VwGH 96/10/0152

VwGH96/10/01524.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der P Ges.m.b.H. in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. Juni 1996, Zl. 6-55/1 Ko 2/7-1996, betreffend Versagung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung und Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs3;
AVG §52;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Versagung der naturschutzbehördlichen Bewilligung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen, also bezüglich des Beseitigungsauftrages, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juni 1996 wurde der beschwerdeführenden Partei die nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung für eine auf dem Grundstück Nr. 173/2, KG R., errichtete Holzhütte versagt und ihr gleichzeitig aufgetragen, den früheren Zustand durch Entfernung dieser Holzhütte wiederherzustellen.

In der Begründung heißt es, die belangte Behörde habe am 20. November 1995 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Hiebei habe der Landesnaturschutzbeauftragte der Fachstelle für Naturschutz nachstehende Stellungnahme abgegeben:

Das unweit des landwirtschaftlichen Anwesens vlg. S. gelegene Waldgrundstück, auf dem die beschwerdeführende Partei ihre Holzhütte errichtet habe, sei Teil eines größeren Waldbereiches am Südhang des niederen L.-Baches. Das gegenständliche Gebiet liege innerhalb des Landschaftsschutzgebietes Nr. 2. Großräumig sei der Landschaftscharakter durch ausgedehnte Waldbereiche und innerhalb derselben durch landwirtschaftliche Freiflächen im Umkreis bäuerlicher Gehöfte geprägt. Im gegenständlichen Fall bestehe das landwirtschaftliche Anwesen aus Wohn- und Wirtschaftsgebäude samt kleineren Nebengebäuden. Westlich davon sei am Rande zwischen Wald bzw. bewaldeter Weidefläche und den südlich gelegenen Wiesenflächen eine Bebauung vorgenommen worden, die aus drei Bauwerken bestehe. Diese Bebauung in Form von einstöckigen Wohnobjekten befinde sich an der Übergangszone zwischen Wald- und Wiesenflächen und stelle durch ihre Lage von der Distanz zum landwirtschaftlichen Gehöft und untereinander eine Siedlungsentwicklung dar, die dem dortigen Landschaftscharakter widerspreche. Diese drei Bauwerke seien aus diesem Grund im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan dem Freiland zugeordnet worden, weil trotz Existenz der Bauwerke die freie Landschaft überwiege und die Gemeinde damit signalisiere, daß eine weitere Bauentwicklung in diesem Raum nicht stattfinden solle. Das Grundstück der beschwerdeführenden Partei sei Teil des oben erwähnten großräumigen Waldgrundstückes nördlich der Aufschließungsstraße zu den Wohnobjekten. Westlich davon sei ein ebenfalls in ungefähr derselben Größe herausgeteiltes Waldgrundstück vorhanden. Das westlich davon gelegene Grundstück sei im Lageplan noch als Wiese bzw. Weide ausgewiesen, im Flächenwidmungsplan jedoch bereits als Wald. Am südlichen Waldrand habe die beschwerdeführende Partei eine Hütte im Ausmaß von

2,80 x 3,65 m mit einer Giebelhöhe von 3,0 m auf einem U-Stahl-Profil montiert. Diese Hütte sei vom nächstgelegenen Bauwerk im Süden 20 m entfernt. Mit dem Aufstellen dieser Hütte sei eine Fortsetzung der bereits oben beschriebenen unharmonischen Siedlungsentwicklung bzw. eine weitere Verhüttelung der Landschaft gegeben. Auch wenn die südlich gelegenen Bauobjekte das in Rede stehende sowohl in Größe als auch Ausgestaltung überragten, sei die Holzhütte dennoch eine dem dortigen Landschaftscharakter widersprechende Weiterentwicklung. Der Schutzzweck des Landschaftsgebietes in diesem Teil der K.-Alpe sei die Erhaltung der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft und der ihr zuzuordnenden Siedlungscharakteristik in Form der landwirtschaftlichen Streusiedlung. Die oben beschriebene Bautätigkeit samt der nunmehr geplanten Fortsetzung durch die Verhüttelung an einer Waldrandzone stelle eine nachhaltige und wesentliche Beeinträchtigung dieses Landschaftscharakters dar.

Der forsttechnische Amtssachverständige der Fachstelle für Naturschutz habe nachstehende Stellungnahme abgegeben:

Aus forstwirtschaftlicher Sicht sei die Errichtung der Holzhütte wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, weil bedingt durch die Grundgröße von 1800 m2 eine nachhaltige Nutzung nicht gegeben sei, da zu dieser das Vorhandensein einer Holzhütte (Gerätehütte) nicht erforderlich sei. Bei den derzeitigen Wuchsverhältnissen sei von einem jährlichen Holzzuwachs von ca. 7 fm pro ha auszugehen. Bei dieser Fläche von 1800 m2 ergebe dies einen Jahreszuwachs von 1,3 fm. Selbst bei einem Ernteintervall von 10 Jahren ergebe dies eine Holzernte von nur 13 fm Holz. Dieser Vorgang könne einmalig erfolgen.

Festzuhalten sei, daß durch die Holzhütte keine zusätzliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes (betreffend die im Süden errichteten Bauwerke) verursacht werde. Die Hütte selbst stelle keine Störung bei großräumiger Betrachtung dar, da die im Umgebungsbereich befindlichen Objekte weitaus größer seien. Wenn auch das Landschaftsbild nicht gestört werde, sei das Vorhandensein der Hütte eine Störung der Eigenart der Landschaft und der Landschaftscharakteristik. Selbst wenn die Hütte nicht gesehen werde, sei deren Existenz eine Störung der Eigenart des Landschaftscharakters, weil weder die Holzhütte noch die anderen drei Wohnobjekte dieser Charakteristik entsprächen.

Auf Grund dieser Ausführungen der Sachverständigen zog die belangte Behörde den Schluß, daß eine Bewilligung für die Holzhütte nicht erteilt werden könne, weil dieses Bauwerk eine nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftscharakters darstelle. Es liege ein bewilligungspflichtiges Vorhaben vor, für das aber keine Bewilligung erteilt worden sei. Daher sei auch der Abtragungsauftrag zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt im wesentlichen vor, der Landesnaturschutzbeauftragte habe selbst ausgeführt, daß die Holzhütte der beschwerdeführenden Partei das Landschaftsbild nicht beeinträchtige. Die Erteilung der Bewilligung sei daher zu Unrecht versagt worden. Die Annahme der belangten Behörde, die Holzhütte sei für die Bewirtschaftung des Waldgrundstückes nicht erforderlich, basiere auf einem unzureichenden Ermittlungsverfahren. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde zu erteilende Bewilligung sei auch der Entfernungsauftrag verfehlt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I.

Zum Beseitigungsauftrag:

Die Holzhütte der beschwerdeführenden Partei liegt in einem Landschaftsschutzgebiet.

Nach § 6 Abs. 3 des steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65 (NSchG 1976) sind in Landschaftsschutzgebieten alle Handlungen zu unterlassen, die den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 widersprechen; außerdem ist für nachstehende Vorhaben die Bewilligung der nach Abs. 4 zuständigen Behörde einzuholen:

b) Errichtung (Widmung und Ausführung) von Appartementhäusern, Feriendörfern und Wochenendsiedlungen (§ 23 Abs. 7 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974) sowie von Bauten mit über 18 m Gesamthöhe;

c) Errichtung (Widmung und Ausführung) von Bauten und Anlagen, die nicht unter lit. b fallen und außerhalb eines geschlossenen, bebauten Gebietes liegen oder über die Ortssilhouette hinausragen, davon ausgenommen sind solche, die für die land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung unerläßlich sind.

Die Holzhütte der beschwerdeführenden Partei stellt eine Anlage im Sinne des § 6 Abs. 3 lit. c NSchG 1976 dar. Sie ist für die land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung des Waldgrundstückes der beschwerdeführenden Partei nicht unerläßlich. Dies ergibt sich aus dem Gutachten, das der forsttechnische Amtssachverständige bei der mündlichen Verhandlung am 20. November 1995 erstattet hat. Die beschwerdeführende Partei ist diesem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Nach § 34 Abs. 1 NSchG 1976 sind unabhängig von einer Bestrafung nach § 33 Personen, die entgegen einer Bestimmung dieses Gesetzes oder entgegen einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung oder eines Bescheides Veränderungen vorgenommen oder veranlaßt haben, durch Bescheid der nach diesem Gesetz für die Bewilligung zuständigen Behörde zu verpflichten, den früheren bzw. den bescheidmäßigen Zustand binnen einer festzusetzenden Frist wieder herzustellen oder, wenn dies nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer von der Behörde als sachgemäß bezeichneten Weise im Sinne des § 2 Abs. 1 abzuändern. § 21 Abs. 1 zweiter Satz gilt sinngemäß.

Für die Errichtung der Holzhütte der beschwerdeführenden Partei war eine Bewilligung erforderlich. Eine solche liegt nicht vor. Der Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erfolgte daher zu Recht. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, soweit sie sich gegen diesen Teil des angefochtenen Bescheides richtet.

II.

Zur Verweigerung der naturschutzrechtlichen Bewilligung:

Nach § 6 Abs. 6 NSchG 1976 ist eine Bewilligung gemäß Abs. 3 zu erteilen, wenn die Ausführung des Vorhabens keine Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 zur Folge hat.

Nach § 2 Abs. 1 NSchG 1976 ist bei allen Vorhaben, durch die nachhaltige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten sind, zur Vermeidung von die Natur schädigenden, das Landschaftsbild verunstaltenden oder den Naturgenuß störenden Änderungen

a) auf die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichtes der Natur,

b) auf die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenart (Landschaftscharakter) sowie in ihrer Erholungswirkung (Wohlfahrtsfunktion) Bedacht zu nehmen und

c) für die Behebung von entstehenden Schäden Vorsorge zu treffen.

Aus dem Terminus "Bedachtnahme" sowie aus dem Charakter der in § 2 Abs. 1 lit. a bis c enthaltenen Gebote als Mittel zur Erreichung der im Einleitungssatz des § 2 Abs. 1 NSchG 1976 angeführten Zwecke ist zu schließen, daß ein Zuwiderhandeln gegen § 2 Abs. 1 nur dann vorliegt, wenn durch einen Eingriff in das ökologische Gleichgewicht der Natur oder in den Landschaftscharakter bzw. die Wohlfahrtsfunktion die Natur geschädigt, das Landschaftsbild verunstaltet oder der Naturgenuß gestört wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1993, Zl. 92/10/0083).

Die belangte Behörde stellt in der Begründung ihres Bescheides selbst fest, daß die Holzhütte des Beschwerdeführers keine (zusätzliche) Beeinträchtigung des Landschaftsbildes verursacht und bei großräumiger Betrachtung keine Störung des Landschaftsbildes darstellt. Wenn diese Annahme zutrifft, dann bildet die Beeinträchtigung des Landschaftscharakters, den die belangte Behörde als Grund für die Versagung der Bewilligung herangezogen hat, keinen Versagungsgrund, weil dann eine allfällige Beeinträchtigung des Landschaftscharakters nicht die Relevanzschwelle des § 2 Abs. 1 Einleitungssatz NSchG 1976 überschreitet. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist auch nicht zu entnehmen, daß die Hütte des Beschwerdeführers eines der anderen im Einleitungssatz des § 2 Abs. 1 NSchG 1976 angeführten Schutzobjekte beeinträchtigt.

Abgesehen davon hat die belangte Behörde auch nicht nachvollziehbar dargelegt, daß durch das Objekt des Beschwerdeführers ein relevanter Einfluß auf die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenschaft ausgeübt wird.

Um überprüfen zu können, ob der Charakter der Landschaft durch ein Vorhaben beeinträchtigt wird, ist es erforderlich, auf sachverständiger Basis festzustellen, worin die beherrschende Eigenart dieser Landschaft besteht. Hiezu bedarf es einer großräumigen und umfassenden Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen in dieser Landschaft. Erst eine derartige Beschreibung erlaubt es, aus der Vielzahl jene Elemente herauszufinden, welche der Landschaft ihr Gepräge geben und die daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssen, um den Charakter der Landschaft zu erhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1993, Zl. 92/10/0083).

Um feststellen zu können, ob ein bestimmtes Objekt den Charakter einer Landschaft beeinträchtigt, ist es weiters erforderlich, dieses Objekt und seine Auswirkungen auf den Charakter der Landschaft darzustellen.

In den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten findet sich lediglich die Aussage, daß das Gebiet, in dem das Objekt des Beschwerdeführers liegt, eine bäuerlich geprägte Kulturlandschaft mit einer Siedlungscharakteristik in Form landwirtschaftlicher Streusiedlungen ist. Dazu finden sich rudimentäre Ansätze einer Beschreibung dieser Landschaft und die Behauptung, das Objekt des Beschwerdeführers stelle eine Beeinträchtigung dieses Landschaftscharakters dar. Die Beschreibung einer Landschaft als bäuerlich geprägte Kulturlandschaft mit der charakteristschen Siedlungsform der landwirtschaftlichen Streusiedlung ist ohne nähere Beschreibung zu allgemein, um beurteilen zu können, ob die Holzhütte des Beschwerdeführers eine relevante Beeinträchtigung dieses Landschaftscharakters darstellt oder nicht.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit mit ihm die nachträgliche Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung versagt wurde, als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VWGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Die Beschwerde war lediglich in zweifacher Ausfertigung vorzulegen, der angefochtene Bescheid in einer Ausfertigung. Nur hiefür konnten Stempelgebühren zuerkannt werden. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen.

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