VwGH 95/18/1183

VwGH95/18/118322.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. April 1995, Zl. SD 1338/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. April 1995 wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in Pakistan gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht.

Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag damit begründet, daß er seit 1990 Mitglied des Mohajir Quami Movement (MQM) und seit 1991 dessen Präsident gewesen wäre. Er wäre zweimal inhaftiert worden. Das erste Mal wegen einer Demonstration für einen von unbekannten Tätern erschossenen Parteiführer; damals wäre er entlassen worden, als sein Vater sich verpflichtet hätte, für den Fall seiner neuerlichen politischen Betätigung 20.000 Rupien zu bezahlen. Die zweite Verhaftung hätte im Juni 1993 stattgefunden, als Freunde bei ihm zu Besuch gewesen wären. Während sich seine - ebenfalls verhafteten - Freunde nach wie vor in Haft befänden, wäre er gegen Kaution entlassen worden. Die genannten Freunde und er wären aus politischen Gründen zu Unrecht beschuldigt worden, am 14. August 1993 einen Mord begangen zu haben. Dies wäre ein typisches Mittel, politische Aktivitäten zu unterdrücken. Seinem Vater wäre mitgeteilt worden, daß gegen den Beschwerdeführer ein Haftbefehl erlassen worden wäre. Bei einer Rückkehr nach Pakistan drohte ihm eine lange Freiheitsstrafe.

Der Beschwerdeführer habe, obwohl er auf Grund seiner oberflächlichen und kursorischen Darstellung bereits im erstinstanzlichen Verfahren aufgefordert worden sei, eine detailgenaue Schilderung des Sachverhaltes zu geben, immer wieder nur die oben wiedergegebene Kurzdarstellung wiederholt und keine Bescheinigungsmittel angeboten. Dadurch sei nicht nur die Frage im unklaren geblieben, wieso auch jene Freunde, welche sich nach seinen Angaben nach wie vor in Haft befänden, des Mordes beschuldigt worden seien, sondern vor allem auch die Frage, welche Verdachtsmomente seiner Meinung nach die Polizei haben könne, mit dem Mord gerade ihn in Zusammenhang zu bringen. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls mit seiner kurzen Darstellung nicht glaubhaft machen können, tatsächlich durch staatlichen Eingriff bzw. mit staatlicher Billigung aus politischen Gründen bewußt eines von ihm nicht begangenen Mordes verdächtigt zu werden. Damit habe er aber nicht glaubhaft darlegen können, daß seine Freiheit tatsächlich aus den in der Genfer Konvention genannten Gründen bedroht wäre oder daß er Gefahr liefe, einer unmenschlichen Strafe unterworfen zu werden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde unter gleichzeitiger Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 28. Juni 1995, B 1833/95).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesen Gründen.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0685, m.w.N.).

3. Die belangte Behörde hat im angefochten Bescheid ausgeführt, die oberflächlichen und kursorischen Ausführungen des Beschwerdeführers, welche auch die Frage offenließen, wieso die Polizei gerade ihn des Mordes verdächtige, seien nicht geeignet, glaubhaft darzulegen, daß der Beschwerdeführer tatsächlich durch staatlichen Eingriff bzw. mit staatlicher Billigung aus politischen Gründen eines von ihm nicht begangenen Mordes verdächtigt werde.

Für die Begründung dieser Beweiswürdigung zog die belangte Behörde erkennbar heran, daß die Ausführung des Beschwerdeführers, seine am 3. Juni 1993 verhafteten und noch immer in Haft befindlichen Freunde seien verdächtigt worden, einen am 14. August 1993 verübten Mord begangen zu haben, nicht nachvollziehbar sei. Diese Würdigung kann im Hinblick darauf, daß es geradezu absurd wäre, einem Häftling zur Tarnung einer politisch motivierten Verfolgung die Begehung eines Mordes vorzuwerfen - der außerhalb des Gefängnisses verübt wurde - nicht als unschlüssig erachtet werden. Ebenso hält das weitere Argument der belangten Behörde für die Beweiswürdigung, der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung keine detaillierte Schilderung des Sachverhaltes gegeben, einer Schlüssigkeitsprüfung stand, hat doch der Beschwerdeführer nach Aufforderung durch die Erstbehörde, eine "genaueste Schilderung" des Sachverhaltes abzugeben, nur das Vorbringen im Antrag wiederholt, ohne es in irgendeiner Weise zu ergänzen. Es wäre dem Beschwerdeführer aber - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - auch ohne konkrete Fragestellung durch die Behörde zumutbar gewesen, seine Aussage wenigstens in den wesentlichsten Punkten, etwa betreffend die Art seiner politischen Tätigkeit und die Umstände seiner Verhaftung vom 3. Juni 1993 zu konkretisieren.

Der Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht habe, er sei in Pakistan im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht, kann daher nicht entgegengetreten werden.

4. Die Ausführung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe - trotz Aufforderung zu einer detaillierteren Schilderung des Sachverhaltes - keine Bescheinigungsmittel angeboten, kann sinnvollerweise nur so verstanden werden, daß der Beschwerdeführer neben der Einsichtnahme in den Asylakt und der Verwertung seiner eigenen Aussage, welche Bescheinigungsmittel von der belangten Behörde ohnehin berücksichtigt wurden (hinsichtlich des Asylaktes durch Verweisung auf den Erstbescheid), keine weiteren, seine konkrete Verfolgungssituation betreffenden Bescheinigungsmittel angeboten hat. Da dies mit der Aktenlage im Einklang steht, liegt die diesbezüglich geltend gemachte Aktenwidrigkeit nicht vor.

5. Da Feststellungen über die in Pakistan allgemein herrschende Situation nicht geeignet sind, eine konkrete Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darzutun, macht der Beschwerdeführer auch mit der Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die im Verwaltungsverfahren beantragten Beweise zur allgemeinen Lage in Pakistan (Einholung einer Stellungnahme des UNHCR und der österreichischen Vertretungsbehörde in Pakistan) aufzunehmen, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.

6. Die vom Beschwerdeführer erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Urkunden konnten von der belangten Behörde naturgemäß nicht verwertet werden.

7. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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