VwGH 96/16/0224

VwGH96/16/022425.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Jet-Travel Reisebüro GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Theodor Strohal und Dr. Wolfgang Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien I, Wiesingerstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. August 1996, Zl. GA 9-1230/95, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

KVG 1934 §18 Abs1;
KVG 1934 §18 Abs2 Z1;
KVG 1934 §18 Abs2;
KVG 1934 §22;
KVG 1934 §25;
KVG 1934 §9 Abs1;
KVG 1934 §18 Abs1;
KVG 1934 §18 Abs2 Z1;
KVG 1934 §18 Abs2;
KVG 1934 §22;
KVG 1934 §25;
KVG 1934 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 12. Jänner 1995 gegründete Hoffmann &

Kutscherauer GesmbH war alleinige Gesellschafterin der Beschwerdeführerin, wobei sie den betreffenden Geschäftsanteil (der ein Nominale von S 3,000.000,-- verkörperte) mit Abtretungsvertrag vom 7. Februar 1995 um S 4,600.000,-- erworben hatte.

Mit in Form eines Notariatsaktes errichtetem Verschmelzungsvertrag vom 6. April 1995 fand zwischen der genannten Gesellschafterin und der Beschwerdeführerin zum Stichtag 10. Februar 1995 eine Verschmelzung dergestalt statt, daß die genannte Gesellschafterin (= Muttergesellschaft) die Übertragende und die Beschwerdeführerin (= Tochtergesellschaft) die aufnehmende Gesellschaft war, sodaß das Vermögen der übertragenden Gesellschaft in der Folge kraft Universalsukzession auf die Beschwerdeführerin überging.

Die vier Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft wurden mit den Anteilen der übertragenden Gesellschaft an der Beschwerdeführerin abgefunden, wobei die betreffende Passage des Verschmelzungsvertrages lautet wie folgt:

"Da die übertragende Gesellschaft mit Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch untergeht und gelöscht wird, und damit die Beteiligung der übertragenden Gesellschaft an der übernehmenden Gesellschaft im Zuge der vertragsgegenständlichen Verschmelzung aufgegeben wird, vereinbaren die Vertragsparteien, daß die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft mit sämtlichen Stammanteilen der übertragenden Gesellschaft an der übernehmenden Gesellschaft abgefunden werden, sodaß die Stammanteile der übertragenden Gesellschaft an der übernehmenden Gesellschaft im Nominale von

S 3,000.000,-- (Schilling drei Millionen) zur Entschädigung der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft Erich Hoffmann, Paul J. Kutscherauer, Erika Hoffmann und Judith Kutscherauer, verwendet werden.

Demgemäß wird das Stammkapital der übernehmenden Gesellschaft von den Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Hoffmann & Kutscherauer GmbH im Wege der Abtretung übernommen.

Somit übernimmt

Herr Erich Hoffmann einen Stammanteil von S 750.000,--

Herr Paul J. Kutscherauer einen Stammanteil von S 750.000,--

Frau Erika Hoffmann einen Stammanteil von S 750.000,--

Frau Judith Kutscherauer einen Stammanteil von S 750.000,--."

Eine Kapitalerhöhung bei der Beschwerdeführerin unterblieb daher.

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 27. Juni 1995 wurden u.a. die folgenden Eintragungen bewilligt: Verschmelzung der beiden Gesellschaften, Löschung der übertragenden Gesellschaft; Eintragung der ehemaligen vier Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft als Gesellschafter der Beschwerdeführerin.

Mit Bescheid vom 9. August 1995 schrieb daraufhin das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber der Beschwerdeführerin Börsenumsatzsteuer vor.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, der Verschmelzungsvertrag sei kein Anschaffungsgeschäft iS des § 18 KVG. Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, daß der Anteilserwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch die Tochtergesellschaft (sog. down stream merger; zum Begriff siehe z.B. Rief, FJ 1996/2, GVR 1 sowie Mittlg. d. BMF vom 8. September 1995 in ecolex 1995, 928) zwar nicht den Tatbestand eines Anschaffungsgeschäftes gemäß § 18 Abs. 1 KVG erfülle, wohl aber den des § 18 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. Im Falle eines "down stream merger" würden die Anteile der übertragenden Muttergesellschaft an die übernehmende Tochtergesellschaft für eine Sekunde an die Tochtergesellschaft übergehen (sog. Durchgangserwerb).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Börsenumsatzsteuer verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 KVG unterliegt der Börsenumsatzsteuer der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere.

Nach § 18 Abs. 1 KVG sind Anschaffungsgeschäfte entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.

Gemäß Abs. 2 Z. 1 leg. cit. gelten als Anschaffungsgeschäfte auch Geschäfte, die das Einbringen von Wertpapieren in eine Kapitalgesellschaft oder eine andere Personenvereinigung zum Gegenstand haben.

Kern der Beschwerdeausführungen ist das Argument, es sei im vorliegenden Fall gar nicht zu einem sog. Durchgangserwerb der Anteile durch die Beschwerdeführerin als übernehmende Gesellschaft gekommen. Der Verschmelzungsvertrag vom 6. April 1995 habe vielmehr den unmittelbaren Erwerb der in Rede stehenden Anteile durch die ehemaligen vier Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft vorgesehen und bewirkt. Die Börsenumsatzsteuer knüpfe an diesen Verschmelzungsvertrag als Verpflichtungsgeschäft an. Eine Einbringung der Geschäftsanteile an die Beschwerdeführerin habe nicht stattgefunden.

Wenngleich der Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der besonderen Vertragsgestaltung des Beschwerdefalles insoweit zuzustimmen ist, so vermag dies aber - wie gleich gezeigt werden wird - der Beschwerde dennoch nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Die belangte Behörde ist in ihrer Argumentation der deutschen Standardliteratur (vgl. dazu Brönner/Kamprad Komm z KVG4 164 Rdn 5 zu § 18 KVG bzw. Kinnebrock/Meulenbergh, Kapitalverkehrsteuergesetz5 insb Rz 15 zu § 18d KVG gefolgt, die auf Grund einschlägiger Judikatur des Bundesfinanzhofes (siehe die Nachweise jeweils a.a.O.) zusammengefaßt (wenn auch teilweise durchaus kritisch) zu dem Ergebnis gelangt, daß in der Praxis ein steuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft auch dann vorliegt, wenn die übernehmende Gesellschaft selbst Gesellschafterin der übertragenden Gesellschaft ist; was auch für den umgekehrten Fall zu gelten hat, daß (wie im Beschwerdefall) die übertragende Gesellschaft Gesellschafterin der übernehmenden Gesellschaft ist. Die Steuerschuld entsteht im Zeitpunkt des Vermögensübergangs auf die aufnehmende Gesellschaft (so insbesondere Brönner/Kamprad a.a.o.). Liegt ein Fall so, dann ist in der Tat von einem Erwerb der betreffenden Anteile (wenn sie Wertpapiere gemäß § 19 Abs. 2 KVG sind) durch die übernehmende Gesellschaft auszugehen, allenfalls von einem bloß vorübergehenden Erwerb nur für kurze Zeit, also von einem sog. Durchgangserwerb.

Im Beschwerdefall liegen die Dinge aber anders:

Gemäß § 96 GmbHG (idF vor dem mit 1. Juli 1996 in Kraft getretenen EU-GesRÄG, BGBl 304/1996; vgl. jetzt § 96 Abs. 2 GmbHG) waren auf Verschmelzungen mit Gesellschaften mit beschränkter Haftung die §§ 219 bis 233 AktG 1965 (jetzt §§ 220 bis 233 AktG) sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 226 Abs. 3 AktG (vgl. jetzt § 225a Abs. 3 AktG idF des EU-GesRÄG) vollzog sich die Universalsukzession mit der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch (vgl. dazu insbesondere Koppensteiner, GmbHG-Kommentar Rz 123 zu § 96 GmbHG sowie Strasser in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG-Kommentar3 Rz 12 zu § 219 bzw. Rz 12 zu § 226 AktG). Diese Firmenbucheintragung wurde im vorliegenden Fall erst mit Beschluß des HG Wien vom 27. Juni 1995 angeordnet.

Im Beschwerdefall wurde aber bereits zuvor im Wege des in Notariatsaktsform errichteten Verschmelzungsvertrags vom 6. April 1995 in Gestalt eines Vertrages zugunsten Dritter, nämlich der vier ehemaligen Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, bewirkt, daß diese vier Gesellschafter im Gegenzug zum Verlust ihrer Beteiligung an der übertragenden Gesellschaft unmittelbar den Geschäftsanteil (aufgeteilt auf vier Gesellschafter) erhielten, den bis dahin die übertragende Gesellschaft (als Mutter) an der Beschwerdeführerin (als Tochter) gehalten hatte. Daß der Verschmelzungsvertrag als Vertrag zugunsten Dritter angesehen werden kann, ist in der Literatur anerkannt (vgl. Koppensteiner a.a.O. Rz 24 zu § 96 GmbHG). Demzufolge fand im Beschwerdefall auf Grund der ausdrücklichen Formulierung im Verschmelzungsvertrag ein entgeltlicher Anteilserwerb durch die genannten Gesellschafter im Wege einer Abtretung bereits vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung statt, sodaß der in Rede stehende Geschäftsanteil (aufgeteilt auf vier Gesellschafter) tatsächlich nicht im Wege der Universalsukzession in das Vermögen der Beschwerdeführerin übergegangen ist. Es wurde vielmehr schon im Wege des zitierten Verschmelzungsvertrages der Tatbestand eines Anschaffungsgeschäftes gemäß § 18 Abs. 1 KVG erfüllt, wobei die Beschwerdeführerin auch dafür gemäß § 9 Abs. 1 KVG Steuerschuldner ist.

Dadurch, daß die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Börsenumsatzsteuerbescheides vermeinte, es habe ein Vorgang gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. stattgefunden, der als Anschaffungsgeschäft gilt, kann aber die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt sein, weil Vorgänge nach § 18 Abs. 2 KVG nicht anders zu besteuern sind als Anschaffungsgeschäfte nach Abs. 1 der zitierten Gesetzesstelle.

Somit erweist sich, daß der angefochtene Bescheid im Ergebnis frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

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