VwGH 95/21/0927

VwGH95/21/092712.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der KK in Dornbirn, geboren am 20. Februar 1973, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Schlossgraben 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 30. Jänner 1995, Zl. Frb-4250/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §36 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet aus.

Diese Maßnahme begründete die belangte Behörde damit, die Beschwerdeführerin sei am 24. Dezember 1993 eingereist und habe über einen Touristensichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer vom 21. Dezember 1993 bis zum 21. März 1994 verfügt. Ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei in beiden Instanzen wegen des Vorliegens des zwingenden Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG (iVm § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz) abgewiesen worden. Die Beschwerdeführerin sei daher auf Grund ihres unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 17 FrG auszuweisen.

Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Die Beschwerdeführerin sei mit einem seit 1989 in Österreich aufhältigen türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Die legale Aufenthaltsdauer habe drei Monate betragen. Seither halte sie sich, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerks zu sein, im Bundesgebiet auf. Zweifellos sei davon auszugehen, dass durch die Ausweisung in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 19 FrG in relevanter Weise eingegriffen werde, zumal die Beschwerdeführerin schwanger sei und voraussichtlich im März 1995 ein Kind zur Welt bringen werde. Von einer sozialen Integration im Bundesgebiet könne auf Grund des kurzen Aufenthalts wohl nicht gesprochen werden. Die Ausweisung sei gerechtfertigt, weil sie zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei. Der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin, vor allem aber auch ihr weiteres Verbleiben in Österreich nach und trotz der rechtskräftigen Abweisung des "Sichtvermerksantrags", gefährdeten die öffentliche Ordnung in hohem Maß.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde trat dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 13. Juni 1995, B 806/95-3). Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen zufolge die Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Sichtvermerks mit 21. März 1994 abgelaufen und ihr seither keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Der Gerichtshof hegt daher gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin (seither) unrechtmäßig im Inland aufhalte und der Ausweisungstatbestand des § 17 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Zulässigkeit der Maßnahme gemäß § 19 leg. cit. - erfüllt sei, keine Bedenken.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht die Beschwerdeführerin in einer unrichtigen Anwendung des § 19 FrG. Nach dieser Bestimmung ist, würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Die belangte Behörde nahm unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Beschwerdeführerin seit Dezember 1993 im Bundesgebiet aufhält und hier mit ihrem seit 1989 in Österreich anwesenden Ehegatten zusammenlebt, zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben an. Sie wies aber ebenso zutreffend auf das öffentliche Interesse hin, das aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 97/21/0711). Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass dieses öffentliche Interesse höher zu bewerten sei als das entgegenstehende private Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich, kann nicht als rechtswidrig angesehen werden. Einerseits ist die Integration der Beschwerdeführerin im Inland angesichts ihres zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids erst knapp über ein Jahr dauernden Aufenthaltes keinesfalls besonders ausgeprägt und andererseits steht der zwingende Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG iVm § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz einer Legalisierung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Inland entgegen. Die belangte Behörde wies zutreffend auf die Verstärkung des Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin und somit auch des öffentlichen Interesses an deren Ausweisung durch den Umstand hin, dass diese trotz und nach rechtskräftiger Abweisung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Inland geblieben ist.

Wenn die Beschwerdeführerin der Behörde erster Instanz vorwirft, diese sei "auf den Umstand der Schwangerschaft überhaupt nicht eingegangen", so ist dieses Versäumnis bei Überprüfung des angefochtenen zweitinstanzlichen Bescheides unbeachtlich, wurde doch von der belangten Behörde die Schwangerschaft der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Sie maß allerdings diesem Umstand zu Recht keine die Ausweisung hindernde Bedeutung zu, denn eine Schwangerschaft kann zwar einen Grund für eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinn des § 36 Abs. 2 FrG darstellen, für sich allein den Ausspruch einer Ausweisung jedoch nicht hindern. Im Übrigen wurden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die es als unmöglich oder unzumutbar erscheinen ließen, dass die Beschwerdeführerin das Land gemeinsam mit ihrem Ehegatten (der nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt) und ihrem (wie der Beschwerde zu entnehmen ist: mittlerweile geborenen) Kind verlässt.

Letztlich wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vor, diese hätte in rechtswidriger Weise ihrem Antrag auf Aussetzung bzw. Unterbrechung des Ausweisungsverfahrens bis zur Entscheidung über die VwGH-Beschwerde gegen den Ministerialbescheid betreffend Abweisung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht entsprochen. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit im Gesetz nicht vorgesehen ist; gemäß § 17 Abs. 4 FrG ist mit der Ausweisung nur dann zuzuwarten, wenn rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 6 Abs. 3) gestellt wurde. Diese Konstellation ist hier nicht gegeben, weshalb nicht untersucht zu werden braucht, ob der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war.

Nach dem Gesagten haftet dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. April 1999

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