Normen
ASVG §101;
ASVG §230 Abs2 lita;
ASVG §101;
ASVG §230 Abs2 lita;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 23. Oktober 1985 bei der mitbeteiligten Partei den Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension. Mit Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 31. Jänner 1986 wurde dieser Antrag abgelehnt, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Begründend wurde ausgeführt, daß der Anspruch auf eine Pensionsleistung an die allgemeine Voraussetzung geknüpft sei, daß am Stichtag die Wartezeit erfüllt sei. Zum Stichtag 1. November 1985 würde die Wartezeit dann erfüllt sein, wenn die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 1. November 1969 bis 31. Oktober 1985 mindestens
96 Versicherungsmonate oder bis zum Stichtag insgesamt 240 Versicherungsmonate, davon mindestens 180 Beitragsmonate, erworben hätte. Sie habe ab 1. August 1968 86 Beitragsmonate erworben und daher die erforderlichen Voraussetzungen zum Stichtag nicht erfüllt. Dieser Bescheid erwuchs nach der Aktenlage unangefochten in Rechtskraft.
Mit der am 14. Dezember 1990 bei der mitbeteiligten Partei eingelangten Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin die rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes nach § 101 ASVG und die Zuerkennung der Invaliditätspension basierend auf dem Antrag vom 23. Oktober 1985. Die mitbeteiligte Partei habe es verabsäumt, die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit der Weiterversicherung hinzuweisen, d.h. sie damit bekannt zu machen, daß mit der Weiterversicherung die Wartezeit erfüllt werde. Zur Weiterversicherung sei sie berechtigt und seien damit die allgemeinen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Invaliditätspension zum Stichtag erfüllt. Die freiwillige Weiterversicherung beginne mit dem Tag, den der Versicherte wähle. Die Weiterversicherung werde daher so beantragt, daß die Wartezeit zum Stichtag erfüllt sei. Es würden auch Mindestbeiträge beantragt, da die Versicherte nicht imstande sei, diese Kosten ohne wesentliche Beeinträchtigung ihres Lebensunterhaltes zu tragen.
Mit Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 16. Jänner 1991 wurde dieser Antrag der Beschwerdeführerin abgelehnt. In der Begründung wurde ausgeführt, daß sich gegenüber der seinerzeitigen Entscheidungsgrundlage keine Änderung ergeben habe und ein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt oder ein offenkundiges Versehen nicht vorliege. Dieser Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß innerhalb von drei Monaten ab Zustellung Klage beim zuständigen Landes-, Kreis- bzw. Arbeits- und Sozialgericht erhoben werden könne.
Die Beschwerdeführerin bekämpfte diesen Bescheid mit dem am 28. Jänner 1991 bei der mitbeteiligten Partei eingelangten, als "Widerspruch" bezeichneten Schriftsatz. Die mitbeteiligte Partei faßte dieses Schreiben als "Klage" auf und übermittelte es gemeinsam mit einer Klagebeantwortung dem Arbeits- und Sozialgericht Wien. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien wies mit Beschluß vom 4. Juli 1991, AZ 1N Cgs 48/91, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Dieser Beschluß erwuchs nach der Aktenlage unangefochten in Rechtskraft.
Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid den "Einspruch" der Beschwerdeführerin nunmehr im Verwaltungsverfahren als unbegründet gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß im vorliegenden Fall feststehe, daß zum Zeitpunkt des Stichtages die Wartezeit für eine Invaliditätspension nicht erfüllt gewesen sei. Da zum Zeitpunkt der Entscheidung der mitbeteiligten Partei weder ein Irrtum unterlaufen sei noch ein Versehen stattgefunden habe, sei der Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes zu Recht abzulehnen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift der Beschwerde keine Folge zu geben.
Mit Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0142, hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde mit der Begründung auf, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall über eine Leistungssache im Sinne des § 354 ASVG entschieden habe, zu der sie nicht zuständig gewesen sei.
Daraufhin wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. November 1993 den Einspruch als unzulässig zurück.
Mit Erkenntnis vom 6. März 1996, K I-5/95-25, sprach der Verfassungsgerichtshof über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und dem Landeshauptmann von Wien gemäß Art. 138 Abs. 1 lit. a B-VG (unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 25. Juni 1994, K I-5/93-8, in dem die Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Entscheidung über den Einspruch gegen einen Bescheid nach § 101 ASVG bejaht wurde) aus, daß die belangte Behörde zur Entscheidung über den Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Partei zuständig sei, und hob den entgegenstehenden Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 1993 und das ihm zugrundeliegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0142, auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 101 ASVG ist dann, wenn sich nachträglich ergibt, daß eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen.
Nach dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 1994 ist die Entscheidung, ob der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, eine Verwaltungssache, die Herstellung dieses Zustandes selbst hingegen eine Leistungssache. Demgemäß habe sich der mit Einspruch angerufene Landeshauptmann auf die Frage der Zulässigkeit der Herstellung des gesetzlichen Zustandes (die auch dann zu verneinen sei, wenn kein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt und kein offenkundiges Versehen vorliege) zu beschränken und dem Sozialversicherungsträger bejahendenfalls die Herstellung, das heiße: die Erlassung eines neuen Leistungsbescheides, aufzutragen.
Die Beschwerdeführerin wendet gegen die Auffassung der belangten Behörde, zum Zeitpunkt der Entscheidung der mitbeteiligten Partei sei ihr weder ein Irrtum über den Sachverhalt noch ein offenkundiges Versehen unterlaufen, folgendes ein:
Sie sei zum Stichtag 1. November 1985 bei entsprechender rechtlicher Anleitung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter sehr wohl imstande gewesen, die fehlenden Versicherungszeiten durch freiwillige Weiterversicherung zu erfüllen. Die im Verfahren auf Gewährung einer Invaliditätspension unvertreten gewesene Beschwerdeführerin wäre von der mitbeteiligten Partei entsprechend zu belehren gewesen, daß die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung zum damaligen Zeitpunkt bereits bestanden habe. Das Verfahren um Gewährung einer Invaliditätspension sei daher mangelhaft geblieben und habe dies zum Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes geführt.
Mit diesem Vorbringen kann die Beschwerdeführerin keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit aufzeigen. Die in der Beschwerde hervorgehobene Möglichkeit, rückwirkend (rückgerechnet von der Antragstellung) freiwillige Beiträge zu entrichten und so die Anspruchsvoraussetzungen für einen Pensionsanspruch zum Stichtag (1. November 1985) herzustellen, begründet noch keinen Anspruch auf Richtigstellung des abweislichen Pensionsbescheides gemäß § 101 ASVG. Eine solche Richtigstellung könnte erst dann und insoweit erfolgen, als hervorkäme, daß freiwillige Beiträge tatsächlich wirksam entrichtet worden sind. Wirksam sind solche Beiträge, wenn sie nach dem Stichtag entrichtet wurden, gemäß § 230 Abs. 2 lit. a ASVG nur dann, wenn es sich um Beiträge für Zeiträume handelt, für welche die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erst nach dem Stichtag in einem schon vorher eingeleiteten Verfahren festgestellt wurde.
Es kann auf sich beruhen, ob die Beschwerdeführerin spätestens gleichzeitig mit ihrem Pensionsantrag auch einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung gestellt hat (das Pensionsformular enthält keinen diesbezüglichen Hinweis), da bisher unbestrittenermaßen Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung nicht entrichtet wurden. Soweit die Beschwerdeführerin der Auffassung ist, daß sie dazu berechtigt wäre, hätte sie darüber vorerst einen Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt zu verlangen und diesen Bescheid gegebenenfalls im Instanzenzug zu bekämpfen. Wenn sie der Auffassung ist, daß ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung aufgrund der schuldhaften Verletzung einer Beratungspflicht durch die Pensionsversicherungsanstalt unterblieben und ihr dadurch ein leistungsrechtlicher Schaden (nämlich dadurch, daß sie keine Pension enthält, die sie bei rechtzeitiger Antragstellung und Einzahlung freiwilliger Beiträge erhielte) entstanden ist, dann hätte sie diesen Schadenersatzanspruch im Amtshaftungswege bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Ein Grund zur Richtigstellung des abweislichen Pensionsbescheides vom 31. Jänner 1986 im Sinne des § 101 ASVG liegt jedoch selbst dann nicht vor, wenn der Beschwerdeführerin in ihren Beschwerdeausführungen zu folgen wäre. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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