VwGH 95/19/0876

VwGH95/19/08767.3.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1995, Zl. 109.761/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §15;
EMRK Art8 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §15;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 2. August 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid folgendermaßen:

"Sie haben am 02.08.1994 an die oben genannte Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.

Die genannte Behörde hat diesen Antrag mit obzitiertem Bescheid abgewiesen.

Gegen diese Beurteilung haben Sie im wesentlichen eingewendet, daß die Voraussetzungen einer Aufenthaltsbewilligung bei Ihnen vorliegen.

Unbeschadet dieses Vorbringens ist für die Beurteilung Ihres Antrages wesentlich, daß § 5 des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließt, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z 4 dieses Gesetzes liegt ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Nach der auch auf Ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage lief Ihr letzter Sichtvermerk mit 30.10.1993 ab. Den Antrag auf Aufenthaltsbewilligung haben Sie jedoch erst am 02.08.1994 gestellt.

Den Bescheid der MA 62 vom 26.09.1994 haben Sie persönlich in Wien übernommen. In Ihrer Berufung vom 12.10.1994 geben Sie an, in Wien gemeldet zu sein und hier dauernden Aufenthalt genommen zu haben. Sie halten sich daher illegal im Bundesgebiet auf und es findet der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG seine Anwendung.

Zu Ihren persönlichen Verhältnissen ist zu sagen, daß durch den Aufenthalt Ihrer Ehegattin bzw. Ihrer Tochter im Bundesgebiet zwar nicht absprechbare Bindungen zur Republik Österreich bestehen, diese aber den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen sind.

Damit liegt ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor und kann Ihnen daher auch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwiegen daher Ihre privaten Interessen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt als Sachverhalt vor, er sei bosnischer Staatsangehöriger mit jugoslawischem Reisepaß, da er sonst keinen Reisepaß hätte bekommen können. Sein Dorf sei von den Moslems und Kroaten zerstört worden, er habe in Bosnien keine Bleibe mehr. In Wien lebe seine Schwester und seine Frau, die er am 27. Oktober 1994 geehelicht habe. Seine Tochter sei am 5. April 1994 in Wien geboren worden. Sein Onkel sei bereits 20 Jahre in Österreich und dieser habe die Verpflichtungserklärung für den Beschwerdeführer unterfertigt. Er sei am 2. August 1992 nach Österreich eingereist und sei ein "de facto-Flüchtling aus Bosnien". Er habe sich am 3. August 1992 gemeldet und einige Sichtvermerke erhalten. Er habe immer einen Sichtvermerksantrag in Bearbeitung gehabt und auch am 10. Jänner 1994 und am 2. August 1994 Anträge gestellt. Sein letzter Sichtvermerk sei tatsächlich gültig bis 30. Oktober 1993 gewesen. Er habe "immer auch ein Rechtsmittel" ergriffen, sodaß er "immer legal in Österreich" gewesen sei, ohne jedoch einen Sichtvermerk zu bekommen, obwohl er von der MA 12 - Bosnienhilfe als "de facto-Flüchtling aus Bosnien" bezeichnet werde. Die belangte Behörde hätte das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 21. Februar 1995 (Ausweisung), beim Verwaltungsgerichtshof protokolliert zur Zl. 95/18/0688, aussetzen sollen oder einen Sichtvermerk wegen der in diesem Beschwerdeverfahren erteilten aufschiebenden Wirkung erteilen sollen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei bosnischer Staatsangehöriger mit jugoslawischem Reisepaß, da er sonst keinen Reisepaß bekommen hätte, stellt sich als eine aus folgenden Gründen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung gemäß § 41 Abs. 1 VwGG dar. Denn der Beschwerdeführer hat bereits in dem dem gegenständlichen Antrag vorangegangenen Antrag vom 10. Jänner 1994 seine Staatsangehörigkeit mit "Jugosl." angegeben. Im Verfahren legte er dann einen am 6. April 1994 ausgestellten Reisepaß der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vor.

Im gegenständlichen Antrag vom 8. August 1994 gibt er seine Staatsangehörigkeit ebenfalls ausschließlich mit "Jug." an. Im erstinstanzlichen Bescheid vom 26. September 1994 ist der Beschwerdeführer als "jugos. Staatsbürger" bezeichnet. In der dagegen erhobenen Berufung verweist der Beschwerdeführer einerseits auf die beglaubigte Übersetzung des Protokolls über die Anerkennung seiner Vaterschaft, das "in der Botschaft der BR Jugoslawien in Wien erstellt wurde", und gibt andererseits an, "Ich stamme aus Bosnien und Herzegowina, aus dem Kriegsgebiet und im Fall einer wiederholten Abweisung müßte ich zum Heer, möchte aber in diesem Krieg auf keiner Seite teilhaben". Er bekämpft aber die von der Behörde erster Instanz angenommen jugoslawische Staatsbürgerschaft nicht.

Dem Beschwerdeführer war daher im Verwaltungsverfahren aufgrund des erstinstanzlichen Bescheides die Möglichkeit geboten worden, zur Frage seiner Staatsbürgerschaft Stellung zu nehmen, sodaß die nunmehrigen - seinen eigenen Antragsangaben widersprechenden - Sachverhaltsbehauptungen hinsichtlich seiner Staatsbürgerschaft dem Neuerungsverbot unterliegen.

Daran ändert auch nichts, daß der Beschwerdeführer ein undatiertes Schreiben der MA 12 - Bosnienhilfe vorgelegt hat, dem zufolge er sich seit 2. August 1992 als "de facto-Flüchtling aus Bosnien in Wien" befinde. Denn diesem Schreiben sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, welche Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Antrages und zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde innehatte.

Aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren konnte die belangte Behörde aber nicht von einer anderen als von der vom Beschwerdeführer mit "Jugoslawien" bezeichneten und durch den neu ausgestellten Reisepaß der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 6. April 1994 indizierten Staatsbürgerschaft ausgehen.

Insoferne der Beschwerdeführer auf die zur

hg. Zl. 95/18/0688 erhobene Beschwerde gegen seine Ausweisung hinweist, ist er bloß auf das mittlerweile ergangene Erkenntnis vom 19. September 1996 in diesem Beschwerdefall hinzuweisen. Auch in diesem Erkenntnis wird von der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zur "jugoslawischen Föderation" ausgegangen. Zusammenfassend sind daher im Verwaltungsverfahren keine konkreten Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer ein gesetzliches Aufenthaltsrecht aufgrund § 1 Abs. 1 und 2 der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides heranzuziehenden Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina innegehabt hätte. Ebensowenig ist hervorgekommen, daß dem Beschwerdeführer in Ausübung des in § 1 Abs. 3 der zitierten Verordnung eingeräumten Ermessens ein Aufenthaltsrecht gewährt worden wäre.

In der Beschwerde bleibt unbekämpft, daß der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Sichtvermerk am 30. Oktober 1993 seine Gültigkeit verloren hat. Da auch der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Jänner 1994 mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Juli 1994 abgewiesen wurde, konnte die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer sich seit Ablauf seines letztgültigen Sichtvermerkes nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, zumal der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt, seinen Hauptwohnsitz in Österreich zu besitzen. Es ist hier nicht rechtswidrig, den zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits ca. 19 Monate, somit lang andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers als eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens zu beurteilen. Die belangte Behörde ist daher zutreffend von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und des § 5 Abs. 1 AufG ausgegangen, weil der Beschwerdeführer trotz der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung seines Antrages vom 10. Jänner 1994 durch die erstinstanzliche Behörde ohne Aufenthaltstitel weiterhin im Bundesgebiet verblieben ist.

Der Beschwerdeführer hält die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch deshalb für rechtswidrig, weil sich seine Ehegattin und sein Kind in Österreich befänden. Dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt zum Ausdruck, daß die belangte Behörde angenommen hat, durch die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung erfolge ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde hat aber auch zum Ausdruck gebracht, daß die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den öffentlichen Interessen an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen seien. Diese Beurteilung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Denn einerseits kommt den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Andererseits sind die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung angesichts seines ungefähr 19 Monate dauernden unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, dem ein rechtmäßiger Aufenthalt von lediglich etwa 15 Monaten voranging, nicht so stark ausgeprägt, und zwar auch nicht unter Bedachtnahme auf seine familiäre Situation, daß sie schwerer zu gewichten wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/18/0688).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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