Normen
AlVG 1977 §17;
AlVG 1977 §46 Abs5;
AlVG 1977 §17;
AlVG 1977 §46 Abs5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 11. Februar 1994 beim Arbeitsmarktservice Angestellte die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Die ihr formlos zuerkannte Leistung - die Mitteilung darüber findet sich in den vorgelegten Akten nicht - wurde mit Wirksamkeit ab 1. September 1994 mit der internen Begründung, ein "VV" (offenbar "Vermittlungsvorschlag") sei von der Post retourniert worden, faktisch eingestellt.
Am 11. April 1995 sprach die Beschwerdeführerin beim Arbeitsmarktservice Angestellte vor. Bei der Vervollständigung des ihr ausgefolgten Antragsformulars gab sie an, sie sei ab September 1994 nicht in einem Dienstverhältnis gestanden, selbständig erwerbstätig gewesen oder im Krankenstand, in Haft, in Pension oder im Ausland gewesen (diese Angaben wurden offenbar vom Prüfer festgehalten und von der Beschwerdeführerin unterschrieben).
Nachdem die Auszahlung des Arbeitslosengeldes an die Beschwerdeführerin, soweit aus den Akten ersichtlich, beginnend mit 11. April 1995 wieder aufgenommen worden war, ersuchte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29. August 1995 "um Zusendung einer Bestätigung für die Abmeldung vom Zeitraum September 1994 bis zur neuerlichen Geltendmachung der Anmeldung".
In einem Aktenvermerk wurde dazu festgehalten, die Bezugseinstellung wegen der retournierten Post bleibe bestehen, da zwei Zustellversuche gescheitert seien. Da die Adresse unverändert sei, liege vermutlich ein Verschulden der Post vor, das sei jedoch unklar. Die Beschwerdeführerin habe bis April 1995 nicht beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen und in der Zwischenzeit vermutlich ein Einkommen auf Honorarnotenbasis gehabt.
Mit Bescheid vom 6. September 1995 traf das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste folgende Entscheidung:
"Auf Grund Ihrer Eingabe wird festgestellt, dass Ihnen gemäß § 17 iVm § 46 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, das Arbeitslosengeld ab dem nachstehend angeführten Tag gebührt:
ab 11.04.95"
Begründend wurde nach einer auszugsweisen Wiedergabe von Inhalten der §§ 17 und 46 AlVG ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe Folgendes ergeben:
"Sie haben Ihren Antrag auf Arbeitslosengeld am 11.04.95 beim Arbeitsmarktservice für Angestellte geltend gemacht und diesen fristgerecht beim Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste abgegeben."
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung erklärte die - seit 23. August 1995 im Bezug der Notstandshilfe stehende - Beschwerdeführerin, den Bescheid insofern anzufechten, als er das ihr gebührende Arbeitslosengeld nicht ab September 1994, sondern erst ab 11. April 1995 anerkenne. Im weiteren Text der Berufung wurde begründet, warum die Beschwerdeführerin nicht Anlass zur Einstellung der Leistung mit 1. September 1994 gegeben habe.
Die belangte Behörde richtete am 16. November 1995 ein Schreiben an den Vertreter der Beschwerdeführerin, worin u.a. ausgeführt wurde, die Mitteilung über die Höhe und das (zeitliche) Höchstausmaß des Arbeitslosengeldes, die der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages vom 11. Februar 1994 zugestellt worden sei, habe das Höchstausmaß mit 10. November 1994 angegeben. Weiters wurde in diesem Schreiben auf die Zustellprobleme vom August "95" (gemeint 1994) hingewiesen. Der Bezug des Arbeitslosengeldes sei daraufhin "eingestellt" worden. Es habe sich nicht um ein Kontrollversäumnis gehandelt, weshalb auch kein diesbezüglicher Bescheid erlassen worden sei. Weiters wurde in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin sich gemäß § 49 Abs. 1 AlVG aber zumindest einmal im Monat zu melden gehabt hätte, um ihren Leistungsanspruch zu sichern und der Vermittlung zur Verfügung zu stehen.
Die Beschwerdeführerin hielt dem mit Schreiben vom 30. November 1995 entgegen, ihr sei nicht mitgeteilt worden, dass sie sich unaufgefordert melden solle. Sie sei von ihrer Beraterin vielmehr im Sommer 1994 einmal schriftlich zur Vorsprache aufgefordert worden und dem auch nachgekommen. Davon abgesehen sei sie von ihrer Beraterin damals auch telefonisch kontaktiert und nach dem Stand ihrer Angelegenheit befragt worden, wobei ihr mitgeteilt worden sei, sie werde wieder von ihrer Beraterin hören. Die Beschwerdeführerin sei somit davon ausgegangen, dass sich ihre Beraterin wieder bei ihr melden werde.
In einer Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Angestellte vom 13. März 1996 wurde dazu ausgeführt, mit der Beschwerdeführerin - die eine Stelle als Prokuristin in Aussicht gehabt habe - sei in einem Telefongespräch vom 30. Juni 1994 vereinbart gewesen, dass sie sich "nach dem Sommer" wieder melden werde. Da dies nicht geschehen sei, sei ihr Anfang September 1994 ein Vermittlungsvorschlag zugeschickt worden, der mit dem Vermerk "zurück" wieder eingelangt sei. Auch ein weiterer Kontaktaufnahmeversuch sei fehlgeschlagen, woraufhin "der PST am 15. September 1994 vorläufig ruhend gestellt" worden sei (gemeint: mit 1. September 1994). Auf einen ihr am 1. August 1994 übermittelten Vermittlungsvorschlag habe die Beschwerdeführerin mit einem Telefonanruf vom 8. August 1994 sehr rasch reagiert gehabt. Die mit den Vermerken "zurück" versehenen Briefe seien der Beschwerdeführerin bei ihrer Vorsprache am 11. April 1995 vorgelegt, danach aber weggeworfen worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid und begründete dies - nach einer Darstellung des Inhaltes anzuwendender Rechtsvorschriften und des Verfahrensganges - im Wesentlichen damit, dass das Arbeitslosengeld im September 1994 eingestellt worden sei, weil die Beschwerdeführerin für das Arbeitsmarktservice nicht mehr erreichbar gewesen sei. Hiezu führte die belangte Behörde weiter aus:
"Diese Vorgangsweise ist deshalb notwendig, weil der Grund für die Unzustellbarkeit eines Poststückes z.B. ein Auslandsaufenthalt oder eine Wohnsitzänderung sein könnten, und auf Grund dieser Umstände kein Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gebührt bzw. die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht mehr gegeben sein könnte. Bei der Wiedermeldung des/der Arbeitslosen werden dann die Umstände geklärt, und das Verfahren wieder aufgenommen.
Da in Ihrem Fall die Unterbrechung jedoch mehr als 62 Tage dauerte, war gem. § 46 Abs. 5 AlVG bei der neuerlichen Meldung ein neuer Antrag zu stellen.
Gemäß § 46 Abs. 1 AlVG bedarf es bei der Antragstellung einer persönlichen Geltendmachung und gilt diese erst ab dem Tag als vollzogen, an dem der Antrag ausgefüllt dem Arbeitsmarktservice übergeben wurde. Gemäß § 17 Abs. 1 AlVG gebührt das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Geltendmachung, und ist als einzige Ausnahme § 17 Abs. 2 AlVG vorgesehen.
Da Sie Ihren Antrag auf Arbeitslosengeld am 11.4.95 gestellt haben und vom Gesetzgeber auch bei Angabe berücksichtigungswürdiger Gründe keine Ausnahmen vorgesehen sind, war der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde meint in der Gegenschrift, über einen "allfälligen Leistungsanspruch" vor dem 11. April 1995 habe sie schon deshalb nicht entscheiden können, weil darüber noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorgelegen sei. Mit dieser - auf den Begriff der "Sache" gemäß § 66 Abs. 4 AVG abstellenden - Argumentation setzt sich die belangte Behörde in Widerspruch nicht nur zur Begründung ihres Bescheides, die der Bezugseinstellung und der Dauer der dadurch ausgelösten Bezugsunterbrechung gewidmet ist, sondern auch zur normativen Bedeutung dieses Bescheides, mit dem - in bestätigender Übernahme des erstinstanzlichen Spruches - auf Grund der Eingabe der Beschwerdeführerin "festgestellt" wurde, dass ihr das Arbeitslosengeld ab dem Tag zustehe, ab dem es ihr schon vor ihrer Eingabe wieder angewiesen worden war. Mit dieser "Feststellung" - und damit auch mit dem angefochtenen Bescheid - wurde darüber entschieden, ob der Beschwerdeführerin das Arbeitslosengeld für die Zeit der faktischen Bezugsunterbrechung zustand oder nicht, wobei eine Bejahung dieser Frage für die Zeit bis zur Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (die unter Berücksichtigung einer Bezugsunterbrechung im Frühjahr 1994 offenbar am 10. Jänner 1995 eingetreten wäre) zur Folge gehabt hätte, dass der Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 11. April 1995 zustehen konnte. Der Antrag der Beschwerdeführerin bei ihrer Wiedermeldung an diesem Tag wäre diesfalls als Antrag auf Notstandshilfe zu werten (und zu prüfen) gewesen.
In der - von ihr demnach (und ungeachtet der unzweckmäßigen Fassung des Spruches des Bescheides) getroffenen - Entscheidung über den Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin ab dem 1. September 1994 hätte die belangte Behörde begründen müssen, dass, weshalb und für welche jeweiligen Teilzeiträume der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld infolge Wegfalls einer Anspruchsvoraussetzung endgültig oder vorübergehend nicht mehr bestanden habe, ein befristeter Verlust des Anspruchs auf Grund einer im Gesetz vorgesehenen Sanktion etwa gemäß § 10 Abs. 1 oder § 49 Abs. 2 AlVG eingetreten sei, oder der Anspruch schließlich erschöpft gewesen sei. Hierüber hätte die belangte Behörde in Erledigung der Eingabe der Beschwerdeführerin, die auch vor dem Hintergrund ihrer Angaben bei der Vervollständigung des am 11. April 1995 ausgegebenen Antragsformulars zu sehen gewesen wäre, in einer unter Umständen mehrgliedrigen Entscheidung den jeweils gesetzlich vorgesehenen Ausspruch zu fällen gehabt.
Die belangte Behörde hat sich stattdessen - in der Begründung ihrer Bestätigung der erstinstanzlichen "Feststellung" - mit dem Hinweis begnügt, die Beschwerdeführerin sei nicht mehr erreichbar gewesen und es hätte "z.B." sein können, dass dies seine Ursache in einem Auslandsaufenthalt oder einer Wohnsitzänderung habe und auf Grund dieser Umstände "kein Anspruch" gebühre bzw. die örtliche Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht mehr gegeben gewesen sei. Die belangte Behörde hat freilich nicht angenommen, dass ein solcher Umstand tatsächlich vorgelegen sei, wobei in Bezug auf Wohnsitzänderungen auch darauf hinzuweisen ist, dass sie als Einstellungsgrund wegen Wegfalls der Zuständigkeit nicht in Frage kommen (vgl. dazu in einem das Karenzurlaubsgeld betreffenden Fall das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0211).
Dessen ungeachtet ist die belangte Behörde vom Eintritt einer "Unterbrechung" gemäß § 46 Abs. 5 AlVG ausgegangen, deren Dauer eine persönliche Wiedermeldung der Beschwerdeführerin erfordert habe. Zu der darin liegenden Verkennung der Rechtslage - Annahme, die faktische Einstellung der Zahlungen an den Arbeitslosen sei eine "Unterbrechung" im Sinne der genannten Gesetzesstelle - kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 98/08/0151, verwiesen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis mit näherer Begründung dargelegt, dass die Rechtswirkungen einer eine persönliche Wiedermeldung des Arbeitslosen erfordernden Unterbrechung nicht eintreten, so lange über die "Unterbrechung" - wenn diese auf einem Einstellungsgrund beruhen soll - nicht bescheidmäßig entschieden ist. In dem Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 96/08/0399, hat der Verwaltungsgerichtshof hierauf verwiesen und hinzugefügt, dass ein Bescheid über die Einstellung der Leistung in der Annahme, eine Anspruchsvoraussetzung sei weggefallen, nicht erst auf Grund einer - durch die faktische Einstellung der Zahlungen ausgelösten - Vorsprache des Arbeitslosen zu erlassen ist.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung daher zu Unrecht auf die Annahme gestützt, schon auf Grund der Länge der seit der faktischen Einstellung der Leistung verstrichenen Zeit habe der Beschwerdeführerin erst ab ihrer persönlichen Wiedermeldung wieder das Arbeitslosengeld gewährt werden dürfen.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Oktober 2000
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