VwGH 96/18/0011

VwGH96/18/00119.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, in der Beschwerdesache des Z M M, (geb. 15.5.1967), in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. September 1995, Zl. SD 646/94, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §22 Abs1;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §22 Abs1;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Juli 1995 war der Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, vom 30. Dezember 1994 auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung gemäß § 54 Abs. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, als verspätet zurückgewiesen worden.

Der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen werde.

Es sei unbestritten, daß der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Bescheid vom 12. September 1994 ausgewiesen worden und dieser Bescheid mit seiner Zustellung am 2. Dezember 1994 in Rechtskraft erwachsen sei. Gemäß § 54 Abs. 2 FrG könne ein Antrag im Sinn des § 54 Abs. 1 leg. cit. nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden. Dabei handle es sich um eine abschließende Aufzählung der Verfahren, während welcher ein solcher Antrag eingebracht werden könne. Da der vorliegende Antrag erst nach Rechtskraft des Ausweisungsverfahrens gestellt worden sei, sei dieser Antrag zurückzuweisen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er die Bestimmung des § 54 FrG, welcher die Antragstellung nach § 37 FrG zeitlich beschränke, verfassungswidrig halte, sei nicht zielführend, komme doch der belangten Behörde für die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung "keine Kompetenz zu".

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde ablehnte (Beschluß vom 28. November 1995, B 3209/95-5) und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 12. Dezember 1995, B 3209/95-7).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer (der Sache nach) Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist. Zufolge des § 54 Abs. 2 leg. cit. kann dieser Antrag nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

2. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, er habe den Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG erst eingebracht, nachdem die gegen ihn erlassene Ausweisung bereits rechtskräftig gewesen sei. Auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Auffassung keinem Einwand.

3.1. Der Beschwerdeführer bringt indes vor, er habe seinen Antrag gemäß § 54 FrG auf Tatsachen gestützt, die erst nach Erlassung des Ausweisungsbescheides in zweiter Instanz hervorgekommen seien, nämlich das ihm erst danach zugegangene Schreiben seines Rechtsanwaltes in Pakistan. Der Fall, daß nach Erlassung einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbotes Gründe für eine Gefährdung gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 hervorkämen, sei in § 54 Abs. 2 FrG nicht vorgesehen. Wenn nun ein Antragsteller erst nach rechtskräftiger Beendigung des Ausweisungsverfahrens (bzw. eines Aufenthaltsverbotsverfahrens) Kenntnis von einer ihm in seinem Heimatstaat drohenden Verfolgung erlange, sei aber die Frist des § 54 Abs. 2 FrG unbeachtlich. Sollte die Regelung des § 54 Abs. 2 FrG "nicht analogiefähig sein", wäre sie unsachlich, da ein sogenannter sur-place-Flüchtling, über welchen ein Aufenthaltsverbot bzw. eine Ausweisung verhängt worden sei, niemals einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in seinen Heimatstaat stellen könnte.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch die in § 54 Abs. 2 FrG festgelegte zeitliche Beschränkung, derzufolge ein Antrag nach § 54 Abs. 1 leg.cit. nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden kann, keine verfahrensrechtliche Frist normiert. Eine Antragstellung während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes stellt somit eine materielle Voraussetzung für die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat dar. Aus welchen Gründen der Fremde eine rechtzeitige Antragstellung nach § 54 Abs. 1 FrG versäumt hat, ist für die Rechtsfolge des Anspruchsverlustes bedeutungslos. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut tritt die Rechtsfolge der Fristversäumung zwingend ein. Wenn auch der Fremde über die Möglichkeit eines derartigen Feststellungsantrages rechtzeitig in Kenntnis zu setzen ist, hat die Unterlassung dieser Belehrung nicht zur Folge, daß dem Fremden eine Antragstellung auch nach rechtskräftigem Abschluß eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes offen stünde. Die vorgeschriebene Belehrung des Fremden ist kein Ereignis, das für die Frist zu einer Antragstellung nach § 54 Abs. 1 leg. cit. rechtliche Bedeutung hat. (Vgl. zu dem Ganzen das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0674, mwH; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1107, m.w.H.)

Auf dem Boden dieser Rechtsprechung ist der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig zu erkennen, hat doch der Beschwerdeführer - wie oben II.2. dargestellt - seinen Antrag nach § 54 FrG erst nach dem rechtskräftigen Abschluß des Ausweisungsverfahrens gestellt. Daß dieser Antrag von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen und nicht abgewiesen wurde, hat den Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt.

Ergänzend wird angemerkt, daß nach rechtskräftigem Abschluß eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes die Unzulässigkeit der Abschiebung von Fremden nur im Wege eines Antrages nach § 36 Abs. 2 FrG geltend gemacht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0753).

3.3. Nach dem Gesagten (vgl. insb. Pkt. II.3.2.) ist auch die Verfahrensrüge, der Beschwerdeführer sei von der belangten Behörde nicht rechtzeitig von der Möglichkeit zur Stellung eines Antrages nach § 54 Abs. 1 FrG und "deren Befristung" in Kenntnis gesetzt worden, nicht zielführend.

4. Da die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Februar 1999

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