Normen
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §18 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §18 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 wegen Verkehrsunzuverlässigkeit für drei Monate (ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 14. November 1995) vorübergehend entzogen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 (idF der 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994) hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat. Als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten u.dgl., auf Schutzwegen oder das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen.
Der Beschwerdeführer verneint die Bescheidqualität des erstinstanzlichen Bescheides vom 14. November 1995, weil dieser weder die Unterschrift des Genehmigenden noch einen Beglaubigungsvermerk aufweise, und meint, die belangte Behörde hätte deshalb seine Berufung zurückweisen müssen, die Bestätigung eines nichtigen Bescheides sei nicht möglich. Bei diesem Vorbringen läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß gemäß § 18 Abs. 4 vierter Satz AVG bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, die Beisetzung des Namens des Genehmigenden genügt; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Beim Bescheid vom 14. November 1995 handelt es sich, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift ausdrücklich betont und worauf auch die Angabe der Datenverarbeitungsregisternummer im Kopf des Bescheides hinweist, um eine mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Ausfertigung, der der Name des Genehmigenden beigesetzt ist. Damit entspricht diese Bescheidausfertigung den gesetzlichen Anforderungen. Die Verneinung der Bescheidqualität ist verfehlt.
Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegt in sachverhaltsmäßiger Hinsicht das in der Anzeige der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 27. September 1995 geschilderte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers zugrunde. Danach lenkte der Beschwerdeführer am 27. September 1995 auf der B 9 im Gemeindegebiet von Maria Ellend von StrKm 15,6 bis 21,2 einen näher bezeichneten Pkw, wobei er
a) nächst StrKm 15,6 trotz Gegenverkehrs und obwohl nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden war, mehrere vor ihm fahrende Pkws überholte (§ 16 Abs. 1 lit. a StVO),
b) diesen Überholvorgang im Bereich unübersichtlicher Kurven durchführte (§ 16 Abs. 2 lit. b StVO 1960),
c) vor dem Überholvorgang bis ca. 1,5 m an den vor ihm fahrenden Pkw heranfuhr und somit den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsabstand bei einer Fahrgeschwindigkeit von 89 km/h bei weitem unterschritt (§ 18 Abs. 1 StVO 1960),
d) während und nach dem Überholvorgang die Geschwindigkeit erhöhte und nächst StrKm 16,2 eine Geschwindigkeit von 130 km/h erreichte und somit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf Freilandstraßen außerhalb des Ortsgebietes erheblich überschritt (§ 20 Abs. 2 StVO 1960),
e) in der Folge bei StrKm 16,3 auf eine vor ihm langsam fahrende Kolonne heranfuhr und mit dem Pkw mindestens 1 m über die Leitlinie ausscherte, somit nicht so weit rechts fuhr, als ihm dies unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen möglich und zumutbar gewesen wäre (§ 7 Abs. 1 StVO 1960),
f) nächst StrKm 17,0 die dort befindliche Sperrfläche mit dem linken Räderpaar überfuhr (§ 9 Abs. 1 StVO 1960),
g) nächst StrKm 18,7 im Ortsgebiet von Maria Ellend die dort befindliche Sperrfläche mit dem linken Räderpaar überfuhr (§ 9 Abs. 1 StVO 1960),
h) nächst StrKm 19,9 einen vor ihm fahrenden Pkw trotz eines beschilderten Überholverbots überholte (§ 16 iVm § 52 StVO 1960),
i) bei diesem Überholvorgang mit der ganzen Fahrzeugbreite die Sperrlinie überfuhr (§ 9 Abs. 1 StVO 1960),
j) in der Folge seine Geschwindigkeit erhöhte und bis StrKm 21,0 auf 132 km/h beschleunigte, somit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf Freilandstraßen erheblich überschritt (§ 20 Abs. 2 StVO 1960).
Laut Anzeige wurde dieser Sachverhalt von zwei Straßenaufsichtsorganen, die mit einem Zivilstreifenwagen hinter dem Beschwerdeführer nachfuhren, wahrgenommen. Die Geschwindigkeit sei mit dem von der Erzeugerfirma überprüften und eingestellten, jedoch (noch) nicht geeichten Tachometer einer näher bezeichneten Marke festgestellt worden.
Die belangte Behörde erblickte in dem unter Punkt a) und b) geschilderten gesetzwidrigen Überholvorgang eine die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers indizierende bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967. Bei diesem Überholvorgang habe der Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeuges mit der Lichthupe Warnzeichen abgegeben und sein Fahrzeug abbremsen müssen, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden. Der Beschwerdeführer habe sich mit seinem Fahrzeug ohne Einhalten der erforderlichen Sicherheitsabstände zwischen das überholte und das vor diesem fahrende Fahrzeug "hineingezwängt". Dieses gefährliche Fahrverhalten lasse unter Berücksichtigung einerseits der Tatsache, daß der Beschwerdeführer außerdem eine Reihe weiterer zum Teil gravierender Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung begangen habe, und andererseits des Umstandes, daß es sich hier um einen "einmaligen Ausrutscher" handle, den Schluß auf seine Verkehrunzuverlässigkeit für die von ihr angenommene Dauer zu.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde gehe aktenwidrig davon aus, daß er die unter a) und b) angeführten Handlungen nicht und die unter d) bis j) genannten Taten im wesentlichen nicht bestritten habe, sie habe weiters zu Unrecht die von ihm vor allem hinsichtlich des Überholmanövers angeregte Durchführung eines Lokalaugenscheins, einer Stellprobe und einer Überprüfung aus technischer Sicht unterlassen. Auch habe sie bei der Beweiswürdigung zu Unrecht nur den Angaben der beiden als Zeugen vernommenen Gendarmen, nicht jedoch seinen entgegengesetzten Ausführungen Glauben geschenkt.
Dieses Vorbringen läßt keinen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel erkennen. Die als aktenwidrig kritisierte Annahme, der Beschwerdeführer habe den Großteil der ihm angelasteten strafbaren Handlungen nicht bestritten, findet insofern Deckung in der Aktenlage, als der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung durch die Erstbehörde am 17. Oktober 1995 - unter Hinweis auf den ihm unmittelbar nach der Anhaltung vorgespielten Videofilm - ausdrücklich angegeben hat, die darin ersichtlichen Übertretungen insbesondere zu a) und b) erschienen auf dem Film schwerwiegender als er die Verkehrssituation bei der Begehung der Verwaltungsübertretungen empfunden habe; die unter d) bis
j) genannten Verwaltungsübertretungen bestreite er nicht. Was das gerügte Unterbleiben der vom Beschwerdeführer angeblich in der Berufung angeregten Ermittlungen anlangt, ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Entziehungsverfahren konkrete Beweisanträge zu bestimmten Beweisthemen nicht gestellt hat. Im übrigen konnte die belangte Behörde den insoweit maßgebenden Sachverhalt bereits aufgrund der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse als hinreichend geklärt ansehen. Die beiden Gendarmen haben bei ihrer Vernehmung als Zeugen am
24. und 27. Oktober 1995 die Angaben in der Anzeige ausdrücklich als zutreffend bestätigt und weiters übereinstimmend angegeben, der Beschwerdeführer habe trotz Gegenverkehrs überholt, der entgegenkommende Fahrzeuglenker habe mit der Lichthupe Warnzeichen abgegeben und es sei dem Beschwerdeführer beim Überholvorgang die freie Sicht nach vorne durch einen auf der linken Seite der B 9 befindlichen Windschutzgürtel genommen gewesen. Einer der beiden Zeugen gab überdies an, das entgegenkommende Fahrzeug habe abgebremst werden müssen, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden, und der Beschwerdeführer habe den Überholvorgang derart beendet, daß er sein Fahrzeug, ohne die erforderlichen Sichterheitsabstände einzuhalten, zwischen das überholte und das vor diesem fahrende Fahrzeug "hineingezwängt" habe. Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie nicht dem Beschwerdeführer, sondern den Aussagen der beiden Zeugen mit dem Argument Glauben geschenkt hat, es bestehe kein Anlaß am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen zu zweifeln, während der Beschwerdeführer ein verständliches Interesse daran habe, einer drohenden Entziehung seiner Lenkerberechtigung zu entgehen. Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, daß es sich hier um die Angaben bzw. Aussagen zweier besonders geschulter Organe der Straßenaufsicht handelt, die das Geschehen durch Nachfahren mit dem Zivilstreifenfahrzeug hinter dem Fahrzeug des Beschwerdeführers unmittelbar wahrnehmen und in der Folge durch Abspielen des Videofilms nochmals im Detail verfolgen konnten.
In der Sache selbst verneint der Beschwerdeführer die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967; im übrigen hätte bei entsprechender Wertung des Verhaltens jedenfalls der Umstand seiner Unbescholtenheit die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit ausgeschlossen.
Auch diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Die belangte Behörde hat mit Recht den geschilderten Überholvorgang als bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 gewertet. Es liegt auf der Hand, daß das dem Beschwerdeführer angelastete Überholen mehrerer Fahrzeuge im Bereich einer unübersichtlichen Linkskurve und ohne genügend Platz für ein gefahrloses Überholen bei gleichzeitigem beträchtlichen Überschreiten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf Freilandstraßen ein Verhalten darstellt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, führt doch ein derartiges Verhalten nach allgemeiner Erfahrung häufig zu schweren Unfällen. Es ist, was seine Gefährlichkeit und Verwerflichkeit anlangt, jedenfalls dem in § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 angeführten Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen gleichzuhalten.
Bei der Wertung dieses Verhaltens fällt zum Nachteil des Beschwerdeführers besonders ins Gewicht, daß er am 27. September 1995 außerdem eine Reihe weiterer Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung begangen hat. In Ansehung der Geschwindigkeitsüberschreitungen hat der Beschwerdeführer zwar das angegebene Ausmaß, nicht aber die Tatsache des Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit bestritten. Auf das genaue Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung kommt es aber entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht an, weil es hier nicht um eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 geht. Was das unter Punkt c) genannte Nichteinhalten des erforderlichen Mindestabstandes (§ 18 Abs. 1 StVO 1960) anlangt, ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer jedenfalls einen Abstand hätte einhalten müssen, der etwa der Länge des Reaktions(Sekunden)weges entspricht, das sind in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (vgl. Dittrich/Stolzlechner, StraßenverkehrsO, § 18 Rz 9). Es kann dahinstehen, ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich, wie in der Anzeige angegeben, dem voranfahrenden Fahrzeug bis auf 1,5 m genähert hat. (Die Anzeigenleger bezeichneten bei ihrer Vernehmung als Zeugen den angegebenen Wert als "Schätzwert", der jedenfalls nicht wesentlich vom tatsächlich eingehaltenen Abstand abweiche.) Denn auch der vom Beschwerdeführer selbst mit "zumindest zwei Autolängen" angegebene Abstand (Seite 4 der Berufung) lag angesichts der von ihm eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von über 80 km/h weit unter dem nach der angegebenen Regel erforderlichen Mindestabstand beim "Hintereinanderfahren". Das vom Beschwerdeführer beim Vorfall vom 27. September 1995 insgesamt gezeigte Verhalten mit seiner auffallenden Vielzahl von zum Teil gravierenden Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zeigt das Bild eines Lenkers, der sich in besonders krasser Weise über maßgebende Verkehrsvorschriften hinwegzusetzen bereit ist. Dieses Verhalten läßt - auch unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers - den Schluß auf seine Verkehrsunzuverlässigkeit jedenfalls in der von der belangten Behörde angenommenen Dauer zu. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1995.
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