VwGH 96/05/0195

VwGH96/05/01954.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Erna Mischak und des Ernst Mischak in Dietersberg, beide vertreten durch Dr. Franz Nistelberger, Rechtsanwalt in Wien I, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 1996, Zl. R/1-V-94213/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: Roman Wenzl und Gertrude Wenzl in Dietersberg, beide vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, Riemerplatz 4), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §21 Abs7;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2;
BauO NÖ 1976 §21 Abs7;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zusammen dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Neidling vom 29. Mai 1965 war den Beschwerdeführern eine Baubewilligung zur Errichtung eines Schuppens an der Grundgrenze zu den Rechtsvorgängern der nunmehrigen Mitbeteiligten erteilt worden. Mit Bescheid vom 28. Juni 1983 war den Beschwerdeführern der Um- und Ausbau dieses Schuppens und der Einbau einer Garage bewilligt worden. Diese Baubewilligung ist außer Kraft getreten, weil der Bau nicht rechtzeitig vollendet wurde.

Auf Grund ihres Ansuchens vom 21. September 1993 um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Zwischentraktes zwischen dem Wohngebäude und dem Schuppen sowie dem Ausbau dieses Schuppens zu einer Garage mit zwei Dachräumen erteilte der Bürgermeister den Beschwerdeführern mit Bescheid vom 22. März 1994 die beantragte Bewilligung. Die Einwendungen der Mitbeteiligten wurden als unbegründet abgewiesen. Mit Erledigung vom 26. September 1994 hat der Gemeinderat die Berufung der Mitbeteiligten gegen den erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung der Mitbeteiligten hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 31. Juli 1995 zurückgewiesen, weil die Erledigung des Gemeinderates mangels leserlicher Unterschrift keinen Bescheid darstelle. Mit Bescheid vom 8. August 1995 hat der Gemeinderat die Berufung der Mitbeteiligen gegen den erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bebauungsplan sehe die offene oder gekuppelte Bebauungsweise vor, die Bestimmung des § 87 Abs. 2 der NÖ BO (1976) sei nicht anzuwenden, da sie nur für Kleingaragen in der offenen Bebauungsweise gelte, hier aber die gekuppelte Bebauungsweise vorliege. Da eine gekuppelte Bebauungsweise möglich sei, sei das Bauvorhaben zulässig.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit an die Gemeinde Neidling zurückverwiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 21 Abs. 7 der NÖ BO 1976 dürfe der Bauwerber ein Wahlrecht zwischen offener und gekuppelter Bebauungsweise nur unter Bedachtnahme auf die bereits bestehenden und bewilligten Gebäude ausüben, sofern das Wahlrecht nicht schon durch frühere Bauvorhaben verbraucht sei. Der letzte Halbsatz dieser Bestimmung beziehe sich also auf bereits bestehende Objekte auf dem Grundstück des Bauwerbers. Der Bauwerber habe sich bei seinem früheren Projekt für eine der beiden Varianten entschieden, es sei daher sein Wahlrecht, gleichgültig, ob ihm auf Grund der Bebauung der Nachbargrundstücke noch ein Wahlrecht zustünde, verbraucht. Da im Beschwerdefall das Wohnhaus der Beschwerdeführer in offener Bebauungsweise errichtet sei, sei die Änderung auf gekuppelte Weise durch einen Umbau unzulässig, das Wahlrecht könne erst dann wieder genützt werden, wenn der Altbestand abgebrochen und ein Neubau errichtet werden würde. Da im Beschwerdefall das Wahlrecht durch die Errichtung des Altbestandes bereits konsumiert worden sei, sei von einer offenen Bebauungsweise auszugehen, sodass auch die Regelungen des § 21 Abs. 4 der NÖ BO 1976 über den Bauwich anzuwenden seien. Gleichgültig also, ob die Grundgrenze unmittelbar an der westlichen Außenwand des Objektes oder aber 30 cm davon entfernt verlaufe, sei der notwendige Bauwich selbst unter Berücksichtigung der Anrechnungsregeln des § 21 Abs. 6 der NÖ BO 1976 nicht eingehalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzustellen, dass der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen den hier anzuwendenden Bebauungsplan der Gemeinde Neidling hegt, der Bebauungsplan aus dem Jahre 1991, der an die Stelle des Bebauungsplanes aus dem Jahre 1982 getreten ist, wurde nach eingehender Befundaufnahme erstellt; entgegen den Ausführungen der Mitbeteiligten ist nicht nur für das gegenständlich zu bebauende Grundstück die offene oder gekuppelte Bebauungsweise festgelegt.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass auf dem zu bebauenden Grundstück auf Grund des Wohnobjektes der Beschwerdeführer die offene Bebauungsweise verwirklicht sei, womit das Wahlrecht, das gemäß § 21 Abs. 7 der NÖ BO 1976 grundsätzlich gegeben sei, bereits verbraucht sei. Diese Ansicht ist richtig, weil § 21 Abs. 7 NÖ BO 1976 das Wahlrecht ausdrücklich dann ausschließt, wenn es durch ein früheres Bauvorhaben verbraucht ist. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer ist ein Wahlrecht durch ein früheres Bauvorhaben auch dann im Sinn des § 21 Abs. 7 NÖ BO 1976 letzter Satz verbraucht, wenn es sich dabei um ein Objekt handelt, das bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes, der erstmals die Wahlmöglichkeit einräumte, errichtet wurde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, erstreckt sich die Bindung sowohl der Gemeinde als auch der anderen Parteien des Verfahrens ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/05/0304). Der die Aufhebung tragende Grund des aufsichtsbehördlichen Bescheides war die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass bei Verwirklichung des eingereichten Bauvorhabens ein Gebäude entstünde, das in gekuppelter Bebauungsweise an der Grundgrenze errichtet würde, was deshalb unzulässig sei, weil das Wahlrecht insofern schon konsumiert worden sei, als mit dem Wohnobjekt die offene Bebauungsweise gewählt worden sei.

Mit dieser Ansicht ist die belangte Behörde im Recht.

Nach § 87 Abs. 2 NÖ BO darf eine Kleingarage je Bauplatz bei offener Bebauungsweise im Vorgarten an der seitlichen Grundstücksgrenze oder im seitlichen Bauwich angeordnet werden, wenn 1. das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird, 2. der Bebauungsplan dies nicht ausdrücklich verbietet, 3. die Gesamtbreite des Bauwiches bebaut wird, die Gebäudehöhe außer bei Kuppelung mit einer Kleingarage auf dem Nachbargrundstück höchstens 2,50 m, gemessen an der Grundstücksgrenze zum Anrainer, beträgt, wobei das Dach des Hauptgebäudes bis zur Hälfte seiner Länge über die Kleingarage abgeschleppt werden darf, und die Länge der Kleingarage einschließlich eines Vordachs an der Grundstücksgrenze 12 m nicht überschreitet.

Nach den hier vorliegenden Plänen beträgt die Länge der Kleingarage samt Heizraum 11,97 m, die Gebäudehöhe beträgt an der Grundstücksgrenze zu den Mitbeteiligten jedenfalls mehr als 2,50 m. Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass die Bestimmung des § 87 Abs. 2 NÖ BO 1976 zur Anwendung gelangen könnte.

Ist also im Beschwerdefall davon auszugehen, dass durch den Altbestand der Beschwerdeführer die offene Bebauungsweise verwirklicht wurde, so hätte, da auch die Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 BO in Bezug auf die Abstellanlage schon wegen der Überschreitung der Gebäudehöhe nicht vorliegen, diese Bestimmung auch dann nicht angewendet werden können, wenn, wie hier, von einer offenen Bebauungsweise auszugehen ist. Im Übrigen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch zu einem Hinweis auf sein Erkenntnis vom 18. September 1990, Zl. 90/05/0040, veranlasst, wonach dann, wenn ein Raum über der Garage, für welchen auch Fenster vorgesehen sind, zu garagenfremden Zwecken verwendet werde, es sich um keine Kleingarage handle, sodass dieser Raum im Seitenabstand jedenfalls unzulässig wäre. Wie im damaligen Fall ist auch hier eine Widmung der Dachräume nicht ausgewiesen, überdies enthält das Bauvorhaben auch noch andere Räume, sodass die Bewilligung des Bauvorhabens im Seitenabstand nicht in Betracht kommt.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. Juli 2000

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