VwGH 95/18/0895

VwGH95/18/089518.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 1995, Zl. 104.105/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §58 Abs1;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §58 Abs1;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 20. März 1995 wurde der am 21. Jänner 1994 bei der Erstbehörde eingelangte Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz und § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz mit der Begründung abgewiesen, daß die Ehe des Beschwerdeführers mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 16. September 1992 für nichtig erklärt worden sei, wobei den Urteilsgründen zu entnehmen sei, daß die Ehe nur zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen durch den Beschwerdeführer geschlossen worden sei. Dies stelle nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen Rechtsmißbrauch dar, der dazu führe, daß der weitere Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz gefährde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. In der Folge tauchten beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken in der Richtung auf, daß der angefochtene Bescheid aus einem Grund rechtswidrig sein könnte, der bisher von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht erörtert worden ist. Der Gerichtshof forderte sodann die belangte Behörde und den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 8 VwGG auf, zu der von ihm im vorliegenden Fall für maßgebend erachteten Rechtsfrage Stellung zu nehmen, ob der angefochtene Bescheid nicht schon im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer gegenüber von der belangten Behörde bereits am 1. März 1995 in derselben Angelegenheit ein Bescheid erlassen worden war (Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung), wegen Verstoßes gegen § 68 Abs. 1 AVG mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sei. Der Beschwerdeführer bejahte diese Frage; die belangte Behörde hielt die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes für nicht begründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Februar 1995, Zl. 104.105/2-III/11/94 - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Juni 1994 - dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung (für den Aufenthaltszweck "unselbständig

erwerbstätig / Befreiungsschein") vom 28. März 1994 bis 28. Februar 1996 erteilt hatte. Dieser Bewilligungsbescheid war dem Beschwerdeführer laut dem im Akt einliegenden Rückschein im Wege der Hinterlegung am 1. März 1995 rechtswirksam zugestellt und damit erlassen worden.

Ungeachtet dessen erließ die belangte Behörde in der Folge den nunmehr angefochtenen Bescheid (vom 20. März 1995, Zl. 104.105/2-III/11/94), mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den vorgenannten erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen und damit die angestrebte Aufenthaltsbewilligung versagt wurde. Dieser Versagungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer laut dem gleichfalls im Akt einliegenden Rückschein im Wege der Ersatzzustellung am 3. April 1995 rechtswirksam zugestellt und somit erlassen.

2. Daraus folgt, daß die belangte Behörde über die von ihr mit dem Bescheid vom 19. Februar 1995 formell rechtskräftig entschiedene Sache mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. März 1995 neuerlich entschieden hat. Diese Vorgangsweise stellt einen Verstoß gegen den in § 68 Abs. 1 AVG verankerten Grundsatz des ne bis in idem dar; der nochmaligen Entscheidung stand res iudicata entgegen (vgl. dazu RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze I, Wien 1987, S. 660 f). Die zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogene "Scheinehe" des Beschwerdeführers konstituierte keine wesentliche, die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes, weil es sich hiebei im Hinblick auf das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 16. September 1992 betreffend die Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers nicht um eine nachträglich eingetretene, sondern lediglich um eine nachträglich hervorgekommene Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes handelt.

3.1. In der ihr vom Gerichtshof aufgetragenen Stellungnahme ("Äußerung vom 28.3.1996") räumt die belangte Behörde ein, daß aufgrund eines Versehens "beide Erledigungen durch die MA 62 dem Beschwerdeführer zugestellt (wurden)", vertritt jedoch ungeachtet dessen die Meinung, daß "nur dem abweislichen Bescheid der belangten Behörde vom 20.03.1995, nicht aber der stattgebenden Erledigung Bescheidqualität zukommt", weil für das Vorliegen eines Bescheides der "Wille" der Behörde, "hoheitliche Gewalt" zu üben, maßgeblich sei, die belangte Behörde indes "keinesfalls die Absicht bzw. den Willen hatte, dem Beschwerdeführer stattzugeben".

3.2. Diese Argumentation ist verfehlt. Ob die Behörde den Willen hat, hoheitliche Gewalt zu üben, ist primär aus dem Inhalt der Erledigung abzuleiten. Enthält eine behördliche Erledigung einen Spruch, aus dem sich eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ (rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend) eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat, dann kann am Wollen der Behörde, eine bindende Regelung, und damit einen Akt mit Bescheidcharakter zu erlassen, kein Zweifel bestehen; diesfalls ist sogar die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid entbehrlich (vgl. dazu den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A; WALTER/MAYER, Verwaltungsverfahrensrecht6, Wien 1995, Rz 384).

Dies zugrunde gelegt ist die in Frage stehende Erledigung der belangten Behörde vom 19. Februar 1995 ein Bescheid, wird doch durch den darin enthaltenen Spruch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers in verbindlicher Weise dahin gestaltet, daß ihm "eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbständig erwerbstätig/Befreiungsschein" vom 28.03.1994 bis 28.02.1996 erteilt (wird)". Daß diese Erledigung außer dem eindeutigen normativen Inhalt auch noch die Bezeichnung "Bescheid" aufweist, läßt an deren Bescheidqualität umso weniger Zweifel aufkommen.

4. Indem nach dem Gesagten die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid in der bereits durch den Bescheid vom 19. Februar 1995 erledigten Sache - ohne (wesentliche) Änderung der Sach- und/oder Rechtslage - neuerlich entschied, belastete sie diese Entscheidung im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Beschwerde lediglich in zweifacher Ausfertigung einzubringen war, daß der Ersatz von Barauslagen für die Herstellung von Fotokopien im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand enthalten ist und daß das Gesetz einen Anspruch auf Schriftsatzaufwand nur für die Einbringung der Beschwerde (und nicht auch für die Erstattung weiterer, vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragener Schriftsätze) vorsieht (vgl. dazu DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 686 f).

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