Normen
AlVG 1977 §39 Abs1 Z2;
SondernotstandshilfeV 1995 §1;
AlVG 1977 §39 Abs1 Z2;
SondernotstandshilfeV 1995 §1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 20. November 1995 die Zuerkennung der Sondernotstandshilfe und legte eine Bestätigung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vor, wonach für ihren am 19. November 1993 geborenen Sohn Benjamin ab sofort eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit bei einer Tagesmutter verfügbar sei.
In einem Anhang zu ihrem Antrag stellte die Beschwerdeführerin ihre verzweifelte familiäre Lage dar. Sie gab im Wesentlichen an, ihre beiden älteren Kinder seien in einem schwierigen pubertären Alter und eines von ihnen sei auch behindert. Die Ehe der Beschwerdeführerin sei am 17. September 1995 geschieden worden, wobei der geschiedene Ehegatte der Beschwerdeführerin, der zu verschiedensten Tages- und Nachtzeiten betrunken nach Hause komme und dem sie alles zutraue, noch bis 31. März 1996 ein Wohnrecht habe. Die Beschwerdeführerin müsse "in dieser Zeit frei sein", um ihre Kinder zu schützen. Die Lage sei extrem angespannt. Wenn die Beschwerdeführerin jetzt arbeiten gehen müsste, würde sie "in ein moralisches Loch fallen". Sie dürfe gar nicht an die psychischen und womöglich physischen Schäden denken, die ihr geschiedener Ehegatte anrichten könne, wenn er auf die Kinder losgehe. Die ihr empfohlene Tagesmutter betreffe "doch nur den Kleinen". Sie müsste ihn an den Arbeitstagen zu näher genannten Zeiten zur Tagesmutter bringen und wieder abholen, wobei die beiden anderen Kinder zu Hause "unbeaufsichtigt bzw. in Gefahr" wären. Durch die gespannte Situation seien die Kinder auch sehr nervös. Benjamin sei "durch die besonderen tristen familiären Verhältnisse der letzten Monate besonders anhänglich, mutterbezogen und sehr oft krank", weshalb er "sogar noch fast keine Impfung" habe. Er schlafe keine Nacht durch und werde von Alpträumen gequält.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 1995 wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz den Antrag der Beschwerdeführerin wegen des Vorhandenseins einer Unterbringungsmöglichkeit für den Sohn Benjamin ab.
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung führte die Beschwerdeführerin aus, ihr geschiedener Ehegatte, der noch immer in ihrem Haushalt lebe, sei gewalttätig und Alkoholiker:
"Die Kinder haben vor ihm große Angst, insbesondere der kleine Benjamin, geb. 19.11.1993, hat die allermeisten Probleme in der Bewältigung unserer Auseinandersetzungen. Er ist sehr ängstlich und anhänglich, wenn der Vater daheim ist und geht nicht weg von mir. Er fühlt offenkundig, dass wir uns dadurch schützen. Ist der Vater nicht anwesend, ist er wiederum aber sehr ausgelassen, überlebhaft, sodass ich selbst Probleme bekomme, ihn zu zügeln. Mir ist durchaus bewusst, dass auf die Besonderheiten meiner Dienstzeit als Diplomkrankenschwester nicht Rücksicht zu nehmen ist, wesentlich ist nur, ob eine Tagesmutter vorhanden ist. Ich glaube jedoch, dass die Integration meines Sohnes Benjamin bei einer Kinderkrippe - ob Tagesmutter oder Kinderkrippe - derzeit für die Aufsichtspersonen, aber auch für meinen Sohn große Probleme darstellen würde."
Dieses Vorbringen veranlasste die belangte Behörde zur Kontaktaufnahme mit der in Aussicht genommenen Tagesmutter. Diese teilte mit, dass sich die Beschwerdeführerin nicht bei ihr gemeldet habe, und äußerte die Ansicht, dass die Verhaltensauffälligkeiten des jüngsten Sohnes der Beschwerdeführerin "kein Problem" wären, "da Kinder grundsätzlich bei fremden Personen braver sind als zu Hause". Sie würde die Betreuung des Kindes nur dann zurücklegen müssen, wenn die anderen Kinder auch nach einer Eingewöhnungsphase unter dem Verhalten des Sohnes der Beschwerdeführerin zu leiden hätten.
In zwei Schreiben vom Februar 1996 stellte die Beschwerdeführerin die ausweglose Lage dar, in die sie durch die Nichtgewährung der Sondernotstandshilfe geraten sei, wobei sie vergebliche Bemühungen um Sozialhilfe und einen gescheiterten Versuch, in ihrem Beruf als Krankenschwester einen freien Dienstposten zu finden, beschrieb.
Mit Schreiben vom 20. Februar 1996 hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor, der Magistrat der Landeshauptstadt Linz habe neuerlich bestätigt, dass für das Kind eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit vorhanden sei.
In ihrer Stellungnahme vom 29. Februar 1996 führte die Beschwerdeführerin dazu Folgendes aus:
"In der Berufung wurde versucht, die sehr belastende Familiensituation, die Verhaltensproblematik des kleinen Benjamin, darzustellen.
Darauf ist man offenkundig bisher überhaupt nicht eingegangen.
Ob die Unterbringungsmöglichkeit tatsächlich geeignet ist, könnte nur ein Verhaltenstherapeut oder Kinderarzt feststellen, dies nicht nur im Sinne des kleinen Benjamin, sondern auch der Tagesmutter bzw. der Kindergruppe.
Ich bin sehr überzeugt, dass die Integration Benjamins in eine Kindergruppe für alle Beteiligten, insbesondere aber für Benjamin, große Probleme darstellt.
Mag sein, dass einige Zeit nach dem Auszug meines geschiedenen Gatten aus unserer Wohnung sich die Angstzustände nicht mehr zeigen und Benjamin sich seinem Alter gemäß wieder normal verhält bzw. entwickelt.
Derzeit kann man jedenfalls nicht davon ausgehen."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge, wobei in der Begründung dieser Entscheidung zwar der Verfahrensgang, das Vorbringen der Beschwerdeführerin und die angewendeten Rechtsvorschriften ausführlich dargestellt, der Beschwerdeführerin in der Würdigung der Verfahrensergebnisse aber nur entgegengehalten wurde, der Magistrat Linz habe das Vorhandensein einer für den Sohn der Beschwerdeführerin geeigneten Unterbringungsmöglichkeit bestätigt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
1.) § 39 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, lautete:
"Sondernotstandshilfe für Mütter oder Väter
§ 39. (1) Mütter oder Väter haben Anspruch auf Sondernotstandshilfe bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wenn
- 1. der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erschöpft ist,
- 2. sie wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlass für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil erwiesenermaßen für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, und
3. mit Ausnahme der Arbeitswilligkeit die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt sind.
Der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld ist erschöpft, wenn das Höchstausmaß erreicht ist oder infolge Verzichtes (§ 26a Abs. 1) kein Karenzurlaubsgeld mehr bezogen werden kann und der Vater des Kindes nicht im Bezug des vollen Karenzurlaubsgeldes gemäß § 27 steht.
(2) Der Vater kann nur für jene Zeiträume Sondernotstandshilfe beziehen, für die die Mutter nicht ihren Anspruch geltend macht. Hinsichtlich eines Wechsels in der Anspruchsberechtigung beim Bezug der Sondernotstandshilfe gilt § 26a Abs. 2.
(3) Im übrigen sind die Bestimmungen über die Notstandshilfe, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, anzuwenden. Hinsichtlich des Ruhens der Sondernotstandshilfe gilt § 29 sinngemäß.
(4) Arbeitslosigkeit ist auch während der Zeit eines Urlaubes gegen Entfall der Bezüge anzunehmen.
(5) Zur Frage, ob eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit vorliegt, ist der Regionalbeirat anzuhören. Trifft der Regionalbeirat keine einhellige Feststellung, so ist das Landesdirektorium anzuhören. Die Überprüfung der Unterbringungsmöglichkeit ist ab dem Jahr 1996 halbjährlich vorzunehmen."
§ 1 der dazu erlassenen Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, in der hier anzuwendenden Stammfassung hatte folgenden Wortlaut:
"Unterbringungsmöglichkeit für das Kind
§ 1. (1) Als geeignete Unterbringungsmöglichkeit gilt jedenfalls eine Einrichtung, die nach den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften (z.B. Kindergartengesetz, Kindertagesheimgesetz, Jugendwohlfahrtsgesetz u. dgl.) für Kinder im dritten Lebensjahr entweder vom Land oder der Gemeinde selbst oder von Rechtsträgern geführt wird, denen sich das Land oder die Gemeinde zur Erreichung dieser Ziele bedient. Eine private Einrichtung (wie Privatkindergarten, Pfarrkindergarten, Kindergruppe u. dgl.) ist einer solchen Einrichtung gleichzuhalten.
(2) Weiters müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
a) die Öffnungszeiten müssen den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Arbeitszeiten einschließlich der Zeit, die für die Hinbringung bzw. Abholung des Kindes erforderlich ist, angepasst sein,
b) der Betreuungsort muss mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderweitig bereitgestellten Beförderungsmitteln (Kindergartentransporte) bei zumutbarem Zugang entsprechend den Öffnungszeiten erreichbar sein,
c) das Entgelt für die Unterbringung muss angemessen sein, das bedeutet, dass es nicht wesentlich über den Kosten einer vergleichbaren kommunalen Unterbringungsmöglichkeit, bei Fehlen einer solchen, nicht wesentlich über den Kosten anderer vergleichbarer Einrichtungen im jeweiligen Bundesland liegen darf.
(3) Tagesmütter/väter gelten nur insoweit als geeignete Unterbringungsmöglichkeit, als für sie bzw. für die Einrichtung, die die Tagesmütterbetreuung organisiert, eine Bewilligung nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften vorliegt.
(4) Die im Haushalt bzw. am Wohnsitz lebenden Eltern und Großeltern der/des Antragstellerin/Antragstellers können nicht zwingend für die Betreuung herangezogen werden."
2.) In der Beschwerde wird im Wesentlichen der Standpunkt vertreten, die belangte Behörde habe es trotz eines "wohl nicht ausdrücklich, aber inhaltlich" gestellten Antrages der Beschwerdeführerin und unter Missachtung des Offizialprinzips verabsäumt, einen Sachverständigen aus dem Fach der Kinderpsychologie oder Kinderpsychiatrie beizuziehen. Bei Einholung eines solchen Gutachtens hätte sich nach dem Vorbringen in der Beschwerde ergeben, "dass der Sohn Benjamin auf Grund seiner Verhaltensstörungen nicht geeignet ist, im Rahmen einer Tagesmutter in einer Kindergruppe während der Arbeit der Beschwerdeführerin versorgt zu werden". Mit einer bloßen Befragung der in Aussicht genommenen Tagesmutter hätte sich die belangte Behörde nicht begnügen dürfen.
Hiezu ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht die in der Gegenschrift von der belangten Behörde vertretene Ansicht teilt, "subjektive Kriterien auf Seiten des Kindes, wie Kränklichkeit, Schlafstörungen oder sonstige Verhaltensstörungen oder eventueller (meist kurzfristiger, vorübergehender) Trennungsschmerz" spielten "keine Rolle", weil die Sondernotstandshilfeverordnung "nicht auf Voraussetzungen abstellt, die in der Person des Kindes erfüllt sein müssen". Im Einzelnen ist dazu auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0164, und auf das darin zitierte Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 96/08/0095, zu verweisen.
Im vorliegenden Fall hatte das Vorbringen der Beschwerdeführerin aber - anders als in den mit den beiden erwähnten Erkenntnissen entschiedenen Fällen - nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine ausreichend deutlichen Hinweise darauf enthalten, dass die Betreuung durch eine Tagesmutter nicht nur für diese schwierig, sondern dem Wohl des Kindes abträglich sein könnte. Die Beschwerdeführerin hatte eine familiäre Situation beschrieben, in der sie von Arbeit frei sein wollte, um ihre Kinder vor ihrem gewalttätigen früheren Ehegatten zu schützen, und in einem inhaltlichen Bezug zu den bei der Heranziehung einer Tagesmutter zu erwartenden Problemen in der Betreuung ihres jüngsten Kindes im Wesentlichen nur vorgebracht, dass das Kind in Abwesenheit des Vaters sehr ausgelassen und überlebhaft sei, sodass die Beschwerdeführerin selbst es schwer zügeln könne. Die besondere Ängstlichkeit und Anhänglichkeit des Kindes wurde dabei als Verhalten beschrieben, das in Anwesenheit des Vaters zu beobachten sei. Den Eindruck, dass es für das Kind nach Ansicht der Beschwerdeführerin besser sei, sich unter dem Schutz der Mutter, aber auch der gleichzeitigen Bedrohung durch den Vater zu Hause aufzuhalten, als von einer Tagesmutter betreut zu werden, konnte die belangte Behörde aus dieser Darstellung nicht gewinnen. Unter diesen Umständen gab aber auch die von der Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, die Integration des Kindes in eine Kindergruppe werde "für alle Beteiligten, insbesondere aber für Benjamin, große Probleme" bereiten, keinen Anlass zu einer Überprüfung der Unterbringungsmöglichkeit durch einen Sachverständigen.
Wenn in der Beschwerde zu diesem Thema ausgeführt wird, die Beiziehung eines Gutachters hätte ergeben, dass das Kind zur Betreuung durch eine Tagesmutter "auf Grund seiner Verhaltensstörungen nicht geeignet" sei, so wird auch in diesem Vorbringen nicht deutlich, dass ein (ununterbrochener) Verbleib in der von der Beschwerdeführerin beschriebenen häuslichen Situation für das Kind nach Ansicht der Beschwerdeführerin besser gewesen wäre als die Betreuung durch eine Tagesmutter, und dass sich dies durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bestätigt hätte. Auch die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels wird daher nicht ausreichend dargetan.
Dass sich die belangte Behörde mit der Frage möglicher Gesundheits- oder Entwicklungsschäden als Folge der Betreuung durch eine Tagesmutter in der Bescheidbegründung nicht auseinander gesetzt hat, führt - anders als in dem mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0164, entschiedenen Fall - in Ermangelung einerseits einer konkret darauf abzielenden Behauptung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren und andererseits der (hier erst in der Gegenschrift erhobenen) Rechtsbehauptung, die Gesundheit des Kindes spiele keine Rolle, im vorliegenden Fall nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3.) In der Beschwerde wird auch versucht, aus der mangelnden Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den unüblichen Arbeitszeiten im Beruf der (nach der Aktenlage damals gemäß § 48 OöLVBG karenzierten) Beschwerdeführerin als Diplomkrankenschwester eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abzuleiten. Hiezu ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1998, Zl. 96/08/0208 und Zl. 96/08/0187, und vom 23. Februar 2000, Zl. 97/08/0023, zu verweisen. Auf die besonderen Arbeitzeiten der Beschwerdeführerin im karenzierten Beschäftigungsverhältnis war aus den in diesen Erkenntnissen dargestellten Gründen nicht Bedacht zu nehmen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Dezember 2000
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