VwGH 96/06/0221

VwGH96/06/022119.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. August 1996, Zl. Ve1-554-54/1-2, betreffend Feststellung gemäß § 2 Abs. 2 des Tiroler Landesgesetzes über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. Nr. 11/1994 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1978 §25 litd;
BauO Tir 1978 §4;
BauO Tir 1989 §56 Abs7;
BauRallg;
LBauO Tir §45;
LBauO Tir §70;
ROG Tir 1972 §15 Abs2 idF 1976/063;
BauO Tir 1978 §25 litd;
BauO Tir 1978 §4;
BauO Tir 1989 §56 Abs7;
BauRallg;
LBauO Tir §45;
LBauO Tir §70;
ROG Tir 1972 §15 Abs2 idF 1976/063;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. November 1995 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde im Zuge eines Feststellungsverfahrens gemäß § 2 des Gesetzes vom 23. November 1993 über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland entschieden, daß hinsichtlich des Bauernhauses unter der Adresse L 59, EZ 757, KG K, keine Baubewilligung und keine Bewilligung für die Änderung des Verwendungszweckes des seinerzeitigen Bauernhauses als Freizeitwohnsitz auffindbar seien. Das Vorliegen einer Baubewilligung für ein Bauernhaus sei zu vermuten, das Vorliegen der Genehmigung einer Änderung des Verwendungszweckes als Freizeitwohnsitz sei hingegen nicht zu vermuten.

Gegen die Feststellung, daß hinsichtlich der Änderung des Verwendungszweckes keine Genehmigung zu vermuten sei, hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, die vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 1. Dezember 1995 abgewiesen wurde.

In der dagegen erhobenen Vorstellung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, erst seit der Bestimmung des § 56 Abs. 7 TBO in der Fassung der 3. Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 10/1989, bedürfe die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden einer Bewilligung der Behörde, und dies nur dann, wenn diese Änderung auf die Zulässigkeit des Gebäudes einen Einfluß haben könne. Bei dem vom Beschwerdeführer seit dem Jahr 1980 als Freizeitwohnsitz genutzten Anwesen handle es sich aber um ein seit jeher (seit 300 Jahren) zu Wohnzwecken dienendes Bauernhaus, das vom Beschwerdeführer nur habe instandgesetzt werden müssen, um bewohnbar zu sein. Ob dieses Haus daher als bäuerliche Hofstelle, als Freizeitwohnsitz verwendet oder genützt werde, sei aus baurechtlicher Hinsicht vollkommen belanglos. Die nunmehrige Verwendung des ehemaligen Bauernhauses als Freizeitwohnsitz bedürfe gemäß § 56 Abs. 7 TBO keiner Baubewilligung. Es bestehe daher auch keine Verpflichtung des Bürgermeisters zur Erlassung des Feststellungsbescheides im Sinne des § 2 Abs. 2 des "Tiroler Schwarzbautengesetzes".

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 1. Dezember 1995 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, auch aufgrund der Tiroler Landesbauordnung (TLBO) sei eine Zweckbindung des Gebäudes, nämlich als landwirtschaftliche Hofstelle, vorgelegen, was aus den Bestimmungen der §§ 70 ff TLBO hervorgehe. Die Verwendung zu anderen Zwecken als einem landwirtschaftlichen Verwendungszweck hätte daher schon einer Bewilligung nach der TLBO bedurft. Damit könne aus der Argumentation des Beschwerdeführers, vor 1989 sei eine Änderung des Verwendungszweckes ohne Baubewilligung zulässig gewesen, nichts gewonnen werden. Auch der Einwand, das Haus sei seit dem Jahre 1980 als Freizeitwohnsitz verwendet worden, gehe ins Leere, dies deshalb, da im Zuge einer Verwendungszweckänderung von der Baubehörde zu untersuchen sei, ob diese Änderung auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach diesem Gesetz einen Einfluß haben könne (vgl. § 25 lit. d der Tiroler Bauordnung). Gemäß § 4 der Tiroler Bauordnung habe die Behörde nämlich zu untersuchen, ob im Freiland gelegene Gebäude durch Hochwasser, Vermurung, Steinschlag, Erdrutsch, Lawinen oder andere Gefahren bedroht seien, und ob Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar seien. Im Akt liege ein Gutachten des forsttechnischen Dienstes der Wildbach- und Lawinenverbauung ein, in dem ausdrücklich auf eine Lawinengefährdung hingewiesen und eine Benützungsbeschränkung gefordert werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Abs. 1 und 2 des § 2 des Gesetzes über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. Nr. 11/1994, lauten:

"§ 2

Feststellungsverfahren

(1) Der Bürgermeister hat unverzüglich nach der Erhebung nach § 1 Abs. 2 hinsichtlich jener Gebäude, für die die Baubewilligung nicht nachgewiesen werden kann, mit Bescheid festzustellen, ob das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist oder nicht. Das Vorliegen der Baubewilligung ist zu vermuten, wenn auf Grund des Alters des betreffenden Gebäudes oder sonstiger besonderer Umstände davon auszugehen ist, daß aktenmäßige Unterlagen darüber nicht mehr vorhanden sind, und überdies kein Grund zur Annahme besteht, daß das betreffende Gebäude entgegen den zur Zeit seiner Errichtung in Geltung gestandenen baurechtlichen Vorschriften ohne entsprechende Bewilligung errichtet worden ist.

(2) Wird ein Gebäude, für das die Baubewilligung nachgewiesen wird oder das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist, ohne Bewilligung zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck verwendet, so hat der Bürgermeister dies mit Bescheid festzustellen."

Mit der Problematik, ob die Änderung des Verwendungszweckes von einem landwirtschaftlichen Wohngebäude in ein anderes Wohngebäude von der Bewilligungspflicht nach der Tiroler Landesbauordnung erfaßt war, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt befaßt. So hat er in seinem Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 95/06/0265, ausgeführt, daß in einem vor Inkrafttreten der Tiroler Landesbauordnung errichteten Wohngebäude (ohne Beschränkung des Verwendungszweckes) die verschiedensten Wohnzwecke gedeckt waren. Änderungen von Hauptwohnung in "Freizeitwohnung" seien irrelevant gewesen, weil beide in dem Begriff "Wohnzweck" ihre Deckung fänden. Erst wenn der erkennbare Zweck überschritten sei, sei gemäß § 56 Abs. 7 TBO eine Baubewilligung erforderlich gewesen. Diese Bestimmung sei aber erst am 1. März 1989 in Kraft getreten. Schon in diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß sich eine Bewilligungspflicht für Veränderungen des Verwendungszweckes aus der Tiroler Landesbauordnung nicht aus den Vorschriften über das Erfordernis einer Bewilligung zur Vornahme wesentlicher Abänderungen an bestehenden Gebäuden ableiten ließe, und auch nicht aus dem Umstand, daß § 70 leg. cit. gewisse Erleichterungen in bezug auf die Statik vorsehe, da sich diese Erleichterungen nur auf die HERSTELLUNG des Gebäudes, aber nicht auf Änderungen des Verwendungszweckes bezogen. Auch in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 95/06/0184, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß während des Geltungsbereiches der Tiroler Landesbauordnung der Umstand, daß ein ehemaliges landwirtschaftliches Wohngebäude als Freizeitwohnsitz oder Ferienwohnung benützt werde, von keiner Baubewilligungspflicht nach der Tiroler Landesbauordnung erfaßt sei. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken.

Der Hinweis auf § 4 der Tiroler Bauordnung vermag im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis zu führen, weil sich auch diese Bestimmung, wie schon aus der Verwendung der Wortfolge "bauliche Anlagen dürfen nur auf Grundstücken errichtet werden ..." hervorgeht, nur auf die Errichtung von baulichen Anlagen und nicht auf die Änderung des Verwendungszweckes bezieht, die ohne Bezug auf eine Bauführung erfolgt. Stichhaltige Gründe, weshalb die im Jahre 1980 vorgenommene Änderung des Verwendungszweckes der Baubewilligungspflicht gemäß § 25 lit. d TBO unterliegen sollte, vermochte die belangte Behörde nicht anzugeben, auch der Verwaltungsgerichtshof vermag derartige Gründe nicht zu erkennen, zumal § 15 Abs. 2 TROG 1972 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 63/1976 ebenfalls auf die Errichtung von Gebäuden sowie Zu- und Umbauten und nicht auf die Änderung des Verwendungszweckes ohne Bauführung abstellt.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist das Gesetz über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. Nr. 11/1994, auf den Beschwerdefall nicht in dem von der belangten Behörde angenommenen Umfang anwendbar: Es handelt sich nämlich nicht um ein Gebäude mit Aufenthaltsräumen im Freiland, für das eine Baubewilligung nicht vorliegt, weil das Gebäude schon nach den Feststellungen des Bürgermeisters so alt ist, daß vom Vorliegen eines Konsenses auszugehen ist. Wie bereits oben dargelegt wurde, wird das Gebäude auch nicht für einen anderen als den bewilligten oder aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Zweck verwendet. Im Beschwerdefall ist daher sowohl davon auszugehen, daß für das Gebäude ein vermuteter Konsens vorliegt, als auch davon, daß das Gebäude für einen Zweck verwendet wird, der aus der Zweckbestimmung hervorgeht.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem in der genannten Verordnung erwähnten Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte