VwGH 95/19/0050

VwGH95/19/005019.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Jänner 1995, Zl. 4.327.040/6-III/13/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs5;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
AVG §63 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs5;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 16. September 1991 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen "der früheren UdSSR", war von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark mit Bescheid vom 27. Jänner 1992 abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 1993 zurückgewiesen, weil der Berufung im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG 1991 ein begründeter Berufungsantrag mangelte. Dieser Bescheid wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme am 15. Juli 1993 zugestellt.

Am 20. Mai 1994 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er begründete dies im wesentlichen damit, daß er sich mit dem erstinstanzlichen Asylbescheid an die Caritas in H gewendet habe, welche für ihn eine mit "Berufung" bezeichnete Eingabe verfaßt habe, die er anweisungsgemäß abgefertigt und eingebracht habe. Nach Zurückweisung dieser Eingabe habe er den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. (Anm.: Dieser unter Beilage des anzufechtenden Bescheides am 26. Juli 1993 zur Post gegebene Verfahrenshilfeantrag wurde beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. VH 94/19/0080 protokolliert.) Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluß vom 1. April 1994 den Antrag auf Verfahrenshilfe mit der Begründung abgewiesen, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung offenbar aussichtslos erscheine. Der Beschwerdeführer habe in der Folge wiederholte Male den den Beschluß gefertigt habenden Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes zu erreichen versucht, was ihm nicht gelungen sei. Am 19. Mai 1994 sei es ihm schließlich bei dem nunmehr einschreitenden Vertreter Dr. G gelungen, die Auskunft zu erlangen, "daß der Grund für die negative Erledigung meiner Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, darin gelegen hat, daß die als Berufung gekennzeichnete Eingabe, nicht den Inhalt und die Merkmale, nämlich nicht die An- und Ausführung der Gründe, weshalb der anzufechtende Bescheid, rechtswidrig ist, enthielt". Er habe seit dem Erhalt des erstinstanzlichen Asylbescheides nicht erkannt, welchen Inhalt und welche Merkmale die Berufung, welche diesen Bescheid bekämpfen sollte, aufweisen müsse. Diese Kenntnis sei ihm deshalb verwehrt worden, da er sich an eine für die Vertretung und Beratung im Asylverfahren kundige Einrichtung gewendet, sich dieser anvertraut habe und diese Einrichtung für ihn die "Berufung" verfaßt und dazu die Erklärung erteilt habe, daß mit dieser Berufung der zu bekämpfende Bescheid wirksam einer Überprüfung unterzogen werde. Die Fehlleistung der "Caritas-Beratung" sei ihm deshalb nicht zuzurechnen, da diese ihn gehindert habe, eine "im aufzuwenden Maß befähigte Rechtsvertretung aufzusuchen". Das Versäumnis einer Betreuung durch die geeignete Person habe erst durch die Aufklärung durch den nunmehr einschreitenden Vertreter Dr. G am 19. Mai 1994 geendet.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark wies mit Bescheid vom 9. November 1994 den Antrag auf Wiedereinsetzung im wesentlichen mit der Begründung zurück, daß der Beschwerdeführer aufgrund der Einbringung der Berufung keine Frist versäumt habe.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß der Verwaltungsgerichtshof im erwähnten Beschluß vom 1. April 1994 ausgesprochen habe, daß eine Beschwerdeführung aussichtslos sei, da eine Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG nicht eingebracht worden sei. "Unter dieser höchstgerichtlichen Betrachtung" sei daher die Frist zur Einbringung der Berufung als versäumt anzusehen.

Mit dem Bescheid vom 30. Jänner 1995 wies die belangte Behörde die Berufung unter Spruchpunkt 1 mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer zwar die Rechtsmittelfrist durch die den Erfordernissen des § 63 Abs. 3 AVG nicht entsprechende Berufung versäumt habe, es sei ihm aber der Bescheid, mit dem die Zurückweisung dieser "Berufung" ausgesprochen wurde, am 15. Juli 1993 rechtswirksam zugestellt worden, sodaß er ab diesem Zeitpunkt von der Unzulässigkeit seiner Berufung Kenntnis gehabt habe. Diesem Bescheid sei das Übersetzungsblatt in russischer Sprache beigefügt worden. Es könne den Ausführungen, er habe erst am 19. Mai 1994 von seinem nunmehrigen Vertreter den Grund der negativen Erledigung seiner Berufung erfahren, nicht gefolgt werden. Gemäß § 71 Abs. 2 AVG sei der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Da der Beschwerdeführer die Rechtsmittelfrist versäumt habe, weil er der Meinung gewesen sei, ohnehin eine zulässige Berufung eingebracht zu haben, sei das Hindernis im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG mit der Zustellung des Bescheides über die Zurückweisung der Berufung weggefallen. Er hätte daher den Wiedereinsetzungsantrag bis spätestens 29. Juli 1993 einbringen müssen. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 20. Mai 1994 sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen, weshalb die gegenständliche Berufung abzuweisen gewesen sei.

Mit dem Spruchpunkt 2 wies die belangte Behörde die Berufung vom 20. Mai 1994 als verspätet zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides. Der Beschwerdeführer rügt als Rechtswidrigkeit des Inhaltes, daß er in seinem Wiedereinsetzungsantrag dargelegt habe, daß für ihn die Bedeutung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. Juni 1993 nicht erkennbar gewesen und nicht erkannt worden sei, obwohl er alle ihm zumutbaren Aufklärungen zu erlangen gesucht habe, der Rechtsmittelbelehrung gefolgt sei, den Verfahrenshilfeantrag zur Erhebung der Bescheidbeschwerde eingebracht habe und nach Zurückweisung dieses Antrages beim Verwaltungsgerichtshof Aufklärung über diesen Beschluß zu erlangen gesucht habe. Sohin habe er bis zur Aufklärung durch seinen nunmehrigen Rechtsfreund nicht erkannt, "mit welcher rechtlichen Bewandtnis" seine Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 27. Jänner 1992 zurückgewiesen worden sei. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer in der Beschwerde, daß die belangte Behörde ihm nicht vorgehalten habe, daß sie von der Verspätung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgehen wolle. Ansonsten hätte er dargelegt, daß ihm auch nach Zustellung des Bescheides vom 29. Juni 1993 nicht erkennbar gewesen sei und er nicht habe erkennen müssen, daß dieser Entscheidung die Bedeutung zukomme, daß gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 27. Jänner 1992 bis dahin keine Berufung erhoben worden sei, sodaß er zu diesem Zeitpunkt nicht habe davon ausgehen können, daß infolge des Hindernisses, welches in der Gestalt seiner Unkenntnis über die Tatsache des Nichterhebens der Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 27. Jänner 1992 vorgelegen sei, die Erhebung der Berufung gegen diesen Bescheid nachholbar gewesen sei. Es habe ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens getroffen, da er trotz der ihm obliegenden Sorgfalt, die er eingehalten habe, indem er die angezeigten Rechtsbehelfe wahrgenommen und fachlichen Rat gesucht habe, die Aufklärung in rechtlicher Hinsicht nicht möglich gewesen sei.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Der Beschwerdeführer bestätigt durch seine Angaben und sein Verhalten, daß ihm der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 1993 rechtsgültig am 15. Juli 1993 zugestellt wurde. In diesem Bescheid sind die rechtlichen Erwägungen enthalten, die der Beschwerdeführer vorgibt, in ihrer Tragweite nicht verstanden zu haben. Der Beschwerdeführer hat zwar angegeben, den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt und Erkundigungen anzustellen versucht zu haben, der Beschwerdeführer behauptet aber nicht, daß diese Erkundigungen sich auf das Verständnis des Inhaltes des Bescheides vom 29. Juni 1993 bezogen hätten. Die erstmalig diesbezüglich behauptete Erkundigung war diejenige bei seinem nunmehrigen Rechtsfreund vom 19. Mai 1994. Da mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum ohnehin nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten sind, das die Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte, weil diese den Beschwerdeführer nicht hindern konnten, sich über die Wirkung des Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 633, zitierte

hg. Rechtsprechung), ist sie gleichfalls nicht geeignet, die Wirkung der Zustellung des Bescheides vom 29. Juni 1993, daß damit das Hindernis weggefallen ist, nicht eintreten zu lassen. Denn andernfalls entstünde ein Wertungswiderspruch zu § 71 Abs. 5 AVG, nach welchem gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfindet.

Daß der Beschwerdeführer daher nach Zustellung des Bescheides vom 29. Juni 1993 nicht umgehend Erkundigungen über dessen rechtliche Bedeutung einholte, geht zu seinen Lasten.

Abgesehen davon, daß das Recht auf Parteiengehör nicht umfaßt, daß die Behörde vor Erlassung des Bescheides vorzuhalten hat, auf welche rechtlichen Erwägungen sie ihren Bescheid zu stützen gedenkt, hat der Beschwerdeführer in seiner Verfahrensrüge nur neuerlich die Unkenntnis der rechtlichen Bedeutung des Inhaltes des Bescheides vom 29. Juni 1993 und die bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung und in der Beschwerde in der Rechtsrüge vorgebrachten Bemühungen zur Erlangung der Kenntnis der rechtlichen Bedeutung des Inhaltes des Bescheides wiederholt. Es ist dem Beschwerdeführer damit nicht gelungen, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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