VwGH 95/19/0038

VwGH95/19/003826.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Jänner 1995, Zl. 4.316.673/4-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Jänner 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer russischen Staatsangehörigen, die am 7. Juli 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 17. August 1992 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. September 1992 abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat sowohl in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 7. Juli 1992 als auch in der vom 22. September 1992 übereinstimmend zu ihrem Fluchtweg angegeben, daß sie am 15. Juni 1992 gemeinsam mit ihrer Tochter per Bahn nach Moskau und von dort per Bahn nach Paskov in der CSFR gefahren sei. Sie habe legal die Grenze passiert. In Paskov seien sie in einem Hotel bis zum 6. Juli 1992 geblieben. Anschließend habe sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter durch Schlepper gegen den Betrag von US-$ 100,-- über die tschechisch-österreichische Grenze bringen lassen. In der Niederschrift vom 22. September 1992 begründete die Beschwerdeführerin die Tatsache, daß sie in der CSFR nicht um Asyl angesucht habe, damit, daß sie zu ihrem in Österreich aufhältigen Mann habe gelangen wollen und ihr nicht bekannt gewesen sei, daß man in der CSFR um Asyl ansuchen könne.

Das Bundesasylamt begründete seine abweisende Entscheidung unter anderem damit, daß die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes in der CSFR ausreichend Möglichkeit gehabt habe, einen Asylantrag zu stellen. Sie habe dort keinerlei Verfolgung erdulden müssen. Die CSFR sei Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention und hätte im Falle der Antragstellung ein entsprechendes Verfahren eingeleitet und die Fluchtgründe geprüft. Darüberhinaus habe die CSFR am 18. März 1992 auch die EMRK ratifiziert. Es liege deshalb der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vor.

In der Berufungsergänzung vom 21. Oktober 1992 wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Annahme der Sicherheit vor Verfolgung in der CSFR mit folgenden Angaben:

"Bezüglich der Möglichkeit einen Asylantrag in der CSFR zu stellen führe ich noch an, daß ich dies deshalb nicht in Erwägung gezogen habe, weil sich mein Mann im benachbarten Österreich befand und ich selbstverständlich im selben Land wie er mein Asylverfahren erledigen wollte. Deshalb habe ich auch ursprünglich einen Erstreckungsantrag gestellt. Sein Asylverfahren ist noch nicht rechtskräftig beendet.

In der CSFR hielt ich mich lediglich deshalb länger auf, um die Weiterreise mit meiner Tochter nach Österreich zu organisieren, was eben einige Zeit in Anspruch nahm. Ich hätte mich auch ohne meinen Mann in einem ehemaligen kommunistischen Land nicht länger aufgehalten und fühlte mich dort auch keineswegs sicher. Ich habe leider erfahren müssen, wie man in kommunistischen Ländern mit Regimegegnern verfährt, auch wenn sich angeblich alles geändert hat. Es liegt also auch kein Ausschließungsgrund nach § 2 Abs 2 Z 3 Asylges. 1991 vor."

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid unter anderem auch darauf, daß die Beschwerdeführerin in der CSFR sicher vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gewesen sei. Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß es durchaus legitim sei, davon auszugehen, daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, wie das für die ehemalige CSFR gelte, auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie eben das Non-Refoulement-Recht, ebenfalls effektiv in Geltung stünden. Die damalige CSFR sei seit 26. November 1991 Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargetan, daß sie keinen Rückschiebeschutz genossen habe. Es wäre ihr aufgrund ihres stationären Aufenthaltes möglich gewesen, bei den Behörden der CSFR um Asyl anzusuchen. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin nach Österreich habe reisen wollen, stelle keinen beachtlichen Grund dar, der sie gehindert hätte, länger zu bleiben, um dort um Asyl anzusuchen.

In der Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Annahme der Sicherheit vor Verfolgung mit dem Vorbringen, daß es keine verläßliche Auskunft über die Behördenpraxis in der CSFR gebe, wie dort mit politischen Flüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion umgegangen werde. Es sei zu bedenken, daß der Sicherheitsapparat der CSFR immer noch vom ehemaligen kommunistischen Regime geprägt sei und die tschechischen Sicherheitsbehörden über besonders gute Kontakte zur russischen Föderation verfügten, insbesondere auch auf Geheimdienstebene. Sie wäre bei einem längeren Aufenthalt in der CSFR von der Abschiebung nach Rußland bedroht gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die subjektiven Gründe, welche die Beschwerdeführerin bewogen, ihren Aufenthalt in der CSFR nicht zur Stellung eines Asylantrages zu nutzen, sondern nach Österreich weiterzureisen, in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), als im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 unbeachtliche Gründe wertete. Denn für die Annahme der Verfolgungssicherheit genügt es, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte. Dafür, daß diese Voraussetzungen bei der Beschwerdeführerin nicht vorgelegen wären, besteht kein Anhaltspunkt, da der Hinweis der Beschwerdeführerin in der Berufung, sie habe erfahren müssen, wie man in kommunistischen Ländern mit Regimegegnern verfahre, auch wenn sich angeblich alles geändert habe, aufgrund seiner allgemeinen Darstellung keinen Rückschluß auf die konkrete Situation in der CSFR zum Zeitpunkt des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin zuläßt. Insbesondere ist daraus nicht ableitbar, daß die CSFR ihre sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen nicht eingehalten hätte.

Das nunmehrige Tatsachenvorbringen in der Beschwerde unterliegt aber dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot, sodaß hierauf nicht einzugehen ist.

Die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei während ihres Aufenthaltes in der damaligen CSFR sicher vor Verfolgung gewesen, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Selbst wenn die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin als gegeben erachtet hätte, käme die Asylgewährung für die Beschwerdeführerin nicht in Betracht, weil dieser der von der belangten Behörde zu Recht herangezogene Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 entgegenstünde (vgl. für viele zB das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/19/1190). Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage konnte eine Auseinandersetzung mit den die Frage der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin betreffenden Beschwerdeausführungen und mit den in dieser Hinsicht geltend gemachten Verfahrensmängeln unterbleiben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Akten betreffend die Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten in einem Akt geführt und gemeinsam vorgelegt wurden, weshalb der Vorlageaufwand nur einmal entstanden und anteilsmäßig der Beschwerdeführerin aufzuerlegen ist.

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