer habe selbst zugegeben, daß er die kurdische Arbeiterpartei PKK (eine Organisation, die sich in den letzten Jahren wiederholt öffentlich zu Anschlägen gegen militärische und sicherheitsbehördliche, aber auch zivile Einrichtungen bekannt habe) durch Geldmittel und Propaganda unterstützt hätte, woraufhin ein behördliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden wäre. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung sei somit wegen Unterstützung krimineller Handlungen und nicht wegen seiner Gesinnung erfolgt. Setze aber ein Staat Handlungen oder verfolge er Personen aus Motiven, die in freiheitlichen demokratischen Rechtsordnungen als legitim angesehen würden, so könne von einer "politischen Verfolgung" wohl keine Rede sein. Terrorismus und sonstiges "politisches Bandenunwesen" würden aber in allen Demokratien mit den Mitteln des Strafrechtes als eine der gefährlichsten Varianten des gemeinen Verbrechens scharf bekämpft. Die Bekämpfung richte sich nicht nur gegen die unmittelbare Täterschaft, sondern auch gegen flankierende Handlungen, wie Propaganda und Begünstigung, deren sich der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge schuldig gemacht habe. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung bewege sich von der staatlichen Motivation her im Rahmen eines legitimen hoheitlichen Strafanspruches. Es sei das Recht eines jeden Staates, Ermittlungen gegen Organisationen zu führen, die die innere Sicherheit und Stabilität bedrohten. Kurzfristige Festnahmen und Verhöre über allfällige Verbindungen zu terroristischen Untergrundorganisationen seien durchaus rechtmäßig und in allen Staaten üblich. Es stehe somit fest, daß der Beschwerdeführer nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe verfolgt worden sei.
Im übrigen erachte die belangte Behörde die dreiwöchige Haft des Beschwerdeführers, die zudem bereits fünf Jahre zurückliege, nicht für ausreichend, um eine aktuelle Gefährdung oder Bedrohung seiner Person i.S. des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG in der Türkei glaubhaft zu machen.
Der in der Berufung und in der Niederschrift vom 21. Mai 1996 aufgestellten Behauptung des Beschwerdeführers, er wäre während seiner dreiwöchigen Untersuchungshaft mißhandelt und gefoltert worden, sei entgegenzuhalten, daß er bei seiner ersten Einvernahme im Asylverfahren angegeben habe, in der Haft nie geschlagen oder gefoltert worden zu sein. Die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers entbehrten jeder Glaubwürdigkeit. Das in der Berufung erstmals vorgebrachte Argument, daß die Gattin des Beschwerdeführers vergewaltigt worden wäre, sei nicht geeignet, eine Bedrohung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 FrG zu begründen. Schließlich spreche auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer im November 1993 einen türkischen Reisepaß von der Botschaft erhalten habe, nicht für eine aktuelle Bedrohung i.S. der genannten Bestimmung.
Angesichts des gegebenen Sachverhaltes könnten keine stichhältigen Gründe für die Annahme objektiviert werden, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat gemäß § 37 FrG bedroht sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 97/18/0454 mwN).
2. Die belangte Behörde hat - den Angaben des Beschwerdeführers folgend - als erwiesen angenommen, daß er die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) durch "Geldmittel und Propaganda" unterstützt habe und deshalb verhaftet worden sei. Sie hat aus diesem Sachverhalt im Hinblick auf ihre Einschätzung der PKK als einer "terroristischen Untergrundorganisation" den Schluß gezogen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung "wegen Unterstützung krimineller Handlungen und nicht wegen seiner Gesinnung" erfolgt sei. Von einer "politischen Verfolgung" könne daher keine Rede sein. Vielmehr werde "Terrorismus und "politisches" Bandenunwesen" in allen Demokratien als eine der gefährlichsten Varianten des "gemeinen Verbrechens" scharf bekämpft.
3. Für ihre Einstufung der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) als einer (ausschließlich) terroristischen bzw. kriminellen Untergrundorganisation ist die belangte Behörde eine nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben. Der Umstand, daß - worauf im angefochtenen Bescheid hingewiesen wird - die PKK zur Erreichung ihrer Ziele sich auch zu Anschlägen gegen "militärische und sicherheitsbehördliche, aber auch zivile Einrichtungen" bekannt hat, schließt für sich allein nicht aus, ihr den Charakter einer politischen Partei (Gruppierung) abzusprechen. Aufgrund der insoweit vorliegenden Feststellungs- und Begründungsmängel war es der belangten Behörde auch (noch) nicht möglich, die aktive Unterstützung der PKK durch den Beschwerdeführer als "gemeines Verbrechen" zu werten, mit der Folge, daß eine Verfolgung seiner Person aus diesem Grund keine solche wegen seiner politischen Ansichten (§ 37 Abs. 2 FrG) sein könne. Dazu sei auf die - in der Beschwerde zutreffend angeführte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach auch wegen (bloß) relativ politischer Delikte drohende Verfolgung (Bedrohung des Lebens oder der Freiheit) eine Verfolgung aus Gründen der politischen Ansichten darstellen kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 93/18/0182, mwN). Des weiteren ist - auch darauf hat die Beschwerde zu Recht hingewiesen - das Argument der belangten Behörde, daß die bereits fünf Jahre zurückliegende dreiwöchige Haft des Beschwerdeführers nicht ausreiche, eine aktuelle Gefährdung oder Bedrohung seiner Person i.S. des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, im Hinblick darauf nicht tragfähig, daß es sich bei der besagten Inhaftierung lediglich um eine Untersuchungshaft gehandelt hat. Mit der Bezugnahme auf eine lediglich kurzzeitige, länger zurückliegende Untersuchungshaft allein kann die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr einer Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen seinerzeitiger aktiver Unterstützung der PKK im Fall seiner Rückkehr in die Türkei nicht als unglaubwürdig gewertet werden.
4. Nach dem Gesagten war der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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