VwGH 96/13/0008

VwGH96/13/000824.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der M Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. November 1995, GZ 11-91/2011/02, betreffend Körperschaftsteuer 1982, zu Recht erkannt:

Normen

KStG 1966 §10 Abs1;
KStG 1966 §18;
VwRallg;
KStG 1966 §10 Abs1;
KStG 1966 §18;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft war an der inländischen G GmbH mit einer Stammeinlage in Höhe von 40 % des Stammkapitals beteiligt. Am 30. Juli 1982 beschloß die Generalversammlung der G GmbH die Auflösung derselben. Im Zuge der Liquidation floß der Beschwerdeführerin im Streitjahr ein anteiliger Liquidationserlös in Höhe von S 2,824.176,20 sowie die Rückzahlung von Kapital in Höhe von S 1,600.000,-- zu.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin vertrat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Auffassung, daß § 10 KStG 1966 über die Befreiung von Schachtelerträgen auf Liquidationserlöse nicht anzuwenden sei. Nach Lehre und Rechtsprechung gelte diese Befreiung nicht für Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung. Dem Veräußerungstatbestand werde die Liquidation der Kapitalgesellschaft gleichgesetzt, an der die Beteiligung besteht. Im Falle der Liquidation beende die Körperschaft ihre betriebliche Tätigkeit insgesamt, wobei eine Versilberung des vorhandenen Vermögens stattfinde. Hiebei werde der Abwicklungsgewinn, abgesehen vom abweichenden Besteuerungszeitraum, anhand eines besonderen Betriebsvermögensvergleiches ermittelt. Hiedurch sollte vermieden werden, daß die im Abwicklungs-Anfangsvermögen enthaltenen stillen Reserven und die von der Kapitalgesellschaft im Abwicklungszeitraum als Erträge des Abwicklungs-Anfangsvermögens erzielten Gewinne der Besteuerung entzogen würden. Eine Aufteilung des Abwicklungsgewinnes in Kapitalrückzahlung und Gewinnausschüttung sei im Gesetz nicht vorgesehen. Beim Gesellschafter der Kapitalgesellschaft finde eine Besteuerung insoweit statt, als der Abwicklungserlös den jeweiligen Buchwert der Anteile übersteigt.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid insofern in ihren Rechten verletzt, als das Schachtelprivileg für die im Zuge der Liquidation der G GmbH zugeflossenen Beträge von insgesamt S 2,824.176,20 verweigert wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

War eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft nachweislich seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Einkommens maßgebenden Schlußstichtag ununterbrochen an dem Grund- oder Stammkapital einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft in Form von Aktien oder Anteilen mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt, so blieben die auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile jeder Art gemäß § 10 Abs 1 KStG 1966 außer Ansatz. Mit dieser Steuerbefreiung sollte vermieden werden, daß das bei einer Körperschaft bereits versteuerte Einkommen bei Ausschüttung dieses Einkommens noch einmal als Beteiligungsertrag bei der beteiligten Körperschaft einer Körperschaftsbesteuerung unterzogen wurde (vgl Putschögl/Bauer/Quantschnigg, Die Körperschaftsteuer, § 10, Rz 1).

Wird eine Kapitalgesellschaft, die ihre Auflösung beschlossen hat, abgewickelt, so ist gemäß § 18 Abs 1 KStG 1966 der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. Zur Ermittlung dieses Gewinnes ist das zur Verteilung kommende Vermögen (Abwicklungs-Endvermögen) dem Vermögen am Schluß des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres (Abwicklungsanfangvermögen) gegenüberzustellen.

Zu § 10 KStG 1966 wurde - ebenso wie zu gleichartigen Bestimmungen in den deutschen Körperschaftsteuergesetzen - die nahezu einhellige Auffassung vertreten, daß Abwicklungsgewinne nicht als auf die Beteiligung entfallende Gewinnanteile aller Art anzusehen seien (vgl zB Blümich/Klein/Steinbring, KStG, Anm. 6 zu § 9; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuer, Anm. 15 zu § 9; Jiresch/Langer, KStG 1966, § 10, Anm. 10; Putschögl/Bauer/Quantschnigg, aaO, Rz 19; Quantschnigg, ÖStZ 1989, 142). Entgegen der herrschenden Auffassung wurde von Littich (Thesaurierte Gewinne bei der Obergesellschaft steuerfrei? SWK 1985 A I 85) die Auffassung vertreten, thesaurierte Gewinne von Schachtelgesellschaften seien bei der Obergesellschaft gemäß § 10 Abs 1 KStG 1966 steuerfrei.

Wie der deutsche Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 8. Dezember 1971, I R 164/69, BStBl II 229, festgestellt hat, endet mit dem Eintritt der Kapitalgesellschaft in das Stadium der Abwicklung (Liquidation) die dem Gesellschaftszweck gewidmete Tätigkeit der Kapitalgesellschaft. Gewinne aus der Verfolgung des Gesellschaftszwecks seien nicht mehr zu erwarten. Das Vermögen der Kapitalgesellschaft trete an die Stelle der Geschäftsanteile; es werde - handelsrechtlich gesehen - an die Gesellschafter verteilt. Um indes zu vermeiden, daß (zum einen) die in diesem (Abwicklungsanfang)Vermögen ruhenden stillen Reserven und (zum anderen) die von der Kapitalgesellschaft im Abwicklungszeitraum als Erträge ihres Abwicklungsanfangvermögens erzielten Gewinne der Besteuerung entzogen werden, schreibe das KStG deren Ermittlung und steuerliche Erfassung vor. Dem Gewinnbegriff des § 9 Abs 1 dKStG (= § 10 öKStG 1966) unterlägen nur solche Gewinnanteile, die die ausschüttende Kapitalgesellschaft vor ihrem Stadium der Abwicklung erzielte. Der Abwicklungsgewinn sei ein spezifischer Gewinnbegriff, der sowohl das Ergebnis aus der Auflösung der stillen Reserven als auch die Erträge des Abwicklungsanfangvermögens umfasse, die während des Abwicklungszeitraumes erzielt wurden. Eine Aufteilung des Abwicklungsgewinns in Kapitalrückzahlung und Gewinnausschüttung sei nach dem Gesetz nicht möglich.

Im Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 2. Februar 1972, I R 54-55/70, BStBl II 397, wurde diese Auffassung bestätigt. Die durch § 9 dKStG angeordnete Steuerfreiheit beziehe sich nicht auf die Schachtelbeteiligung selbst, sondern nur auf die aus ihr fließenden Gewinnanteile.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des deutschen Bundesfinanzhofes. Im Hinblick auf die spezifische Gewinnermittlungsbestimmung des § 18 KStG 1966 ist davon auszugehen, daß Ausschüttungen des Liquidationserlöses keine auf die Beteiligung entfallenden Gewinnanteile jeder Art nach § 10 Abs 1 KStG 1966 sind.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin gebietet auch eine verfassungskonforme Interpretation der in Rede stehenden Bestimmung keine Anwendung dieser Bestimmung auf Liquidationserlöse. Dieser Erlös unterscheidet sich im Sachlichen von dem während der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft erzielten Gewinn in einer Weise, die eine Anwendung der auf Beteiligungen von 25 vH und mehr eingeschränkten Schachtelbegünstigung auf den Abwicklungsgewinn nicht erforderlich macht.

Wenn die Beschwerdeführerin dabei auf die im angeführten Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 8. Dezember 1971 angeführte Auffassung verweist, wonach auch nach Eintritt in das Stadium der Abwicklung noch Gewinnverteilungsbeschlüsse durch die Gesellschafter über die bis zum Beginn der Liquidation erzielten Gewinne zu fassen sein könnten, und daraus ableitet, daß ein Anteil an den in der Liquidationseröffnungsbilanz ausgewiesenen versteuerten Rücklagen und am Gewinnvortrag, somit S 1,951.321,85, jedenfalls außer Ansatz zu bleiben habe, so ist ihr entgegenzuhalten, daß im Verwaltungsverfahren ein derartiges Begehren nicht gestellt worden ist. Überdies hat die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung vom 13. Mai 1996 selbst eingeräumt, daß es nach österreichischem Recht im Auflösungsstadium keinen Gewinnverteilungsbeschluß gibt.

Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 24. Februar 1999

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