VwGH 95/18/1273

VwGH95/18/127317.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, in der Beschwerde des R H in Wien, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien X, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. März1995, Zl. SD 1237/94, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §115;
FrG 1997 §36 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §114 Abs7;
FrG 1997 §115;
FrG 1997 §36 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 (im folgenden: FrG 1992), ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit gründet, daß der Beschwerdeführer in den USA wegen eines an seiner Gattin begangenen Totschlages zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren verurteilt worden sei. Da Totschlag auch nach österreichischem Recht strafbar sei und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sei, sei das Aufenthaltsverbot nach § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG 1992 zulässig.

Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des FrG 1992 geregelt. Die Abs. 4 und 7 des § 114 FrG lauten:

"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.

(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."

Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschwerde als gegenstandslos und die Einstellung des Verfahrens im Sinn der genannten Bestimmungen sind im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen erfüllt:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Gemäß Abs. 2 Z. 1 dieser Bestimmung hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 (u.a.) insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Nach § 36 Abs. 3 zweiter Satz liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung auch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

§ 73 StGB normiert, daß ausländische Verurteilungen dann inländischen gleichstehen, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind.

Für die Beurteilung der Frage, ob die in § 36 Abs. 1 umschriebene Annahme aufgrund eines strafbaren Verhaltens des Fremden gerechtfertigt ist, kommt es nicht auf die Tatsache der Verurteilung, sondern auf die zugrundeliegende strafbare Handlung an (vgl. die auf diesen Fall übertragbare ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 Abs. 1 FrG 1992; etwa das Erkenntnis vom 23. Oktober 1997, Zl. 97/18/0510). Aus dem angefochtenen Bescheid - wie im übrigen auch aus dem Akteninhalt - ist jedoch nicht ersichtlich, aufgrund welcher konkreten Tat, die vom Gericht in den Vereinigten Staaten von Amerika nach dem dort anzuwendenden Recht als "Totschlag" qualifiziert wurde, der Beschwerdeführer verurteilt wurde. Ebensowenig ist der Tatzeitpunkt ersichtlich. Es fehlt daher an wesentlichen Feststellungen für die Beurteilung des Gerechtfertigt-seins der in § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme.

Schon aus diesem Grund kann nicht gesagt werden, daß der angefochtene Bescheid gemäß § 114 Abs. 4 FrG "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er nach dieser Bestimmung mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.

Die Beschwerde war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 und § 115 FrG ohne Zuspruch von Aufwandersatz als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Wien, am 17. September 1998

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