VwGH 96/12/0082

VwGH96/12/008217.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer und andere Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1996, Zl. 127.190/4-II/2/96, betreffend Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG 1965, zu Recht erkannt:

Normen

PG 1965 §9 Abs1;
PG 1965 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1949 geborene Beschwerdeführer steht seit 1. Mai 1995 als Revierinspektor i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war die Bundespolizeidirektion Wien, Alarmabteilung (in den Akten ist seine - letzte - besoldungsrechtliche Stellung mit Verwendungsgruppe W 2, Dienstklasse 4, Gehaltsstufe 4, festgehalten; es ergäbe sich - ohne Zurechnung gemäß § 9 Abs. 1 PG 1965 - eine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit von 28 Jahren). In einem amtsärztlichen Gutachten vom 21. Feber 1995 heißt es, daß der Beschwerdeführer an einem Diabetes mell., der eingestellt worden sei, und überdies an Abnützungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule (...) leide. Weiters bestünden infolge der Zuckerkrankheit Schäden an den Gefühlsnerven beider Beine. Das linke Sprunggelenk sei abgenützt und schmerzhaft angeschwollen. Eine Besserung sei nicht zu erwarten. Der Beschwerdeführer sei bleibend exekutivdienstunfähig.

Mit Erledigung vom 3. Juli 1995 legte die Bundespolizeidirektion Wien (unter anderem) dieses Gutachten der belangten Behörde zwecks Entscheidung über die Zurechnung gemäß § 9 Abs. 1 PG 1965 mit dem Bemerken vor, der Beschwerdeführer habe vor seiner Aufnahme in den Bundesdienst keinen Beruf erlernt und übe derzeit keine Erwerbstätigkeit aus.

In weiterer Folge wurde über Auftrag der belangten Behörde ein berufskundliches Gutachten eingeholt. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 8. September 1995 zusammengefaßt zum Ergebnis, der Beschwerdeführer könne unter Bedachtnahme auf das amtsärztliche Gutachten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten verrichten, die im Gegensatz zum Exekutivdienst keine besondere und ständige Belastung der Wirbelsäule und des linken Sprunggelenkes erforderlich machten; als Verweisungsberufe nannte der Sachverständige Portier, Museumsaufseher und Telefonist (mit jeweils näherer Beschreibung des Berufsbildes). Der Beschwerdeführer äußerte sich in einer Eingabe vom 13. November 1995 dahin, daß diese angeführten Berufe von ihrer sozialen Wertigkeit her nicht mit dem Beruf eines Polizeibeamten gleichgesetzt werden könnten, weshalb die Verweisung auf diese Berufe nicht zumutbar erscheine. Da er somit zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden sei, beantrage er die bescheidmäßige "Zuerkennung von 10 Jahren" zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit gemäß § 9 PG 1965. Angeschlossen waren ärztliche Befunde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 13. November 1995 abgewiesen. Zusammengefaßt wurde dies damit begründet, daß die vom berufskundlichen Sachverständigen genannten Verweisungsberufe Portier, Museumsaufseher oder auch Telefonist sozial zumutbar seien. Der Beschwerdeführer habe keinen Beruf erlernt. Er sei als eingeteilter Wachebeamter verwendet worden. Seine Verwendung im Sicherheitswachdienst sei "von der Wertigkeit her auf der untersten Ebene angesiedelt" gewesen. Beispielsweise würden eingeteilte Wachebeamte in vielen Fernsprechvermittlungen der Bundespolizei verwendet. Demnach seien die vom Sachverständigen genannten Verweisungsberufe dem Beschwerdeführer sozial zumutbar.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm gemäß § 9 Abs. 1 PG 1965 seine oberste Dienstbehörde aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch 10 Jahre, zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß ein im Hinblick auf die gesundheitlichen Beschränkungen noch möglicher anderer Erwerb dem Beamten zugemutet werden kann, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150, unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung; aus jüngerer Zeit vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. September 1996, Zl. 95/12/0106, zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 9 der Pensionsordnung 1966 der Stadt Wien, LGBl. Nr. 19/1967).

In diesem Sinne hatte daher die belangte Behörde zu prüfen, ob nach dem typologischen (typischen) Berufsbild eines Sicherheitswachebeamten der Verwendungsgruppe W 2 und vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung zur sozialen Geltung und Zumutbarkeit eines Verweisungsberufes auch im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer in seinem Beruf als Sicherheitswachebeamter erfahrene Aus- und Fortbildung ein entsprechender Verweisungsberuf auf dem Arbeitsmarkt existiert.

Der im Verwaltungsverfahren beigezogene berufskundliche Gutachter hat sich, ebenso wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, mit diesen Aspekten nur unzureichend befaßt (siehe die Wiedergabe des Gutachtens und der Begründung des angefochtenen Bescheides in der Sachverhaltsdarstellung). Deshalb bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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