VwGH 96/10/0251

VwGH96/10/025115.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des L in Mayrhofen, vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. Oktober 1996, Zl. 20/22-5/1996, betreffend Übertretung des Arzneimittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AMG 1983 §1 Abs1;
AMG 1983 §11 Abs1;
AMG 1983 §84 Z5;
RezeptpflichtG 1972 §2 Abs1;
RezeptpflichtV §1 Abs1;
VStG §5 Abs1;
AMG 1983 §1 Abs1;
AMG 1983 §11 Abs1;
AMG 1983 §84 Z5;
RezeptpflichtG 1972 §2 Abs1;
RezeptpflichtV §1 Abs1;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Einer am 30. Juni 1995 an die Bezirkshauptmannschaft Sch. erstatteten Anzeige zufolge vertreibe die R.-GmbH das Produkt "Algentabletten". Dieses sei als Arzneimittel einzustufen, weil es die Schilddrüsenfunktion beeinflusse. Es werde ohne arzneimittelrechtliche Zulassung und ohne Hinweis auf mögliche Gegenindikationen vertrieben. Der Anzeige war eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 30. Mai 1995 beigefügt, wonach die "Algentabletten" nach den Angaben auf der Verpackung Meeresalgen mit einem Jodgehalt von 0,1 mg je Tablette enthielten. Obgleich die Art der Alge nicht näher bezeichnet sei, sei auf Grund der Abbildung auf der Packung sowie auf Grund des Jodgehaltes davon auszugehen, dass es sich bei dem Wirkstoff um Blasentang handle. Fucus vesiculosus (Blasentang) sei vor allem durch seinen Jodgehalt, der bis zu 2 % betragen könne, charakterisiert. Auf dem Jodgehalt beruhe auch im Wesentlichen die arzneiliche Verwendung der Droge. Sie werde als Bestandteil von Entfettungs- und Schlankheitspräparaten sowie in der Volksheilkunde bei Struma und Basedow angewendet. Gemäß Rezeptpflichtverordnung unterliege Fucus vesiculosus uneingeschränkt der Rezeptpflicht. Das Produkt sei somit nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Arzneimittel und in der Folge als zulassungspflichtige Arzneispezialität einzustufen. Eine Zulassung liege nicht vor.

Dies wurde dem Beschwerdeführer, dem Geschäfsführer der R.-GmbH, mit der Aufforderung zur Kenntnis gebracht, sich zum Vorwurf zu rechtfertigen, er habe in der Zeit vom 1. Oktober 1994 und 15. Jänner 1995 Algentabletten, die als zulassungspflichtige Arzneispezialität einzustufen seien, für die Abgabe im Inland bereitgehalten, obwohl diese nicht im Sinne des § 11 Abs. 1 AMG vom Bundeskanzler zugelassen gewesen seien.

Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach; in einem Strafverfahren wegen der Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 14 iVm § 50 Abs. 2 GewO legte er dar, die R.-GmbH habe die Algentabletten vom Großhändler, der RK-GmbH bezogen. Diese habe dafür Sorge zu tragen, dass das Produkt tatsächlich ein Lebensmittel oder als Verzehrprodukt angemeldet sei. Dem Detailhändler sei es nicht zuzumuten, jedes Produkt analysieren zu lassen. Die Verantwortung liege somit bei der RK-GmbH.

Mit Straferkenntnis vom 15. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R-GmbH dafür verantwortlich, dass diese Algentabletten, die als Arzneimittel und in weiterer Folge als zulassungspflichtige Arzneispezialität einzustufen seien, in der Zeit zwischen zumindest 1. Oktober 1994 und 15. Juli 1995 für die Abgabe im Inland bereitgehalten habe, obwohl diese vom Bundeskanzler nicht im Sinne des § 11 Abs. 1 AMG zugelassen gewesen sei. Er habe dadurch die Verwaltungsübertretung nach § 84 Z. 5 iVm § 11 Abs. 1 AMG begangen.

In seiner Berufung erklärte der Beschwerdeführer bei einem Sortiment von 20.000 Artikeln sei es dem Unternehmen nicht zumutbar, jedes Produkt analysieren zu lassen und zu überprüfen, ob es entsprechend angemeldet worden sei. Außerdem sei es nicht richtig, dass er den Verkauf von Algentabletten als Arzneimittel nicht bestritten habe; vielmehr habe er klargestellt, dass er beim Verkauf der Algentabletten immer davon ausgegangen sei, dass es sich um ein Lebensmittel handle. Es könne nicht dem Gesetz entsprechen, dass der für die Produktanmeldung und Zulassung verantwortliche Importeur, der seiner Pflicht nicht nachkäme, ungeschoren bleibe und stattdessen hunderte Einzelhändler für sein Versäumnis geradestehen müssten.

In der Folge legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der RK-GmbH vom 30. Jänner 1996 vor, wonach "das Produkt Algentabletten als diätetisches Lebensmittel deklariert ist und die Verkehrsfähigkeit in Österreich besitzt".

Die belangte Behörde holte dazu eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz ein. Dieses legte dar, bei dem Schreiben handle es sich um ein "Gefälligkeitsattest". Der Beschwerdeführer könne nicht ernstlich angenommen haben, dass es sich bei den Algentabletten um ein Lebensmittel handle, weil diese ganz offensichtlich nicht überwiegend zu Ernährungs- oder Genusszwecken gegessen, gekaut oder getrunken würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 84 Abs. 5 iVm § 11 Abs. 1 AMG als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die im § 11 Abs. 1 AMG normierte Verpflichtung, Arzneispezialitäten im Inland erst abzugeben oder für die Abgabe bereitzuhalten, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz zugelassen seien, treffe alle, die Arzneimittelspezialitäten abgeben. Sie sei nicht auf Großhändler beschränkt. Der Beschwerdeführer hätte daher die Frage der Zulassung prüfen müssen. Eine allfällige Behauptung des Großhändlers, es handle sich um ein Lebensmittel, hätte er einer kritischen Würdigung unterziehen müssen, zumal nicht ernsthaft angenommen werden dürfe, dass das Produkt überwiegend zu Ernährungs- oder Genusszwecken gegessen, gekaut oder getrunken werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf "ersatzlose Behebung" des angefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe "nie eine Untersuchung oder Begutachtung der Algentabletten durch einen Fachmann/Fachfrau veranlasst". Die bloße Vermutung, dass es sich um ein Arzneimittel handle, reiche für einen Schuldspruch nicht aus. Das Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 30. Mai 1995 sei nicht ausreichend, die Arzneimitteleigenschaft zu begründen, weil es auf der bloßen Annahme beruhe, dass es sich beim Wirkstoff um Blasentang handle. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer schon im erstinstanzlichen Verfahren bestritten, dass es sich um ein Arzneimittel handle.

Damit wird keine Rechtswidrigkeit aufgezeigt.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hatte dem Beschwerdeführer unter anderem die Auskunft des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 30. Mai 1995 vorgehalten, wonach auf Grund der Abbildung auf der Packung sowie auf Grund des Jodgehaltes davon auszugehen sei, dass es sich beim Wirkstoff um Blasentang handle. Dieser Wirkstoff (Fucus vesiculosus) unterliege uneingeschränkt der Rezeptpflicht nach der Rezeptpflichtverordnung. Zu diesem Vorhalt hat sich der Beschwerdeführer im Verfahren erster Instanz lediglich in der Richtung geäußert, dass die Verantwortlichkeit - "wenn die Algentabletten tatsächlich ein Arzneimittel sein sollten" - beim Importeur liege. Auch den die Arzneimitteleigenschaft auf der Grundlage der Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz bejahenden Darlegungen des Straferkenntnisses hielt der Beschwerdeführer in der Berufung nichts entgegen. Soweit die Beschwerde auf eine "Bestreitung, dass es sich um keine Arzneispezialität handelt", verweist, ist ihr zu erwidern, dass auch in der Berufung zur Frage der Arzneimitteleigenschaft nicht konkret Stellung genommen, sondern lediglich - unter neuerlichem Hinweis auf die Verantwortlichkeit des Importeurs - behauptet wird, der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass es sich um ein Lebensmittel handle.

Die dem angefochtenen Bescheid - im Wege der Übernahme der Feststellungen der ersten Instanz - zugrundeliegende Annahme, dass es sich bei den "Algentabletten" um ein "Arzneimittel und in der Folge um eine zulassungspflichtige Arzneispezialität" handle, ist angesichts des oben dargelegten Verfahrensgeschehens nicht zu beanstanden. Dem Beschwerdeführer war vorgehalten worden, dass die "Algentabletten" Fucus vesiculosus enthalten. Dazu hat der Beschwerdeführer niemals Stellung genommen. Es trifft auch der weitere dem Beschwerdeführer bekannt gegebene Umstand zu, dass Fucus vesiculosus in der Anlage zur Rezeptpflichtverordnung (Teil 3) ohne mengenmäßige Beschränkung angeführt ist. Dem letztgenannten Umstand kommt im vorliegenden Zusammenhang die Bedeutung einer fachkundigen Äußerung über die Arzneimitteleigenschaft von Zubereitungen zu, die Fucus vesiculosus enthalten; denn die Aufnahme einer Substanz in die Anlage der Rezeptpflichtverordnung setzt nach deren § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Rezeptpflichtgesetzes voraus, dass es sich dabei um ein Arzneimittel handelt, das auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder Tieren gefährden kann, wenn es ohne ärztliche oder tierärztliche Überwachung angewendet wird. Es war daher auch die Schlussfolgerung nicht verfehlt, dass es sich bei Tabletten, die Fucus vesiculosus enthalten, um ein Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs. 1 AMG handle. Da der Beschwerdeführer dieser Annahme im Verwaltungsverfahren nichts Konkretes entgegenhielt, war die belangte Behörde nicht verpflichtet, eine weitere Überprüfung, insbesondere die von der Beschwerde vermisste "Untersuchung durch einen Fachmann/Fachfrau", durchzuführen. Dem ist hinzuzufügen, dass auch die Beschwerde lediglich Ermittlungsmängel behauptet, aber ebenfalls nichts Konkretes vorträgt, was die Annahme der Arzneimitteleigenschaft der "Algentabletten" erschüttern könnte.

Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe die Bestätigung des Lieferanten, dass die Algentabletten die Verkehrsfähigkeit als (diätetisches) Lebensmittel besäßen, einfach "weggewürdigt", ist sie darauf zu verweisen, dass die in Rede stehende Erklärung zur Aufklärung der Eigenschaft des Produktes als Arzneimittel oder Lebensmittel nichts beiträgt. Die belangte Behörde hat sich zu Recht mit dem zutreffenden Hinweis begnügt, dass eine Lebensmitteleigenschaft des Produktes schon deshalb nicht in Frage kommt, weil von einem überwiegenden Ernährungs- oder Genusszweck nicht die Rede sein kann (vgl. für diätetische Lebensmittel die Erkenntnisse vom 22. März 1999, Zl. 98/10/0350, und vom 26. April 1999, Zl. 97/10/0100).

Worauf sich der Beschwerdeführer mit seiner Behauptung bezieht, er habe eine von einem Reformwarenbetrieb und somit einem unter behördlicher Aufsicht stehenden Betrieb stammende Ware verkauft, die vor dem Verkauf durch den Großhändler die Prüfung durch die österreichischen Behörden, insbesondere das Ministerium, durchlaufen müsse, weshalb ihm der "Gutglaubensschutz" zukäme, ist nicht nachvollziehbar.

Die Beschwerde missdeutet den angefochtenen Bescheid, wenn sie sich dagegen wendet, dass "jedes der tausenden vertriebenen Drogerieprodukte vor dem Verkauf einer weiteren chemischen Untersuchung zugeführt" werden müsse. Dies wird dem Beschwerdeführer weder vorgeschrieben noch als Anforderung an ein der pflichtgemäßen Sorgfalt entsprechendes Vorgehen dargestellt. Sollte der soeben wiedergegebene Hinweis mit der Auffassung zusammenhängen, den Beschwerdeführer treffe an der Übertretung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden, ist darauf hinzuweisen, dass den Beschwerdeführer durchaus eine Kontrollpflicht betreffend die Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften traf, der er (etwa) durch Einholung einer Auskunft der zuständigen Behörde hätte nachkommen können (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. Februar 1992, Zl. 92/10/0017).

Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 1999

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