Normen
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 1995 erklärte die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) den dem Beschwerdeführer am 28. April 1992 erteilten unbefristeten Sichtvermerk gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz für ungültig. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer sich seit mehr als zehn Jahren in Österreich mit seiner Familie aufhalte. Seiner Ehefrau und seinem minderjährigen Kind sei gemäß § 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 bereits die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert worden. Diesen gewichtigen persönlichen Verhältnissen stehe gegenüber, daß der Beschwerdeführer wegen der §§ 107 Abs. 1 und Abs. 2, 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1, erster Fall StGB am 29. September 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, bedingt nachgesehen auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei. Da der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit erheblich gefährden würde, sei eine Abwägung zum Nachteil des Beschwerdeführers zu treffen.
In weiterer Folge heißt es in der Bescheidbegründung: "Da dieser Sachverhalt einen Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG darstellt und dies zweifelsohne die Versagung des Sichtvermerkes zur Folge gehabt hätte und ein unbefristeter Sichtvermerk noch viel weiter geht als ein befristeter, war aus Gründen der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft der Sichtvermerk für ungültig zu erklären und spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den aus seiner Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien gezogenen Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG im Hinblick darauf, daß es sich um seine erste strafrechtliche Verurteilung handle und er seit mehr als 15 Jahren in Österreich lebe, für rechtswidrig. Überdies habe er wegen seiner strafgerichtlichen Verurteilung einen Wiederaufnahmsantrag gestellt, dem das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 9. Mai 1995 Folge gegeben habe.
Damit verweist der Beschwerdeführer zutreffend darauf, daß die belangte Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG in gebotener Weise auf die privaten und familiären Interessen des Fremden am Bestehenbleiben seines Aufenthaltsrechtes in der Weise Bedacht zu nehmen hat, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und/oder Familienleben rechtfertigen. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß im Rahmen dieser Interessenabwägung auf die vom Gesetzgeber im § 20 Abs. 2 leg. cit. vorgenommene Gewichtung dieser Interessen Bedacht genommen werden muß (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/21/1120, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Da die belangte Behörde auf die im § 20 Abs. 2 FrG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zum Ausdruck gebrachte Gewichtung der Interessen durch den Gesetzgeber bei der Ungültigerklärung des Sichtvermerkes nicht Bedacht genommen hat, belastete sie demnach den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Für die im bekämpften Bescheid weiters enthaltene Annahme, daß im gegebenen Fall auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG vorliege, fehlt die entsprechende Sachverhaltsgrundlage und eine diese Schlußfolgerung rechtfertigende nachvollziehbare Begründung.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; der Ersatz von Stempelgebühren war nur insoweit zuzuerkennen, als dieser Aufwand für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung (drei Beschwerdeausfertigungen und eine Bescheidausfertigung) notwendig war.
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