VwGH 96/16/0285

VwGH96/16/028512.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der EN und des FW, Gesellschafter der A Gesellschaft nach bürgerlichem Recht in M, vertreten durch Dr. Helfried Krainz, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 57, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 8. November 1996, Zl. 3-1/N 10/1/1/1996/H, betreffend Abrechnungsbescheid, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §216;
BAO §216;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. April 1994 schrieb das Hauptzollamt Linz der "Firma Automobile E.N ...-Dr. F.W ..." in München eine kraft Gesetzes nach § 174 Abs. 3 lit. c und Abs. 4 ZollG entstandene Zollschuld in der Höhe von S 12.446,-- vor. Die Zustellverfügung lautete auf "Firma Automobile E.N ... -

Dr. F.W ..." in München. Beim Zustellvorgang traf der Zusteller an der angegebenen Adresse in München am 7. Mai 1994 keinen Empfänger oder Vertretungsberechtigten an. Der Empfänger wurde schriftlich von der vorzunehmenden Niederlegung (= Hinterlegung) benachrichtigt. Die Sendung wurde noch am selben Tag niedergelegt (= hinterlegt) und in der Folge nicht behoben.

Mit Schriftsatz vom 15. November 1995 beantragte die genannte Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, vertreten durch den Beschwerdevertreter, die Erlassung eines Abrechnungsbescheides. Mit dem weiteren Schriftsatz vom 8. März 1996 wurde behauptet, der Rückstandsausweis vom 1. Oktober 1995 sei deshalb unrichtig, weil die sich aus der Rückstandsaufgliederung ergebenden Abgaben niemals vorgeschrieben worden seien und über diese Abgabenverbindlichkeiten daher keine rechtskräftigen Abgabenbescheide vorlägen.

Mit Abrechnungsbescheid vom 3. April 1996, gerichtet an die "Firma Automobile E.N ... -Dr. F.W ..." in München zu Handen des Beschwerdevertreters, wurde auf Grund dieses Antrages gemäß § 216 BAO entschieden, daß die Verpflichtung zur Zahlung der in Rede stehenden Eingangsabgabenschuld nicht erloschen sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid, gerichtet an die "Automobile E.N ... -Dr. F.W ..." in München zu Handen des Beschwerdevertreters, als unbegründet abgewiesen. Dies mit der Begründung, die Zustellung des Abgabenbescheides sei vom Hauptzollamt Linz gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG veranlaßt worden, wobei auf Grund des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchssteuer- und Monopolangelegenheiten das Hauptzollamt München-Mitte um die Zustellung im Amtshilfeweg ersucht worden sei. Nach Art. 10 des zitierten Amtshilfeabkommens richte sich die Zustellung von Schriftstücken im Amtshilfeweg nach den für die ersuchte Behörde geltenden innerstaatlichen Vorschriften. Auf Ersuchen des Hauptzollamtes Linz habe das Hauptzollamt München-Mitte mit Schreiben vom 20. Juni 1996 bestätigt, daß der in Rede stehende Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 21. April 1994 dem Adressaten im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung zugestellt worden sei und diese Art der Zustellung den deutschen Vorschriften entspreche. Auf die erhobenen Einwände, der genannte Bescheid sei nicht rechtswirksam zugestellt worden, habe das Hauptzollamt München mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 nochmals die ordnungsgemäße Ersatzzustellung nach deutschem Recht bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheides.

Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde gemäß § 216 BAO darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid).

Die Bestimmung spricht - sehr eng gefaßt - nur von Meinungsverschiedenheiten über das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes. Die Berechtigung, einen Abrechnungsbescheid zu verlangen, geht aber über den engen Wortlaut dieser Bestimmung hinaus. Es geht hiebei vielmehr um die Klärung umstrittener abgabenbehördlicher Gebarungsakte schlechthin und nicht nur um das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung. Es kann also auch die Prüfung und die Darlegung der Ergebnisse verlangt werden, ob die rechnungsmäßige Anlastung der Abgabenfestsetzung (nicht aber die Abgabenfestsetzung selbst) und die entsprechenden Gutschriften bei verminderten Festsetzungen kassenmäßig ihren richtigen Ausdruck gefunden haben. Mit dem Abrechnungsbescheid wird auch - und das vornehmlich - darüber entschieden, ob aufgrund der Verrechnung eine bestimmte Verpflichtung erloschen ist, wirksam getilgt, gezahlt, aufgerechnet, überrechnet oder umgebucht, erlassen (abgeschrieben) oder verjährt zu gelten hat, also vor allem rechnungsmäßig richtig vollzogen ist, was sich im Bereich des tatsächlichen Zahlungsverkehrs ereignet hat (Stoll, BAO-Kommentar, 2314, mit angeführten Zitaten). Die Begründung der Zahlungsverpflichtung ist hingegen nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheides, sie wird vorausgesetzt.

Im Beschwerdefall wurde ein "Abrechnungsbescheid" beantragt und vorgebracht, die sich aus der Rückstandsaufgliederung ergebenden Abgaben seien niemals vorgeschrieben worden, es lägen keine rechtskräftigen Abgabenbescheide vor.

Mit dem Abrechnungsbescheid ist - wie oben dargestellt - über umstrittene abgabenbehördliche Gebarungsakte, nicht aber über die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung zu entscheiden. Hieraus ergibt sich, daß Gründe, die gegen die Abgabenfestsetzung selbst erhoben werden, nicht in diesem Verfahren geltend gemacht werden können. Mit dem Antrag vom 15. November 1995 wurde jedoch die Rechtmäßigkeit der Zustellung des Abgabenbescheides und damit die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung bekämpft. Ein solcher Antrag auf Erlassung eines "Abrechnungsbescheides" entbehrt der gesetzlichen Grundlage und ist daher als unzulässig zurückzuweisen, weil § 216 BAO nicht dazu dient, die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung zu prüfen.

Mit der Abweisung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte die belangte Behörde den rechtswidrig ergangenen Abrechnungsbescheid und belastete deswegen ihren angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Bei dieser Sach- und Rechtslage war keine nähere Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung des Abgabenbescheides vom 21. April 1994 an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und an die Gesellschafter vorzunehmen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Kosten waren nur der Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 12.500,-- und Stempelgebühren in der Höhe von S 360,-- für drei Ausfertigungen der Beschwerde zuzusprechen. Der S 360,-- übersteigende als "Barauslagen" bezeichnete Anspruch war abzuweisen, weil Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes (§ 48 Abs. 1 VwGG) nicht angefallen sind.

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