VwGH 96/11/0170

VwGH96/11/017021.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in B, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 14. November 1995, Zl. Ib-277-95/95, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 16. Mai 1995 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B wegen Verkehrsunzuverlässigkeit gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 vorübergehend für die Dauer von 16 Monaten (gerechnet ab vorläufiger Abnahme des Führerscheins am 7. Mai 1995) entzogen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß die Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen wird.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 7. Mai 1995 auf einer näher bezeichneten Straße in Bregenz ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkte. Bei der Wertung dieser bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 berücksichtigte die belangte Behörde ein von ihm im Sommer 1990 begangenes Alkoholdelikt, welches eine Entziehung der Lenkerberechtigung für vier Wochen zur Folge hatte, sowie ein im Jahr 1990 begangenes Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB, weswegen ihm die Lenkerberechtigung für 12 Monate entzogen wurde. Für die Änderung der Entziehungsart von einer vorübergehenden Entziehung in eine Entziehung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 war laut Begründung das Verhalten des Beschwerdeführers vom 7. Mai 1995 (damals warf er den ihn kontrollierenden Beamten den Führerschein und die Fahrzeugschlüssel vor die Füße und entfernte sich vor Abschluß der Amtshandlung) und "sein Vorleben (Vergewaltigung, sexuelle Kontakte mit Unmündigen)" maßgebend. Damit bestünden berechtigte Zweifel an seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, weshalb es vor Wiedererteilung einer Lenkerberechtigung des Nachweises des Vorliegens dieser Eignungsvoraussetzungen durch ein amtsärztliches Gutachten bedürfe.

Der Beschwerdeführer stellt das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 nicht in Abrede und wendet sich auch nicht gegen die Anordnung einer Entziehungsmaßnahme an sich. Er bekämpft lediglich die Art der Entziehungsmaßnahme und deren Dauer.

Unzutreffend ist seine Ansicht, es wäre nur eine Entziehung der Lenkerberechtigung wie bei erstmaliger Begehung eines Alkoholdeliktes zulässig gewesen, weil der Verwaltungsstrafakt betreffend das erste Alkoholdelikt bereits vernichtet worden sei. Nach § 73 Abs. 3 erster und zweiter Satz KFG 1967 (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 103/1997) kommt im Falle einer neuerlichen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e eine Entziehung für die Dauer von vier Wochen nur dann in Betracht, wenn die Strafe einer früheren derartigen Übertretung im Zeitpunkt der Einleitung des Entziehungsverfahrens in erster Instanz getilgt ist. Davon kann hier in Anbetracht der Tilgungsfrist von fünf Jahren (§ 55 Abs. 1 VStG) und im Hinblick auf die (laut Strafevidenz der Bezirkshauptmannschaft Bregenz) mit Straferkenntnis vom 21. Juni 1991 erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des ersten Alkoholdelikts keine Rede sein.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, selbst wenn man von zwei Alkoholdelikten ausginge, hätte die Lenkerberechtigung nur für sechs Monate entzogen werden dürfen, für eine längere Entziehung fehlten "sämtliche Entscheidungsgrundlagen", läßt außer acht, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1990 ein weiteres schweres Delikt (Vergewaltigung) begangen hat. Bei der Beurteilung seiner Sinnesart im Zusammenhang mit der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 hatte die belangte Behörde im Rahmen der Wertung der als bestimmte Tatsache herangezogenen Tat vom 7. Mai 1995 auch auf die vorhin erwähnte Straftat Bedacht zu nehmen. Angesichts der Begehung von drei schwerwiegenden Delikten innerhalb von fünf Jahren kann von einer Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch die Bemessung der "Zeit" mit 16 Monaten keine Rede sein.

Anderes gilt für die von der belangten Behörde verfügte Änderung der Entziehungsart, wofür laut Begründung Zweifel an der geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen aufgrund seines Verhaltens vom 7. Mai 1995 und seines "Vorlebens (Vergewaltigung, sexuelle Kontakte mit Unmündigen)" ausschlaggebend waren. Diese Begründung ist verfehlt. Das Verhalten des Beschwerdeführers vom 7. Mai 1995 war zwar grob ungehörig, es ist aber nicht geeignet, begründete Bedenken hinsichtlich seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen hervorzurufen. Weiters ist nicht einsichtig, inwiefern für die besagte Eignungsvoraussetzung die Tatsache relevant sein soll, daß der Beschwerdeführer das Verbrechen der Vergewaltigung begangen und (laut Gegenschrift in der Zeit zwischen Frühjahr 1993 und Herbst 1993) sexuelle Kontakte mit minderjährigen bzw. jugendlichen Mädchen unterhalten hat. Letzteres konnte im gegebenen Zusammenhang allenfalls (sofern es sich dabei um strafbare Handlungen gehandelt hätte, wovon aber in Anbetracht des Freispruchs des Beschwerdeführers von der wegen dieses Verhaltens erhobenen Anklage mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 6. Oktober 1994 nicht ausgegangen werden kann) - so wie das Delikt der Vergewaltigung - die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers, nicht jedoch seine geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in Frage stellen. Die Änderung der Entziehungsart beruht demnach offensichtlich auf einer unrichtigen Rechtsauffassung.

Aus diesen Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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