VwGH 96/05/0299

VwGH96/05/029925.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der B-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. Oktober 1996, Zl. MD-VfR - B XVI - 39 und 40/96, betreffend Baueinstellung, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §127 Abs8 litb;
BauRallg;
BauO Wr §127 Abs8 litb;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 23. August 1996 wurde der Beschwerdeführerin "die Fortführung der im Haus 16. Bez., H-Gasse ONr. n1, EZ n2 der Katastralgemeinde Ottakring, begonnen baulichen Herstellungen, nämlich den Ausbau des Dachgeschoßes im Bereich der Front O-Straße und anschließend an der Front H-Gasse auf eine Länge von 16 m" gemäß § 127 Abs. 8 der Bauordnung für Wien untersagt und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen. In der Begründung führte hiezu die Baubehörde erster Instanz aus, anläßlich einer am 23. August 1996 durchgeführten Erhebung sei festgestellt worden, daß auf dem oben näher bezeichneten Grundstück die Aufstockung am Gebäudeteil Front O-Straße und an der Front H-Gasse in einer Länge von 16 m durchgeführt werde, welche laut dem genehmigten Plan vom 29. Oktober 1992 um 1 m zu hoch sei. Die Aufstockung sei im Rohbau fertig und die Dacheindeckung werde begonnen. Die Bauarbeiten seien im Oktober 1994 begonnen worden. Die baulichen Herstellungen seien entgegen § 73 der Bauordnung für Wien abweichend vom genehmigten Bauplan durchgeführt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. Oktober 1996 wurde u.a. die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Die begonnene Aufstockung des Gebäudes stelle gegenüber der bewilligten Ausführung eine Vergrößerung des Gebäudes dar, welche einem Zubau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien entspräche. Die geänderte Ausführung des mit Bescheid vom 29. Oktober 1992 bewilligten Bauvorhabens (Dachgeschoßausbau) hätte somit gemäß § 73 leg. cit. der vorherigen Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung bedurft. Ob eine solche Bewilligung erteilt werden könnte, sei in diesem Verfahren unerheblich. Die Einstellung der Bauführung sei daher zu Recht erfolgt. Ebenso sei der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung der Berufung gerechtfertigt gewesen, weil die gegenständlichen Baumaßnahmen von Einfluß auf die Festigkeit des Gebäudes seien und vor der Überprüfung des Vorhabens durch die Baubehörde keinesfalls feststehe, ob alle sicherheitstechnischen Belange gewahrt seien und das Bauvorhaben auch tatsächlich behördlich bewilligt werden könne.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf Fortführung der auf der Liegenschaft begonnenen baulichen Herstellungen" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des Art. III Abs. 1 der Bauordnungs-Novelle LGBl. Nr. 42/1996 ist auf den gegenständlichen Beschwerdefall § 127 der Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung vor dieser Novelle anzuwenden. Gemäß § 127 Abs. 8 lit. b BO ist die Bauführung einzustellen, wenn von den genehmigten Bauplänen in solcher Art oder in solchem Umfang abgewichen wird, daß für die Abweichung die Einholung einer Baubewilligung erforderlich ist (§ 73).

Gemäß § 73 leg. cit. sind beabsichtigte Abweichungen von rechtskräftigen, noch wirksamen Baubewilligungen nach den Bestimmungen der §§ 60 und 62 wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln. Durch derartige Ansuchen und durch deren Erledigung wird die Gültigkeitsdauer der ursprünglichen Baubewilligung nicht verlängert.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a leg. cit. sind Zubauten alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung.

Der belangten Behörde ist daher kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie davon ausging, daß die festgestellte geänderte Ausführung des bewilligten Bauvorhabens der vorherigen Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätte. Dies wird auch in der Beschwerde nicht angezweifelt.

Voraussetzung für eine Baueinstellung gemäß § 127 Abs. 8 lit. b BO ist allein die tatsächliche Abweichung von den Bauplänen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 1993, Zl. 90/05/0151). Auf die Problematik der Möglichkeit der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung kommt es im Rahmen des Baueinstellungsverfahrens nicht an.

Im erstinstanzlichen Bescheid wurde der Umfang der angeordneten Baueinstellung konkret umschrieben. Mit dem erstmals in der Beschwerde enthaltenen Vorbringen, die Untersagung der Fortführung der begonnenen baulichen Herstellungen sei zu weitgehend, da damit nicht nur die Durchführung der Arbeiten, die zu einer Abweichung vom genehmigten Bauplan führten, untersagt werde, sondern ganz generell die Durchführung aller weiteren Baumaßnahmen im Zuge des Ausbaues des Dachgeschoßes untersagt würden, vermag die Beschwerdeführerin im gegebenen Sach- und Rechtszusammenhang schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - der Ausbau des Dachgeschoßes als ein einheitliches Bauvorhaben anzusehen ist und die durchgeführte Aufstockung dem Baukonsens widerspricht.

Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 127 Abs. 9 BO fehlen die Anhaltspunkte. Nach dieser Gesetzesstelle kann die Behörde, soferne der Tatbestand für eine Baueinstellung nach Abs. 8 lit. a bis f offenkundig nur für einen Teil eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verwirklicht und aus diesem Grunde die Fortführung der Bauarbeiten an einem anderen Teil des Gebäudes oder der baulichen Anlage technisch möglich und keinesfalls mit einer Gefährdung von Menschen verbunden ist, die Baueinstellung auf diesen Teil des Gebäudes oder der baulichen Anlage beschränken; andernfalls erstreckt sich die Baueinstellung auf das gesamte Bauvorhaben. Weder in der Berufung noch in der Beschwerde wird vorgebracht, daß eine weitere umfängliche Einschränkung der angeordneten Baueinstellung technisch möglich sei, welche auch nicht mit einer Gefährdung von Menschen verbunden wäre. Die Aktenlage bietet hiefür auch keinen Anhaltspunkt.

Die Verfahrensrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG sind nämlich für den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Überprüfung nur jene Verfahrensmängel relevant, bei deren Vermeidung nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör geltend macht, hat darzulegen, was er vorgetragen hätte, wenn das Parteiengehör gewahrt worden wäre. Angesichts eines solchen Vorbringens ist es dem Verwaltungsgerichtshof erst möglich, die Frage zu beurteilen, ob die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätten kommen können. Im vorliegenden Fall führt die Beschwerdeführerin die Wesentlichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels in diesem Sinn nicht näher aus (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/05/0232).

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit frei von Rechtsirrtum. Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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