VwGH 95/21/0987

VwGH95/21/098723.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des B K, (geboren am 4. Mai 1974), in Wien, vertreten durch Dr. Werner Weiss, dieser vertreten durch Dr. Helmut Denck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fütterergasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. April 1995, Zl. Fr 4018/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FlKonv;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FlKonv;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 und Abs. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 7. November 1994 "illegal" - ohne im Besitz eines Reisedokumentes bzw. einer Aufenthaltsberechtigung zu sein - in das Bundesgebiet eingereist. Am 9. November 1994 habe er einen Asylantrag eingebracht, der mit Bescheid vom 16. November 1994 gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen worden sei. Das Bundesasylamt Traiskirchen habe dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt. Vor seiner Einreise in das Bundesgebiet habe sich der Beschwerdeführer in Ungarn aufgehalten. Ungarn sei Mitglied der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, sodaß er bereits in diesem Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung käme nur jenen Asylwerbern zu, die gemäß § 6 Asylgesetz (1991) direkt in das Bundesgebiet eingereist seien. Da beim Beschwerdeführer dieser Tatbestand der direkten Einreise "nicht vorgefunden werden konnte", komme ihm auch nicht die von ihm behauptete Aufenthaltsberechtigung zu und es seien daher auf den Beschwerdeführer die fremdengesetzlichen Bestimmungen anwendbar. Der rechtskräftige Abschluß des Asylverfahrens sei für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht erforderlich. Aufgrund der illegalen Einreise habe der Beschwerdeführer den Tatbestand der Umgehung der Grenzkontrolle des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt. Mit der Bundesrepublik Jugoslawien bestehe zwar ein Sichtvermerksabkommen, da es aber derzeit außer Kraft sei, sei der Beschwerdeführer nicht zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt gewesen und daher unter Mißachtung der Bestimmungen des Fremdengesetzes eingereist. Er sei innerhalb eines Monats nach der Einreise betreten worden und der Bescheid der Erstbehörde sei innerhalb dieses Monats erlassen worden. In seiner Berufung wende der Beschwerdeführer gegen die Feststellung der Behörde erster Instanz, wonach er die Mittel zu seinem Unterhalt nicht besitze, ein, daß die Mittellosigkeit aufgrund der kostenlosen Unterbringung in der Wohnung seines Cousins sowie der Tatsache, daß ihm dieser die notwendigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stelle, nicht gegeben wäre. Dies habe der Beschwerdeführer aber nicht näher dargetan. Eine gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen liege dann vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen in der Lage sei. Wolle er diese Rechtsfolgen vermeiden, so liege es an ihm, von sich aus initiativ zu beweisen, daß er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Aufforderungen seitens der Behörde an den Fremden, dieser Beweislast entsprechend zu handeln, seien demnach keineswegs geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "gem. § 42 Abs. 2 VwGG 1965" aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden (Z. 6). Die belangte Behörde durfte den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG im Hinblick darauf als erfüllt ansehen, daß der Beschwerdeführer einerseits unbestritten am 7. November 1994 ohne den erforderlichen Sichtvermerk, somit unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes, und unter Umgehung der Grenzkontrolle einreiste und andererseits anläßlich der Stellung seines Asylantrages am 9. November 1994 Behördenkontakt hatte, somit innerhalb der normierten Monatsfrist betreten wurde. Da sohin die auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG gestützte Ausweisung mit dem Gesetz in Einklang steht, kann es dahingestellt bleiben, ob sie rechtens auch auf § 17 Abs. 2 Z. 4 leg.cit. gegründet werden konnte.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid mit der Begründung für rechtswidrig, daß gemäß § 54 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 FrG im Verfahren zur Erlassung der Ausweisung zu prüfen gewesen wäre, ob der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Fall seiner Abschiebung nach Jugoslawien dort aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung und seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe unmenschlicher Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Dieser Einwand geht deshalb fehl, weil Gegenstand des angefochtenen Bescheides nicht die Frage der Zulässigkeit/Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in einen bestimmten Staat, sondern allein die Ausweisung nach § 17 FrG ist. Der Prüfung der Zulässigkeit/Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat dient das Feststellungsverfahren gemäß § 54 FrG, das auf Antrag des Fremden einzuleiten ist. Ein diesbezüglicher Antrag wurde vom Beschwerdeführer auch am 25. November 1994 gestellt. Der Umstand, daß über diesen im Zeitpunkt der vorliegend bekämpften Entscheidung noch nicht rechtskräftig entschieden war, stand der Ausweisung nicht entgegen. Der Abschiebungsschutz gemäß § 54 Abs. 4 FrG hinsichtlich des vom Beschwerdeführer bezeichneten Staates kommt ihm ohnehin bis zum rechtskräftigen Abschluß des bereits initiierten Verfahrens gemäß § 54 FrG zu.

Auch das Vorbringen, der angefochtene Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil dem Beschwerdeführer bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Asylgesetz 1991 zukomme, ist nicht zielführend. Diese vorläufige Aufenthaltsberechtigung kommt nämlich nur einem Asylwerber zu, "der gemäß § 6 Asylgesetz 1991 eingereist ist". Dies ist beim Beschwerdeführer jedoch nicht der Fall, weil er nicht direkt aus dem Staat (Jugoslawien) gekommen ist, in dem Verfolgung befürchten zu müssen er behauptet (§ 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991), und weil keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, daß dem Beschwerdeführer die Einreise gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 formlos zu gestatten gewesen wäre. Der Beschwerdeführer reiste auf dem Landweg über Ungarn in das Bundesgebiet ein. Für die Frage, ob ein Asylwerber zum vorläufigen Aufenthalt gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 berechtigt ist, ist maßgeblich, ob der Betroffene in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht war und daher wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt ausgesprochen, daß die allein aus dem Beitritt eines Staates zur Genfer Flüchtlingskonvention abgeleitete Annahme, einem Fremden drohten dort nicht die Gefahren gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG, unschlüssig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 95/21/0984, m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat jedoch der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bezüglich seiner Situation in Ungarn weder auf seinen konkreten Fall noch konkret auf dieses Land bezogene Behauptungen aufgestellt, sondern sich - im Antrag nach § 54 FrG und in seiner Berufung - mit der Aussage begnügt, daß er in Ungarn nicht sicher sei. Bei seiner Vernehmung im Asylverfahren hatte er auf den Vorhalt, er sei bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, bloß geantwortet, ihm sei gesagt worden, daß "es in Österreich besser ist", hier Asylanten aufgenommen würden und es ihm hier besser ginge, weil sein Vater einmal hier gearbeitet hätte. Sein erstmals in der Beschwerde erstattetes Vorbringen über eine Rückschiebungsgefahr von Ungarn nach Jugoslawien stellt somit eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Von daher gesehen vermochte der Beschwerdeführer eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung, die der Ausweisung entgegenstünde, nicht darzutun.

Die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Bemerkt wird, daß die Verwaltungsakten zwar auch im Beschwerdeverfahren Zl. 95/21/1110 (Doppelbeschwerde) vorgelegt wurden, in diesem Verfahren jedoch kein Kostenzuspruch erfolgt ist.

Wien, am 23. März 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte